
Schweizer ÖV wird teurer: 1. Klasse wird geschont & GA steigt erstmals über 4’000 Franken
Lea Meister
Ab Ende Jahr steigen die ÖV-Preise an. Dies nachdem sie seit 2016 stabil waren. Spüren werden dies vor allem Besitzerinnen und Besitzer von GAs. Betroffen sind aber auch Einzelfahrten und das Halbtax.
Sieben Jahre lang waren die Preise stabil, «eine längere Phase ohne Preiserhöhungen hat es im öffentlichen Verkehr noch nicht gegeben», heisst es in der Medienmitteilung vom Dienstag der Alliance SwissPass.
Jetzt habe man aber entschieden, über das gesamte Sortiment des Nationalen Direkten Verkehrs (NDV) per 10. Dezember 2023 eine Tariferhöhung von insgesamt rund 4,3 Prozent umzusetzen. Dabei sollen das Halbtax-Abonnement und Einzelbillette weniger stark belastet werden.
Vielfältige Gründe
Der Normaltarif für Einzeltickets werde um 4,2 Prozent erhöht, genauso die Tages- und Mehrfartenkarten und die Klassenwechsel. Die Klassenspanne werde gleichzeitig um den Faktor 0,05 gesenkt, was dazu führe, dass die Preise in der 1. Klasse weniger stark erhöht werden als in der 2. Klasse.
Das Halbtax-Abo wird künftig fünf Franken teurer und soll neu 190 Franken kosten beim Erstkauf. Die GAs werden um etwa 5,1 Prozent teurer, das GA für Erwachsene kostet neu 4’080 Franken, was einer Erhöhung von 220 Franken entspricht.
Die Gründe für die Erhöhung seien vielfältig: «Seit Ende 2016 steigerten die Transportunternehmen (gemessen in Angebotskilometern) ihr ÖV-Angebot um rund 10 Prozent und tätigten signifikante Investitionen in moderne, hochwertige Fahrzeuge», heisst es in der Mitteilung.
Finanzielle Herausforderungen
Gleichzeitig hätten sich die Konsumentenpreise gemäss dem Bundesamt für Statistik bis Ende 2022 um 4,5 Prozent verteuert. Auch für das laufende Jahr rechne man mit einer weiteren Teuerung von etwa 2,4 Prozent.
Die grossen finanziellen Herausforderungen könnten nur solidarisch gemeistert werden: «durch eigene, erkennbare Sparanstrengungen der ÖV-Branche, aber auch gemeinsam mit den Bestellerorganisationen (über die Abgeltungen) und den ÖV-Nutzenden (via Billettpreise), die damit einen Beitrag zur nachhaltigen Sicherung der hohen und geschätzten Qualität des ÖV Schweiz leisten.»
Im Anschluss an den Versand der Medienmitteilung der Alliance SwissPass meldete sich auch der Tarifverbund Nordwestschweiz zu Wort. Auch in der Nordwestschweiz werde man per 10. Dezember die Preise anpassen und somit auf gestiegene Kosten für Löhne, Unterhalt und Energie reagieren. In der zweiten Aprilhälfte werde man detailliertere Informationen kommunizieren.
Junge Erwachsene kaum betroffen
Von der Erhöhung nicht betroffen sind laut Alliance SwissPass das Halbtax-Abo für Jugendliche, die Spar-, Kinder- und Schultageskarte, die Junior- und Kinder-Mitfahrkarte oder das Hunde- und Gepäcksortiment. Ausserdem wird es per Dezember 2023 ein Guthaben-Abo geben.
«Dieses Angebot richtet sich an Personen, die mehr Flexibilität brauchen oder für die sich das GA aufgrund veränderter Mobilitätsbedürfnisse nicht mehr lohnt», wird dieses neue Abo in der Mitteilung beschrieben. Per Juni wird es ausserdem das GA Night für 99 Franken geben, welches jungen Erwachsenen bis zu ihrem 25. Geburtstag von 19 Uhr bis Betriebsschluss freie Fahrt auf dem Streckennetz ermöglicht.
Kinder und junge Erwachsene werden von der Tariferhöhung also nicht gross betroffen sein. Wer hingegen seit Jahren auf ein GA angewiesen ist, wird die Preiserhöhung zu spüren bekommen.
Konsumentenschutz übt Kritik
Sara Stalder, die Geschäftsleiterin des Konsumentenschutzes äussert sich in einer Mitteilung wie folgt zur Tarifanpassung: «Der öffentliche Verkehr muss finanziert werden, dazu tragen natürlich auch die Nutzerinnen und Nutzer bei. Der Zeitpunkt dieser Erhöhung ist aber äusserst ungünstig, denn viele Leute leiden unter dem allgemeinen Preisdruck.»
Es sei sehr verwunderlich, wer bei der Tarifanpassung wie stark zur Kasse gebeten werde. Besonders stark stört sich Stalder an der Tatsache, dass die Preiserhöhungen von den treusten Kund:innen, also den Pendler:innen getragen werden müssen und die Preise in der 1. Klasse nicht mindestens gleich erhöht werden.
«Den Menschen sollte die regelmässige Nutzung des öV beliebt gemacht werden, wegen der Klimaproblematik und auch nach der pandemiebedingten Zurückhaltung.» Diese Preiserhöhung, welche unter anderem das 2.-Klasse-GA auf über 4’000’ Franken erhöhe, sei ein falsches Zeichen und damit kontraproduktiv.
Auch IGöV kritisiert Bestrafung von GA-Besitzer:innen
Ebenfalls nicht einverstanden mit der «überproportionalen Verteuerung des GAs» ist die Interessensgemeinschaft öffentlicher Verkehr (IGöV). Die treusten Kundinnen und Kunden würden mit einer Preiserhöhung abgestraft, heisst es in einer Medienmitteilung als Antwort auf die Tariferhöhungspläne. «Seit dem Jahr 1990 hat sich der Preis des GA um sage und schreibe 90 Prozent verteuert – dies bei einer halb so hohen Teuerung im gleichen Zeitraum von 41 Prozent.»
Es müsse stets das Ziel sein, dass die treuesten Kund:innen auch in Zukunft mit dem Tram, Bus und der Bahn unterwegs seien.
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PRodriguez
Natürlich werden die Preise bei den treuesten Kunden erhöht. Sie sind ja treu. Die untreuen lassen sich nicht so schröpfen, die steigen um.