
«Alptraum wird wahr»: Was Trumps Zölle für die Welt bedeuten
Baseljetzt
Wochenlang hat US-Präsident Donald Trump mit einem XXL-Zollpaket gedroht – nun hat er es präsentiert. Sie sind nicht nur komplex, sondern auch beispiellos in ihrem Umfang. Was sind die Folgen für die Weltwirtschaft, die Schweiz und für Konsumenten?
Was hat Trump angekündigt?
Ab Samstag erheben die USA generell zehn Prozent Zoll auf alle Einfuhren. Vier Tage später folgen höhere Zölle für Länder mit hohem Handelsdefizit. Darunter fällt auch die Schweiz. Die USA importierten im Warenhandel mit der Schweiz mehr Güter, als sie exportieren – das Defizit beträgt 38,5 Milliarden Franken. Die US-Regierung spricht nun von «wechselseitigen Zöllen» und rechnet neben Zöllen auch Handelshemmnisse wie Subventionen und Währungsmanipulation ein. Für jedes Land wurde ein spezifischer Zollsatz berechnet, der das Handelsdefizit ausgleichen soll. Dieser basiert auf einer Formel, die Importe, Exporte und Preisreaktionen berücksichtigt. Der festgelegte Zoll beträgt etwa die Hälfte des ermittelten Wertes – laut Trump, weil die USA «gute Menschen» seien.
Was heisst das für die Schweiz?
Trump kündigte für die Schweiz Zölle von 31 oder 32 Prozent – je nach Unterlagen – auf Schweizer Exporte an. Diese seien eine Reaktion auf die Zölle von 61 Prozent, welche die Schweiz auf US-Produkte erhebe, sagte Trump. Wie er auf die Zahl kam, dazu gibt es eine Mutmassung und folgende «Milchbüechlirechnung»: Die Schweiz exportiert Waren im Wert von 63,4 Milliarden Franken in die USA. Das Handelsdefizit beträgt für die USA 38,5 Milliarden, was rund 61 Prozent entspricht.
Welche Branchen sind in der Schweiz betroffen?
Von den zusätzlichen Zöllen sind nach Angaben des Bundesrats wichtige Exportprodukte wie Maschinen, Uhren und landwirtschaftliche Güter betroffen. Grundsätzlich trifft es Schweizer Firmen, die nicht in den USA selber produzieren, aber dorthin exportieren. Die Zölle könnten die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie stark treffen. Der KMU-Branchenverband Swissmechanic rechnet kurzfristig für Mitgliederfirmen, die in die USA exportieren, mit einer Abnahme der Nachfrage und einem direkten Einfluss auf das Bestellvolumen. Ebenfalls hart treffen dürften die Zölle die Uhren- und Schmuckkonzerne wie Swatch und Richemont. Die USA sind mittlerweile der wichtigste Absatzmarkt für die Schweizer Uhrenindustrie. Auch für die Medtech-Branche steht viel auf dem Spiel: Fast ein Viertel der Ausfuhren geht in die USA. Auch Produzenten chemischer Erzeugnisse sind betroffen, sie erhalten keine Ausnahmeregelungen.
Welche Branchen sind ausgenommen?
Die Pharmaindustrie, die einen grossen Exportanteil der Schweiz ausmacht, wurde von den Zöllen ausgenommen. Dadurch will die US-Regierung die Versorgung mit Medikamenten sichern und die Gefahr von Unterbrechungen von Versorgungsketten nicht vergrössern. Auch Gold fällt nicht unter die von Trump erlassene Verordnung. Ausnahmen gibt es auch für Holzartikel, Halbleiter und Kupferprodukte. Künftig aber mit Zöllen belegt werden könnten laut Trumps Verordnung Edelmetalle, Energie und Mineralien, die in den USA nicht verfügbar sind.
Wie reagieren die Märkte?
