Bundesrat will Kernwaffenverbotsvertrag nicht unterzeichnen
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Bundesrat will Kernwaffenverbotsvertrag nicht unterzeichnen

27.03.2024 13:19 - update 27.03.2024 14:19

Baseljetzt

Der Bundesrat bleibt dabei: Er will den UNO-Atomwaffenverbotsvertrag, den sogenannten TPNW, weiterhin nicht unterzeichnen und ratifizieren. Er erachtet das Engagement der Schweiz für eine atomwaffenfreie Welt im Rahmen des Atomwaffensperrvertrags (NPT) als zielführender.

Ein Richtungswechsel zum jetzigen Zeitpunkt sei aus mehreren Gründen nicht angezeigt, teilte die Landesregierung am Mittwoch mit. Ein Beitritt zum Kernwaffenverbotsvertrag liege im gegenwärtigen internationalen Umfeld, in welchem mit einem neuen Krieg in Europa sicherheitspolitische Aspekte wieder in den Vordergrund gerückt seien, nicht im Interesse der Schweiz.

Weiterhin beurteilt der Bundesrat die Wirkung des Vertrags (Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons, TPNW) als gering, weil er von den Atomwaffenbesitzern, aber auch von fast allen westlichen und europäischen Ländern nicht anerkannt wird. «Eine Welt ohne Kernwaffen kann aber nur mit und nicht gegen die Besitzerstaaten erreicht werden», schreibt der Bundesrat.

Erneute Auslegeordnung

Der Kernwaffenverbotsvertrag trat 2021 in Kraft. Er enthält ein umfassendes und ausdrückliches Verbot für Kernwaffen, verbietet also den Einsatz, die Androhung des Einsatzes, die Herstellung, die Lagerung, den Erwerb, den Besitz, die Stationierung, die Weitergabe sowie Tests von Kernwaffen und die Unterstützung dieser verbotenen Tätigkeiten.

Bis heute wurde der TPNW von siebzig Staaten ratifiziert, nicht aber von den Kernwaffenbesitzern und den mit ihnen verbündeten Staaten. Bereits in den Jahren 2018 und 2019 hatte der Bundesrat einen Beitritt abgelehnt. Seine neuste Einschätzung stützt der Bundesrat auf eine umfassende Auslegeordnung durch eine interdepartementale Arbeitsgruppe und auf Einschätzungen externer Expertinnen und Experten.

Das Nein zum TPNW-Beitritt bedeutet laut dem Bundesrat nicht, dass die Schweiz untätig bleibe. «Der Einsatz von Kernwaffen wäre mit dem humanitären Völkerrecht kaum vereinbar.» Vor zehn Tagen hatte die Schweiz im Uno-Sicherheitsrat entsprechend deutlich Stellung genommen und erklärt, dass ein Atomkrieg keine Gewinner kennen würde und darum auch niemals geführt werden dürfe.

Kernwaffenstaaten nicht dabei

Auch in der Aussenpolitischen Strategie 2024-2027 spricht sich der Bundesrat unmissverständlich für eine nuklearwaffenfreie Welt aus. Trotz der derzeit stockenden nuklearen Abrüstung werde die Schweiz weiterhin einfordern, dass die betroffenen Staaten ihren Abrüstungsverpflichtungen nachkämen.

Zudem ist die Schweiz seit 1977 Mitglied des Atomwaffensperrvertrags (NPT), der von 191 Mitgliedsstaaten, darunter die Kernwaffenstaaten USA, Russland, China, Frankreich und das Vereinigte Königreich, unterzeichnet wurde. Der NPT gilt als Eckpfeiler der nuklearen Rüstungskontrolle und der globalen Sicherheitsarchitektur.

Atomwaffen besitzen gemäss Zahlen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri aus dem Jahr 2023 neun Staaten. Am meisten Sprengköpfe unterhält demnach Russland mit 5889, gefolgt von den USA mit 5244. Auf dem dritten Platz folgen die 410 Sprengköpfe Chinas.

In Europa verfügen die Atommächte Frankreich über 290 und Grossbritannien über 225 Sprengköpfe. Dahinter reihen sich Pakistan (170) und Indien (164) ein. Israel dürfte über 90 und Nordkorea über 30 Sprengköpfe verfügen. Insgesamt beziffert das Sipri das weltweite Atomwaffenarsenal auf 12’512 Sprengköpfe.

Druck auf Bundesrat bleibt hoch

Die Frage, wie das Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt realisiert werden kann, wird auch innenpolitisch kontrovers diskutiert. Bereits vor über fünf Jahren hatte das Parlament den Bundesrat aufgefordert, den Atomwaffenverbotsvertrag so rasch wie möglich zu unterzeichnen und dem Parlament zur Genehmigung vorzulegen.

Durch die Ratifikation des Atomwaffenverbotsvertrags würde die Schweiz ihr klares Eintreten zugunsten des humanitären Völkerrechts und der damit verbundenen Werte verdeutlichen, lautete der Tenor.

Der weitere Aufschub des Entscheids über die Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrags dürfte viele nicht zufriedenstellen. Anfang November 2023 hat die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) eine Volksinitiative für einen TPNW-Beitritt lanciert. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa) kündigte an, sich der NGO-Allianz anzuschliessen. (sda/mik)

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