
Behindertensession im Nationalrat: «Wir sind die Profis für unsere Anliegen»
Julia Schwamborn
Tobias Fankhauser sitzt seit einem Unfall im Teenie-Alter im Rollstuhl. Der Baselbieter möchte Menschen mit Behinderung eine Stimme geben und engagiert sich deshalb in der Politik.
Die Anreise ins Bundeshaus ist für den ehemaligen Handbike-Profi alles andere als ein spontaner Akt. Sie erfordert ein höheres Mass an Planung als bei Menschen ohne Behinderung. «Sei es eine Reise nach Bern, oder an meinen Arbeitsort in Zürich: Ich muss es jedes Mal bei den SBB anmelden, dass mir jemand beim Einsteigen hilft. Das heisst, ich muss die Verbindung immer genau heraussuchen und schauen, ob es auf die Anschlussverbindung reicht», so Fankhauser. Hinzu komme, dass nicht alle Bahnhöfe in der Schweiz rollstuhlgängig sind. «Es ist schon noch ein Weg bis dahin. Vielleicht schafft es die Session, diesen Druck aufrecht zu erhalten».
Ein Fünftel der Schweizer:innen lebt mit einer Beeinträchtigung
Doch der Weg nach Bern ist für Menschen mit Behinderung nicht nur physisch holprig. Er ist es auch metaphorisch. Im Nationalrat sitzt nur einer, der Menschen mit Behinderung direkt vertritt: Mitte-Nationalrat Christian Lohr.
Dabei haben mehr als 20 Prozent der Schweizer:innen eine Beeinträchtigung. Im Nationalrat sind sie also massiv untervertreten. Ein wichtiger Punkt, der an der Session zur Sprache kam, erklärt Tobias Fankhauser. «Wir sind direkte Vertreter unserer Anliegen und wollen nicht über andere Politiker auf Umwegen vertreten werden. Wir müssen das Wort ergreifen und Themen setzen, denn wir sind die Profis für unsere Anliegen»
«Es braucht nur einen kleinen Anstoss und schon ist ein Bundeshaus rollstuhlgängig»
Die Parlamentarier:innen debattierten am Freitag im Nationalratssaal eine Resolution zum Thema politische Teilhabe und politische Rechte von Menschen mit Behinderungen in der Schweiz. In die Wege geleitet haben die Session Nationalratspräsident Claudio Candinas und Pro Infirmis. «Sie haben hier im Nationalratsaal wirklich Rampen gebaut, ich bin also barrierefrei reingekommen» freut sich Tobias Fankhauser. «Es braucht so wenig, um eine grosse Wirkung zu erzielen. Das ist das beste Beispiel, dass es nur einen kleinen Anstoss braucht und schon ist ein Bundeshaus rollstuhlgängig», so Fankhauser.
Provokanter Titel
Der Titel der Session (Behindertensession 2023) liess wohl manche:n aufhorchen. Man habe diesen bewusst so gewählt, denn man wolle sich nicht verstecken, erklärt Pro Infirmis. Er verfolge im Wesentlichen drei Ziele. «Erstens zeigt er unmissverständlich auf, worum es bei diesem Anlass geht: Menschen mit Behinderungen werden durch die Gesellschaft und ihre Normen an der politischen Teilhabe gehindert. Dies kann und muss sich ändern. Zweitens soll das Thema «Behinderungen» nicht versteckt, sondern diskutiert und enttabuisiert werden. Und drittens soll der Name einen Anstoss geben, den Sprachgebrauch in diesem Thema zu reflektieren.»
Kandidatur als Landrat
Tobias Fankhauser war schon vorher politisch aktiv. Bei der letzten Baselbieter Wahl kandidierte er für einen Sitz der Grünen im Landrat. Leider reichte es knapp nicht für den Sitz. Dennoch will Fankhauser seine Anliegen weiterhin mit der Öffentlichkeit teilen.
Momentan arbeitet er an der Planung der Rad- und Para-Cycling-WM mit, die im Sommer 2024 in Zürich stattfinden wird. Zum ersten Mal werden Para-Athletinnen und -athleten, Elitefahrerinnen und -fahrer sowie Juniorinnen und Junioren an den gleichen Weltmeisterschaften um den Sieg kämpfen.
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