
Begegnung mit einer Klimaaktivistin: «Ich würde das eigentlich lieber nicht machen müssen»
Philippe Chappuis
Cécile Bessire und ihre Aktivistengruppe Renovate Switzerland legen den Verkehr in Städten oder am Gotthard lahm. Die Aktionen sind umstritten. Trotzdem sagt Bessire: «Es ist das einzige, was jetzt Sinn macht».
Die 28-jährige Bielerin Cécile Bessire hat ihren Job als Logopädin an den Nagel gehängt und lebt von ihrem Ersparten. All das, um die Klimapolitik in der Schweiz endlich voranzubringen. Im Interview erklärt die Mitgründerin und Mediensprecherin von Renovate Switzerland, warum sie die kontroversen Aktionen für notwendig hält.
Bei der letzten grossen Aktion von Renovate Switzerland haben Sie am Karfreitag das Nordportal der Gotthardautobahn blockiert. Was ist das für ein Gefühl?
Bei dieser Aktion war ich vor allem im Hintergrund aktiv. Aber ich habe das auch schon gemacht und weiss: Es ist immer sehr stressig, es macht Angst. Eigentlich würde ich und alle anderen das lieber nicht machen müssen.
Warum tun Sie es trotzdem?
Weil wir einen Klima-Notstand haben. Und die Massnahmen, die die Regierung ergreift reichen nicht aus. Die Klimaerwärmung wird nicht unter 1,5 Grad Celsius bleiben. Seit Jahren demonstrieren wir und unterschreiben Petitionen. Aber passiert ist wenig. Deshalb bleibt mir als Bürgerin einfach nichts anderes übrig.
Wie bereiten Sie sich auf eine solche Aktion vor?
Jeder macht das auf seine Weise. Sicher ist: es braucht viel Vorbereitung. Und wer bei uns mitmacht, muss ein eintägiges Training zum Thema gewaltfreie Aktionen absolvieren. Es ist wichtig, dass man in so einer Situation ruhig bleiben kann. Denn unsere Aktionen können Gewalt und Wut auslösen. Das ist verständlich. Sie richten sich aber nicht gegen die Autofahrer:innen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass man als betroffener Autofahrer nicht das Gefühl hat: Das ist gegen mich gerichtet.
Ich kann verstehen, dass man sich in so einer Situation ärgert. Aber man muss der Realität ins Auge sehen. Die Klimakatastrophe bedroht Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt. Es ist verständlich, dass man sich ohnmächtig fühlt. Deshalb ist es wichtig, mit unseren Gegnern ins Gespräch zu kommen und zu diskutieren, was wir jetzt tun wollen.
Ein Anwalt würde argumentieren, dass solche Aktionen den Tatbestand der Nötigung erfüllen könnten. Was würden Sie darauf antworten?
Dessen bin ich mir bewusst.
Wären sie bereit, ins Gefängnis zu gehen?
Das Risiko muss ich eingehen. Und gleichzeitig müssen wir uns bewusst werden, dass die Risiken des Klimawandels viel grösser sind. Deshalb muss der Bund den Klimanotstand ausrufen und als erstes die sofortige energetische Sanierung aller Gebäude bis 2030 beschliessen.
Diese inhaltliche Botschaft wird doch gar nicht mehr wahrgenommen, wenn sich alle nur noch über die Aktionen aufregen?
Gewaltfreie Aktionen wollen aufrütteln und Botschaften vermitteln. Das ist das Wichtige an solchen Aktionen. Die Bürger:innen müssen sich die Frage stellen, was sie persönlich gegen die Klimakrise tun, um ihre Familie zu schützen, um unser Land zu schützen.
Was denken Sie, wie viele von diesen verärgerten Autofahrer:innen am Gotthard haben sich am Abend die Frage gestellt «Was kann ich tun»?
Ich glaube, alle. Auch wenn sie verärgert waren, haben wir sie wahrscheinlich zum Nachdenken gebracht. Man muss sich die Realität vor Augen halten. Die Erde wird immer wärmer. In der Schweiz geschieht das noch schneller, wir gehen von einer Erwärmung von 6 bis 7 Grad bis ins Jahr 2100 aus. Dann muss man sich vorstellen, dass das eine Gefahr für die Ernährung, die Wasserversorgung oder die Gesundheit ist. Die Frage ist also, ob man das für sich und seine Kinder wirklich akzeptieren will oder was man dagegen tun kann. Deshalb appelliere ich an meine Mitbürgerinnen und Mitbürger, sich dem Klimawiderstand anzuschliessen. Man kann sich auf die Strasse setzen, mitorganisieren oder spenden. Das ist notwendig.
Aber damit das passiert, muss man die Menschen wirklich mitnehmen. Sonst wird die Kluft zwischen denen, die sagen «Wir müssen endlich handeln» und denen, die sagen «Hört endlich auf mit der Panikmache» immer grösser. Was ist Ihr Beitrag, um diese Kluft zu überbrücken?
Mein Beitrag: Ich setze mich auf die Strasse. Denn alles andere habe ich schon versucht. Und es bringt einfach zu wenig. Der CO2-Ausstoss steigt weiter, obwohl man seit 40 Jahren weiss, dass das schädlich ist und in die Katastrophe führt. Es ist für mich unverständlich, wie man mit diesem Wissen einfach zuschauen kann, wie alles um uns herum zerstört wird.
Wo hört für Sie der zivile Ungehorsam auf?
Beim Thema Gewalt. Es ist wichtig, dass wir eine gewaltfreie Gesellschaft aufbauen. Dann lösen wir auch die Klimakrise. Und eigentlich alles andere auch.
Ein noch ausführlicheres Interview mit Cécile Bessire findest du in der Mediathek von Telebasel.
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HE9AHM
blöder als erlaubt
Ferretti
Diese Dame soll es mit Arbeit versuchen und sich mal mit Naturwissenschaften befassen
Wenn sie also Logopädin im zarten Alter von 28Jahren vom Ersparten leben kann habe ich etwas falsch gemacht denn MUSS trotz meinen 62 Jahren immer noch arbeiten um über die Runden zukommen
R Braun