Die Zollerhöhungen lösten bei den Anlegern zunächst eine Flucht in sichere Häfen aus. Im Gegenzug gaben die Aktienkurse auf breiter Front nach – auch am Schweizer Aktienmarkt. «Donald Trump bricht einen globalen Handelskrieg vom Zaun», kommentierte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank. «Die geplanten Massnahmen übertreffen die schlimmsten Befürchtungen.» Ein weiterer Marktstratege sprach vom Ende der Freihandelsära. Der Leitindex SMI verlor am Nachmittag 2,3 Prozent. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, fiel um 2,9 Prozent. Noch deutlicher ging es an den asiatischen Börsen abwärts, während die europäische Märkte ähnlich stark wie hierzulande verloren.
Wie reagiert die Schweiz?
Der Bundesrat verzichtet auf unmittelbare Gegenmassnahmen. Eine Zunahme der handelspolitischen Spannungen liege nicht im Interesse der Schweiz, erklärte Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter vor den Medien. Gegenmassnahmen wären mit Kosten für die Schweizer Volkswirtschaft verbunden. Gleichzeitig drückte die Bundesrätin ihr Unverständnis aus: «Die Berechnungen der US-Regierung sind für den Bundesrat nicht nachvollziehbar.» Und: «Wir bedauern, dass sich die USA weiter vom Freihandel und einer regelbasierten Ordnung im Welthandel entfernen.» Für den Wirtschaftsdachverband Economiesuisse gibt es aus ökonomischer Sicht keine nachvollziehbaren Gründe für die Zölle. «Die Importzölle der Schweiz liegen insgesamt schon heute deutlich unter jenen der USA», hiess es in der Stellungnahme des Verbands. Die neuen US-Zölle würden laut Economiesuisse nicht nur die Schweizer Exporte verteuern, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen schwächen und das Investitionsklima belasten. Der Gewerbeverband (SGV) forderte Handelsdiplomatie statt Wehklagen.
Was bedeuten die Zölle für die EU?
Die Exporte der EU in die USA werden ab nächster Woche mit 20 Prozent Zoll belegt. Trump kritisiert nicht nur die höheren Zölle, sondern auch die europäische Mehrwertsteuer als Handelsbarriere – ein fragwürdiges Argument, da sie für alle Produkte gilt. Die USA beziffern die durchschnittlichen EU-Zölle auf 39 Prozent, wobei unklar ist, wie dieser Wert berechnet wurde. Die EU-Kommission betont, dass der reale Durchschnittszoll auf beiden Seiten bei etwa einem Prozent liege. Fachleute sehen die Zollunterschiede meist als gering an, mit Ausnahme des Agrarsektors, wo die EU höhere Zölle auf Milchprodukte, Fleisch, Zucker und Geflügel erhebt. Auch Textilien aus den USA sind stärker betroffen, während umgekehrt Zölle auf Kunststoffe, Chemikalien und Antiquitäten in den USA höher sind.
Wie reagiert die EU?
Die EU bereitet Gegenmassnahmen vor, bleibt aber gesprächsbereit. «Wir finalisieren bereits das erste Massnahmenpaket als Reaktion auf die Stahlzölle und bereiten nun weitere Massnahmen vor, um unsere Interessen und Unternehmen zu schützen, falls die Verhandlungen scheitern», sagt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Zugleich betont die deutsche Spitzenpolitikerin, es sei noch nicht zu spät für Verhandlungen und appelliert an die US-Seite, sich auf Gespräche einzulassen. Ziel müsse es sein, Handelshemmnisse abzubauen und nicht, sie zu erhöhen.
Für welche Länder gelten besonders hohe Einfuhrgebühren?
Einige Länder treffen die neuen Zölle besonders hart. Teilweise werden sehr kleine Handelspartner stark abgestraft, etwa Krisenländer wie Syrien und Myanmar. Die härtesten Strafzölle von je 50 Prozent treffen den afrikanischen Kleinstaat Lesotho und ein französisches Überseegebiet, die Inselgruppe Saint-Pierre und Miquelon. Es folgen Kambodscha mit 49 Prozent und Laos mit 48 Prozent vor Madagaskar mit 47 Prozent. Vietnam muss 46 Prozent verkraften, für Myanmar und Sri Lanka sind es 44 Prozent und Syrien 41 Prozent.
