Basels Flair für «Geheimwissen» – und das erfolgreiche Geschäft damit
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Esoterik
Basel-Stadt

Basels Flair für «Geheimwissen» – und das erfolgreiche Geschäft damit

17.10.2023 05:40 - update 17.10.2023 13:51
Jessica Schön

Jessica Schön

Esoterische Ansichten mögen kontrovers sein; vor allem, wenn sie Heilung versprechen. In bestimmten Milieus aber finden sie Anklang, wobei eine Basler Familie das Feld besonders erfolgreich bespielt.

Es verspricht eine «Reise zur inneren Selbsterkenntnis» und «Freiheit von konventionellen Normen»: das «find your flow!»-Festival 2023. Mit Stichworten wie «Quantenheilung», «Potenzialentfaltung» und «Manifestieren» ruft der Veranstalter Younity am 11. und 12. November rund 8’500 Esoterik-Begeisterte auf den Plan, oder genauer: in die St. Jakobshalle. Die Ticketpreise für das «grösste spirituelle Festival Europas» liegen gemäss Webseite zwischen 199 und 999 Euro.

Nun liegt es im Ermessen des Einzelnen, wie das eigene Geld am besten investiert ist. Auffallend ist aber, dass Basel innerhalb der spirituellen Szene offenbar eine grosse Anziehungskraft ausübt. Denn gefühlt gab es sie dort schon immer; grossformatige Anlässe, bei denen die grossen und kleinen Namen der Esoterik-Szene ihr spirituelles Wissen zum Besten geben. Vor den Younity-Events waren es die Basler Psi-Tage. Bis 2006 luden diese in die Kongresshalle der Basler Messe ein. Und vor Pablo Sütterlin, Geschäftsführer der Younity GmbH, war es sein Vater Lucius Werthmüller, der sich als Organisator esoterischer Anlässe hervortat.

Basel als Esoterik-Hochburg?

«Tastsächlich ist Basel für esoterisch Interessierte ein gutes Pflaster», so Georg Otto Schmid von der Evangelischen Informationsstelle Kirchen – Sekten – Religionen. Dafür gibt der Religions- und Sektenexperte gleich mehrere Gründe an.

Einerseits befinde sich in der Region Basel das Zentrum der Anthroposophie – Rudolf Steiner sei Dank: «Die Anthroposophie ist gewissermassen die Mutter der Esoterik. Zentrale Vorstellungen wie Reinkarnation, höhere Wesen, Feinstofflichkeit und Evolution der Seele sind von Rudolf Steiner in die Esoterik gelangt», so Schmid.

Das Erbe Rudolf Steiners in Basel

Rudolf Steiner (1861-1925) bezeichnete die von ihm grossgemachte Anthroposophie als «Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltall führen möchte». Mittels «kontrollierten mystischen Erfahrungen» ging es ihm um die Begründung einer «erweiterten Wissenschaft». Der Religionswissenschaftler Stefan Rademacher bezeichnet die «seit 1913 in Dornach» angesiedelte Anthroposophie als «Beispiel für eine Neureligion, die einige ihrer Ideen erfolgreich über die Gemeinschaftsgrenzen hinaus in die breitere Gesellschaft popularisieren konnte». Seit den 70er Jahren kommt es schweizweit zur Verbreitung der Rudolf-Steiner-Schulen, die sich der anthroposophischen Pädagogik verpflichten.

Andererseits war das Wirken des 2021 verstorbenen Lucius Werthmüller für Basel als Schauplatz der Esoterik zentral: Als Präsident des Basler Psi-Vereins (BPV) lieh er dem Verein nicht nur über mehrere Jahrzehnte (1991–2021) sein Gesicht, sondern vermarktete ihn auch öffentlichkeitswirksam. «Heute ist der BPV schweizweit der einzige spirituelle Verein seiner Grössenordnung», erklärt Schmid. Das war aber nicht immer so.

Die Basler Psi-Tage

Die Gründung des BPV geht auf die späten 60er Jahre zurück. Der Verein – damals noch «Parapsychologische Arbeitsgruppe Basel» ­­­– war der schweizweit dritte seiner Art: ein Ort, in welchem Parapsychologen und interessierte Laien sich zusammenfanden, um paranormale Phänomene, etwa im Bereich der Telepathie oder Psychokinese zu untersuchen.

