Gericht verurteilt Installateure von automatischem Fenster wegen fahrlässiger Tötung
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Strafgericht
Basel-Stadt

Gericht verurteilt Installateure von automatischem Fenster wegen fahrlässiger Tötung

18.01.2023 07:57 - update 19.01.2023 16:02
David Frische

David Frische

Im August 2019 wurde eine junge Frau von einem automatischen Dachfenster eingeklemmt und starb. Der Elektromonteur und sein Vorgesetzter sind vom Basler Strafgericht wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden.

Das Urteil

Das Basler Strafgericht kommt am Donnerstag zum Schluss, dass die beiden Angeklagten, ein Elektromonteur und dessen vorgesetzter Projektleiter, schuldig sind. Da sie nicht sorgfältig gearbeitet hätten, seien sie dafür verantwortlich, dass sich das Dachfenster bei Regen automatisch schloss, obwohl die Bewohnerin der Liegenschaft dazwischen stand. Ihr Hals wurde im Fenster eingeklemmt und sie starb.

Der Elektromonteur und der Projektleiter hätten das Fenster nicht für betriebsbereit erklären dürfen, da es keinen Sicherheitsmechanismus hatte, der ein Einklemmen verhindert hätte, argumentiert die Richterin. Somit sei von den Beiden eine Gefahr geschaffen worden.

Das Strafgericht verurteilt den Elektromonteur zu 160 Tagessätzen à 110 Franken und seinen Vorgesetzten zu 150 Tagessätzen à 140 Franken Geldstrafe. Beide Strafen werden bedingt mit einer Probezeit von zwei Jahren ausgesprochen. Zudem müssen sie der Mutter der verstorbenen Frau eine Genugtuung von 10’000 Franken sowie eine Parteientschädigung von rund 7’400 Franken bezahlen.

Die Verurteilten können gegen das Urteil innert zehn Tagen in Berufung gehen.

Das sagte die Anklage

  • Nachdem im Jahr 2013 ein elektronisches Dachfenster in einer Basler Liegenschaft eingebaut worden war, entschied sich die Bauherrschaft vier Jahre später dafür, das Fenster technisch nachzurüsten. Die zuständige Architektin engagierte für die Arbeiten ein lokales Elektrounternehmen.
  • Teil der Aufrüstung war der Einbau einer sogenannten Regenautomatik, damit sich das Fenster bei eintretendem Regen von selbst schliesst. Der angeklagte Elektromonteur baute diese ein, allerdings ohne eine automatische Sicherheitsabschaltung oder einen Sicherheitsschalter zu montieren. Eine solche automatische Abschaltung würde das Schliessen eines Fensters bei Widerstand verhindern.
  • Im Beisein seines Projektleiters, des zweiten Angeklagten, führte der beschuldigte Elektromonteur im November 2017 laut Anklageschrift eine unvollständige Prüfung durch, indem er nur das automatische Schliessen des Fensters prüfte, nicht aber den Sicherheitsmechanismus.
  • Das sorgfaltspflichtwidrige Verhalten des Elektromonteurs soll für den tragischen Tod der Bewohnerin der Liegenschaft verantwortlich sein, sagt die Anklage der Basler Staatsanwaltschaft. Anfang August 2019 hielt sich die 28-jährige Frau demnach im Bereich des Fensters auf, als dieses wegen Niederschlags schloss und sie einklemmte. Die junge Frau verstarb in der Folge durch das Einklemmen des Halses. Dies hätte laut Anklageschrift durch sorgfältigeres Arbeiten verhindert werden können.
  • Den beiden beschuldigten Männern im Alter von 35 und 36 Jahren wird fahrlässige Tötung vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Geldstrafe in Höhe von 120, bzw. 90 Tagessätzen à 110, bzw. à 140 Franken. Für die beiden Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.

So lief die Verhandlung

Die beiden Angeklagten, ein 35-jähriger Elektromonteur und sein Vorgesetzter (36), erschienen am Mittwochmorgen am Basler Strafgericht zum Prozess. Beide wirkten niedergeschlagen. Sie äusserten sich aber auf Fragen von der Richterin nicht zum tragischen Todesfall im August 2019 und liessen ihre beiden Anwälte sprechen.

Am Prozess anwesend war auch die Mutter der verstorbenen jungen Frau. Sie tritt als Privatklägerin auf und fordert von den beiden Angeklagten eine Genugtuung von 10’000 Franken. Am Anfang weinte sie. Sie könne nicht mit dem Fall abschliessen, sagte sie vor Gericht. «Wir wollen wissen, was wirklich passiert ist. Das ist wichtig.» Die Mutter leidet sehr unter dem Tod ihrer 28-jährigen Tochter. Sie ist zurzeit arbeitsunfähig.

Die Staatsanwaltschaft fordert in ihrer Anklage, dass der Elektromonteur wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wird und sein vorgesetzter Projektleiter wegen fahrlässiger Tötung eventualiter durch Unterlassung. Sie will für die Beschuldigten bedingte Geldstrafen von 13’200 Franken beziehungsweise 12’600 Franken. Die Staatsanwaltschaft war am Prozess nicht anwesend. Sie war für einen Einzelgerichtsfall dispensiert.

