Im Bann der Dunkelkunst: Ein Blick auf die Ausstellung «I see a Darkness»
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Off-Space
Basel-Stadt

Im Bann der Dunkelkunst: Ein Blick auf die Ausstellung «I see a Darkness»

01.11.2023 03:15 - update 01.11.2023 13:47
Jessica Schön

Jessica Schön

Rechtzeitig zu Halloween trafen sich die Dark Artists im Off-Space von Renate Boetschi und Eric Dürrenberger. Über eine Szene, die düstere Kunst zu einer Identifikationsfigur macht.

Die Schaufenster sind noch mit dunklen Tüchern verhangen. Ein kurzer Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich ein paar Minuten zu früh bin. Kurz denke ich darüber nach, beim Brunnen zu warten; ein bisschen ehrfürchtig kann man schon werden, wenn man sich in einer Szene nicht auskennt. Schliesslich, klingle ich doch. Am Schatten, der sich Sekunden später hinter dem Vorhang abzeichnet, erkenne ich, dass ich bereits erwartet werde. Dann geht plötzlich alles ganz schnell.

Sie müsse noch rasch den Schlüssel versorgen, sagt sie. Wenn ich Schritt halten will, muss ich mich ranhalten, denke ich. Sie, das ist Renate Boetschi. Zusammen mit ihrem Partner, Eric Dürrenberger, organisiert sie die Gruppenausstellung «I see a Darkness».

Video: Baseljetzt

In einer Stunde werden sich die Ausstellungsräume an der St. Johannsvorstadt 34 mit kleineren und grösseren Menschentrauben füllen, nicht wenige der Besucher:innen werden verkleidet sein. Noch habe ich aber einen freien Blick auf die Kunstwerke. Genügend Zeit also, um mich zu sammeln — denkste. Boetschi fackelt nämlich nicht lange. Smalltalk, das wird auch im Gespräch mit den Künstler:innen schnell deutlich, scheint irgendwie hinfällig. Man kennt sich, teilweise seit Jahrzehnten. Und als wäre ich die sechste Künstlerin im Boot, spricht man ganz selbstverständlich mit mir über das, um was es hier geht: das Erschaffen von Dingen.

Nicht so verkopft, bitte

Soviel vorweg: der Name der Ausstellung ist Programm. Die meisten Fotografien, Gemälde, Skulpturen und Videoinstallationen sind in irgendeiner Art und Weise «dark». Einigen mutet etwas Verbotenes, vielleicht Verwegenes an. Teilweise sind sie aber auch weicher, in ihrer Vermittlung metaphorischer. Morbidität und Romantik liegen hier nahe beieinander, genauso wie Verstörung und Eleganz.

Über meine Beichte, nicht so viel von Kunst zu verstehen, sind die Künstler:innen weder verwundert, noch scheint es sie zu kratzen. Nicht etwa aus Arroganz, sondern aus einer Skepsis, die sich am Begriff selbst abarbeitet. Was ist schon Kunst? Ab wann ist Kunst Kunst und: ist Kunst Arbeit? Nicht zu verkopft soll es sein, findet Vinyl-Cover-Artist Stelio Diamantopoulos. Kunst soll etwas auslösen.

Vom Dunkelkünstler-Dasein

«Was uns verbindet ist wohl, dass wir uns als Dark Artists sehen, und dass wir uns eher mit dem Düsteren beschäftigen», versucht die Fotokünstlerin Annie Bertram es vorsichtig zusammenzubringen. Im Rahmen der Ausstellung scheint das zuzutreffen: ob nun im Hinblick auf die Körperkunst, die Michael Flume in seinen Fotografien und Videopräsentationen zeigt, oder das Selbstportrait mit dem prägenden Namen Vergissmeinnicht von Gerd Paulicke.

Bertram meint aber noch etwas anderes — etwa wenn sie erzählt, das sie sich in der Szene, in die sie zunächst über die Musik hineingefunden habe, bis heute heimisch fühlt: Es geht auch um den Ausdruck von Identität.

Eine erste Assoziation, die ich mit den Gemälden von Pat Portenier habe, sind Embryonen. Als eine Person (die definitiv wie eine Kunstkennerin aussieht) bei der eigentlichen Vernissage eine Stunde später das Wort «embryoid» fallen lässt, freue ich mich. Nicht, weil ich das Sujet (eventuell) erkannt habe, sondern weil ich glaube, etwas kapiert zu haben: Manchmal ist der Versuch, etwas trotz anfänglicher Überforderung zu verstehen, alles. Kunst kann einen daran erinnern. Portenier ist da allerdings deutlich bescheidener. Als ich ihn nach seinen Gründen für das Kunstschaffen frage antwortet er: «Ich spare mir den Psychiater».

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