Behörden fahnden mit Begriff aus der Kolonialzeit nach Tätern
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«Schwarzafrika»
Basel-Stadt

Behörden fahnden mit Begriff aus der Kolonialzeit nach Tätern

02.03.2023 05:36 - update 03.03.2023 05:54
Leonie Fricker

Leonie Fricker

Bei schweren Delikten muss oft die Öffentlichkeit mithelfen, unbekannte Täter zu finden. Dazu wird das Äussere der gesuchten Person beschrieben. Doch bei der Wortwahl hinken die Behörden massiv hinterher.

Nebst Kleidung, Sprache und Grösse eines unbekannten Täters oder einer Täterin, wird in Zeugen- und Fahndungsaufrufen auch auf Hautfarbe und mögliche Herkunft Bezug genommen. Noch immer trifft man dabei auf der Website der Staatsanwaltschaft auf die Bezeichnung «schwarzafrikanischer Typ», um eine Täterschaft näher zu beschreiben.

Wort aus der Kolonialzeit

Heikel dabei ist, dass der Begriff «Schwarzafrika» aus der Kolonialzeit kommt. «Der Begriff Schwarzafrika ist eine veraltete und koloniale Bezeichnung der Region südlich der Sahara des afrikanischen Kontinents», erklärt Kulturwissenschaftlerin Claudia Wilopo auf Anfrage von Baseljetzt. Der Begriff basiere auf kolonialen Vorstellungen und der Unterscheidung zwischen dem «weisseren» und «hochentwickelteren» Nordafrika und der «schwarzen, angeblich unterentwickelten» Region der Subsahara, erklärt Wilopo.

Zum gleichen Schluss kommt die Eidgenössische Kommission für Rassismus (EKR) des Bundes. Diese rät auf Anfrage von Baseljetzt davon ab, die Bezeichnung «schwarzafrikanisch» oder «Schwarzafrikaner» zu verwenden, denn: «Der Begriff ist stark generalisierend und auch heute noch abwertend konnotiert.» Eindeutig also, dass die von den Behörden eingesetzte Bezeichnung höchst problematisch ist.

Hintergrund des Begriffs ist bekannt

Warum aber ist dieses Wort bei der Staatsanwaltschaft noch immer in Gebrauch? Wie Medienchef Martin Schütz gegenüber Baseljetzt sagt, sei man sich bewusst, dass ein Zeugenaufruf «immer die Gefahr birgt, diskriminierend missverstanden zu werden und zu wirken». Damit verfolge man aber einen «strafprozessualen Zweck», nämlich, eine Täterschaft zu identifizieren oder auch Unschuldige zu entlasten.

Um dies zu erreichen, arbeitet sie mit sogenannten Signalements – eben kurzen Personenbeschreibungen, welche die charakteristischen äusseren Merkmale zusammenfassen. Diese werden meist zusammen mit den Opfern und mithilfe eines Schemas eruiert.

Nach der Veröffentlichung des Zeugenaufrufs dienen sie dazu, dass Drittpersonen die unbekannte Täterschaft erkennen. Damit das gelingt, so Schütz, komme man «um eine geographisch angelehnte (Phäno-)Typologisierung wie nordeuropäisch, südeuropäisch, südosteuropäisch, asiatisch, ostasiatisch, nordafrikanisch oder eben schwarzafrikanisch nicht herum». Dass Letzteres eine problematische Entstehungsgeschichte hat, wisse man.

Laut Staatsanwaltschaft «eine Güterabwägung»

Es ginge letztlich um die Güterabwägung zwischen der Chance, die unbekannte Täterschaft zu finden und dem Risiko, dass sich Personen aufgrund von Kurzschlüssen diskriminiert fühlen könnten, so Schütz. Die Signalements würden ausserdem «auf den ersten Blick relativ unspezifisch erscheinen», seien aber ausreichend differenziert, um mutmassliche Täterinnen und Täter eingrenzen zu können.

Zurück zum Begriff «Schwarzafrika». Es gäbe deutlich unproblematischere Alternativen dafür. So sei es laut Kulturwissenschaftlerin Claudia Wilopo sinnvoller, die Region als Subsahara oder südlichen Teil des Afrikanischen Kontinents zu beschreiben oder sich auf schwarze Personen zu beziehen.

(Noch) nicht bereit für Änderungen

Davon will die Staatsanwaltschaft derzeit aber nichts wissen: «Wir ziehen diesen Begriff (noch) aus aus kommunikationspraktischen Gründen der heute ebenfalls gebräuchlichen Bezeichnung «subsahara-afrikanisch» vor, weil diese alltagssprachlich noch viel zu wenig bekannt und in Gebrauch ist.» Demnach wird im Falle der Verwendung dieses Wortes das «Praktische» höher gewichtet als das «Ethische» – zumindest, wenn es nach der Staatsanwaltschaft geht.

Vorerst dürfte sich also bei der Handhabung des Wortes nicht viel ändern. Die Staatsanwaltschaft tausche sich intern aber regelmässig zu solchen und ähnlichen Fragen aus, versichert Schütz. «In dem geschilderten Spannungsfeld zwischen kommunikationspraktischem Zweck und kommunikationsethischer Verantwortung modifizieren wir denn auch, wo sinnvoll.»

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