Ein Einklemmschutz war nie vorhanden

Es erschien aber ein Gutachter, ein Inspektor des Eidgenössischen Starkstrominspektorats. Dieser sagte aus, dass die Angeklagten die obligatorische Erstprüfung nach der Installation beim Dachfenster nicht vollständig gemacht hätten. Mit der Prüfung soll sichergestellt werden, dass das Fenster funktioniert und keine mechanischen Gefahren vorliegen.

Das Dachfenster habe vor der Nachrüstung mit dem Regensensor keinen Einklemmschutz gehabt, so der Gutachter. Ein solcher sei auch nicht nötig gewesen, da das Fenster nur per Knopfdruck auf einen Schalter habe geschlossen werden können. Nach der Montage des Regensensors habe das Fenster aber ebenfalls keinen Schutz gegen das Einklemmen gehabt.

Wer ist für welche Arbeiten verantwortlich?

Eine zentrale Frage für das Gericht ist, wer wofür verantwortlich ist. Hätten die Elektriker bemerken müssen, dass am Fenster ein Sicherheitsmechanismus fehlt und diesen einbauen müssen? Das sagt die Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung der beiden Angeklagten aber sagt, der Monteur und der Projektleiter hätten ihre Arbeiten korrekt ausgeführt. Beide Anwälte fordern Freisprüche.

Der Verteidiger des Elektromonteurs sagte vor Gericht, dass es die Aufgabe seines Mandanten gewesen sei, einen automatischen Regensensor einzubauen. Einen Einklemmschutz zu montieren, hingegen nicht. Er dürfe dies gar nicht, da für einen solchen Schutz separate Maschinenrichtlinien gälten. Die Verantwortung dafür liege bei der Architektin, die den Auftrag erteilt habe. Sie habe bereits 2013 beim Einbau des Fensters keinen Einklemmschutz montieren lassen. Ein weiteres Sicherheitsrisiko beim Fenster sei zudem der starke Motor gewesen, «der ein Garagentor hätte öffnen können».

Verteidigung: «Sorgfaltspflicht nicht verletzt»

Auch der Verteidiger des Projektleiters spielte auf die Architektin: Der Projektleiter habe sie extra noch per E-Mail darauf hingewiesen, dass das Fenster keinen Einklemmschutz habe – obwohl es nicht seine Aufgabe sei, dies festzustellen. Trotzdem habe die Architektin auf den Schutz verzichtet. Mehr habe der Projektleiter nicht tun können, da dies ausserhalb seines Kompetenzbereichs liege. Der Fensterhersteller schreibe zudem mindestens einen speziellen Schalter als Schutzmechanismus vor. Die Architektin hätte laut dem Verteidiger also in der Pflicht gestanden, einen Sicherheitsmechanismus installieren zu lassen. Sie sei im Verfahren nie befragt worden, wirft der Verteidiger dem Gericht vor. «Mein Mandant hat die Sorgfaltspflicht nicht verletzt». Ein Zusammenhang zwischen der Arbeit der beiden Beschuldigten und dem Tod der Frau sei nicht gegeben.

Aus Sicht der Verteidigung ist der Tod der 28-jährigen Frau vielmehr das Zusammenspiel verschiedener unglücklicher Umstände, an dessen Ende die beiden Handwerker stehen, ohne dafür verantwortlich zu sein.

Wieso blieb die Frau am Fenster?

Die beiden Anwälte fragten zudem, wie es zum Unglück kommen konnte. Die Bewohnerin habe das Fenster gekannt und das laute Geräusch des Schliessens und der Regen seien für sie gut hörbar gewesen. Es dauere ausserdem rund drei Minuten, bis das Dachfenster geschlossen sei. «Wieso ist sie nicht vom Fenster weggegangen?», so die Verteidigerin des Elektromonteurs.

Für die Verteidigung ist es möglich, dass ein gesundheitliches Problem dafür verantwortlich war, dass die Frau beim Fenster blieb. Sie verweist auf eine Hirnblutung und Herzprobleme, die das Opfer bereits vor seinem Tod gehabt hatte. Die Todesumstände seien nicht eindeutig und eine Autopsie des Leichnams sei nie gemacht worden.

«Es tut mir von ganzem Herzen leid»

Die beiden Beschuldigten drückten zum Ende der Verhandlung ihr Bedauern über den Tod der Frau aus. «Es tut mir von ganzem Herzen leid, was passiert ist», sagte der Elektromonteur.

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Kommentare

Dein Kommentar

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19.01.2023 12:10

jetzt_aber

Schon hart für die beiden – aber man muss sich auch als Handwerker bewusst sein was für eine Verantwortung man hat.

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18.01.2023 19:02

Patrick

Das Versäumnis liegt m.E. bei der Archiotektin. Als Ansprechsperson des Anwenders hat sie die Verantwortung für die fachgerechte Umsetzung des Auftrags.

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