Seit den 80ern erweiterte die Arbeitsgruppe, deren Umbenennung in «Basler Psi-Verein» 1991 erfolgte, ihre Tätigkeiten: 1983 wurden erstmals die Basler Psi-Tage veranstaltet. Begleitet wurde die jährlich stattfindende Veranstaltung jeweils von der Aura-Ausstellung, bei der Hellseher:innen, Geisterbeschwörer:innen und Wunderheiler:innen ihre Produkte und Dienstleistungen präsentierten. Der Auftritt eines brasilianischen Trancechirurgen, der angeblich Operationen ohne Narkose oder Desinfektionsmittel durchführte, habe Werthmüllers Weg in den Verein geebnet, wie es im Nachruf für ihn heisst.

Vom Geisterbeschwörer zum Persönlichkeitscoach

Nach 24 Ausgaben der Psi-Tage war nach der letzten Veranstaltung 2006 Ende Gelände; der finanzielle Druck wurde zu gross, das gesellschaftliche Interesse an parapsychologischen Phänomenen schwand.

Werthmüller erkannte den Shift hin zur Esoterik und Spiritualität, aber auch die Möglichkeit, das Internet für seine Zwecke zu nutzen. Der Clou: «Die Younity GmbH vertreibt die kommerzialisierten Online-Angebot des Basler Psi-Vereins», erklärt Schmid.

So wirbt der Veranstalter für das «find your flow!»-Festival im November
Video: Youtube

Die Geisterbeschwörer sind Persönlichkeitscoaches gewichen, auf Finanzierungsschwierigkeiten dürfte man bei ausverkauften Hallen nicht mehr stossen. Geblieben sind die Verheissungen einer «glücklicheren, gesünderen» Zukunft bei der Aneignung eines bestimmten Wissens – das zumindest verspricht das hochprofessionellen Marketing-Video zum «find your flow!»-Event.

Spirituelle Selbstoptimierung?

Aktuell verzeichnet Younity auf Instagram knapp 89’000 Follower:innen, mit einer Ausstrahlung, die weit über die Landesgrenzen hinausreicht. «Younity sucht Mentoren, die einzigartig in ihrem Wirken sind und die mit ihrer Arbeit dazu beitragen können, Menschen zu einem erfüllteren und glücklicheren Leben zu verhelfen», fasst Sütterlin das Angebot zusammen. Dieses richte sich an alle, die Interesse daran hätten, «nach innen zu schauen» und den Wunsch «nach Inspiration und Tiefe im Leben» verspürten.

Man könnte es auch als Geschäft mit der spirituellen Selbstoptimierung betrachten. Sütterlin betont demgegenüber, dass Younity «sehr viel mehr» sei als «nur ein Geschäft». Schliesslich gehe es darum, Menschen eine seriöse Möglichkeit zu bieten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Dabei sei man sich der Verantwortung, die man trage, bewusst.

Esoterik goes Capitalism

Und doch: Younity ist ein gutes Beispiel dafür, wie sehr dem esoterischen Eklektizismus eine kapitalistische Logik innewohnt. Im Zuge von Individualismus und Konsumwahl geht es auch hier um die Betonung und Förderung von Wahlmöglichkeiten. Denn ob «Soul Channeling», «östliche Weisheiten», «Breathwork» oder ein bisschen von allem: in ihrer Vielzahl bietet die Esoterik Menschen eine massgeschneiderte Erfahrung. Dass auch damit Geld gemacht wird versteht sich von selbst und ist an sich nichts Neues; auch Esoteriker:innen leben nicht von Luft und Liebe allein.

Plattformen wie die von Younity zeigen jedoch, wie sehr der Kapitalismus im spirituellen Gewand Milieus unterwandert, die nach aussen hin eine Abkehr von der materiellen Welt predigen. Während das bei Yoga und Co. weitestgehend unproblematisch sein mag, sollte man sich ins Bewusstsein rufen, dass Veranstaltungen wie das «find your flow!»-Festival mitunter eins sind: eine profitable Selbstvermarktungsplattform für jene, die Heilung versprechen.

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Kommentare

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17.10.2023 16:19

TaylorMaze96

Fussballspiele mit Gewalt und Schlägereien akzeptieren alle, ein paar Spiris die sich für alternative Themen interessieren is aber verwerflich und wird fast schon mit Mord verglichen. Macht Sinn.

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17.10.2023 14:55

ahassenstein

“eine profitable Selbstvermarktungsplattform für jene, die Heilung versprechen” – passt diese Beschreibung nicht in etwa auch auf die diversen Landeskirchen?

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