Für China, die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt nach den USA, belaufen sich die neuen Zölle auf 34 Prozent – zusätzlich zu bereits geltenden happigen Strafabgaben auf Produkte aus der Volksrepublik. Russland dagegen fehlt auf Trumps langer Liste – im Gegensatz zur Ukraine, für die Strafzölle von 10 Prozent fällig werden sollen. Zur Erklärung führte Trumps Sprecherin Karoline Leavitt der US-Nachrichtenseite «Axios» gegenüber an, dass Russland nicht berücksichtigt wurde, weil US-Sanktionen bereits «jeden bedeutenden Handel ausschliessen». Dabei liegt Russland in der Handelsbilanz der USA bei Warenimporten aber immer noch vor der Ukraine.
Wie geht es jetzt weiter?
Präsident Trump hat einen nationalen Notstand ausgerufen. Als Grund nennt die US-Regierung wirtschaftliche und sicherheitspolitische Risiken angesichts der Handelsdefizite mit anderen Ländern. «Das ist keine Verhandlung, das ist ein nationaler Notstand», entgegnete ein Trump-Berater auf die Frage, ob die betroffenen Länder die Zölle noch verhindern oder mindern könnten. Er machte klar, dass andere Länder nicht einfach niedrigere Zölle auf US-Importe ankündigen könnten, um Zollerleichterungen seitens der USA zu erreichen. Als Grund nannte er die anderen Handelshemmnisse, welche die USA benachteiligen würden. Das Weisse Haus teilte mit: «Die Zölle bleiben in Kraft, bis Präsident Trump feststellt, dass die durch das Handelsdefizit und die zugrunde liegende ungleiche Behandlung verursachte Bedrohung beseitigt, gelöst oder gemindert wurde.»
Was passiert mit existierenden Sonderzöllen?
Die USA haben bereits vor Trumps gewaltiger Zollankündigung diverse Strafabgaben auf bestimmte Produkte verhängt, die weiter greifen. So sollen ab heute Zölle in Höhe von 25 Prozent auf alle in die USA importierten Autos gelten, für Autoteile soll diese Strafmassnahme spätestens am 3. Mai greifen. Auch auf alle Stahl- und Aluminiumeinfuhren erheben die USA Zölle in Höhe von 25 Prozent. Für bestimmte Importe aus Kanada und Mexiko werden ebenfalls Strafabgaben fällig – es gibt aber bestimmte Ausnahmen.
Was sagen Experten?
Analysten kamen unisono zum Schluss, dass es in einem Handelskrieg keine Gewinner gibt. So dürften die neuen Zölle ihrer Meinung nach über ein zurückgehendes Aussenhandelsvolumen und über Zweitrundeneffekte wie mehr Inflation auch in den USA die Wachstumsdynamik dämpfen. Noch deutlicher dürften die Bremseffekte ausserhalb der USA ausfallen. Vor allem das sowieso schon angeschlagene Europa sehe sich mit scharfem konjunkturellem Gegenwind konfrontiert, hiess es. Dies wiederum verschärfe die Situation für die Schweiz zusätzlich. Denn damit komme es auch zu Bremseffekten durch den wichtigsten Handelspartner. Als kleine und offene Volkswirtschaft werde dies die Schweiz zu spüren kriegen, hiess es.
Wie sollen Anleger jetzt tun?
Anleger sollten laut Einschätzung von Experten zunächst abwarten, wie andere Länder auf die US-Zölle reagieren, bevor sie handeln. Ein späterer Wiedereinstieg in hochwertige Aktien könnte sich lohnen. Laut UBS sind börsenkotierte Schweizer Unternehmen global aufgestellt und weniger von Importen und Exporten abhängig. Experten raten zudem zur Vorsicht bei US-Aktien und sehen bessere Chancen in Europa und China. (sda/lab)
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Marius
Ricola in der Basellandschaftlichen Zeitung: “Die Firma hat für die USA extra eine Produktionslinie eingerichtet.”
Ich kaufe jetzt keine Ricola mehr…..