Chinesische Leichen ohne Einverständnis ausstellen – ist das ethisch korrekt?
©Bild: Keystone
«Real Bodies»
Basel-Stadt

Chinesische Leichen ohne Einverständnis ausstellen – ist das ethisch korrekt?

02.09.2023 11:50 - update 03.09.2023 07:57
Larissa Bucher

Larissa Bucher

In der Messe Basel werden aktuell 20 echte Leichen und Hunderte Leichenteile ausgestellt. Die Herkunft der Ausstellungsobjekte wirft jedoch Fragen auf.

Etwas über Anatomie des menschlichen Körpers lehren: Das ist die Mission der Ausstellung «Real Bodies», die man zur Zeit in der Messe Basel besuchen kann. Sie wirft jedoch auch ethische Fragen auf. Insbesondere im Bezug auf die Herkunft der 20 verwendeten Leichen. Diese seien nämlich keine freiwilligen Spender:innen gewesen, sondern nicht identifizierbare chinesische Personen, teilen die Veranstalter mit. Das heisst konkret: Sie haben nie dazu eingewilligt, nach ihrem Tod als «Ausstellungsobjekt» benutzt zu werden.

Ethisch fragwürdig findet das Jan Schürmann, klinischer Ethiker der Uni Basel. «Die Ausstellung von Verstorbenen ohne Einwilligung erscheint mir ethisch problematisch, da fraglich ist, ob die Verletzung des Autonomieprinzips durch ein übergeordnetes gesellschaftliches Interesse aufgewogen werden kann», sagt er und verweist auf die ethischen Prinzipien des Respekts vor der Autonomie.

So sei es in der Schweiz rechtlich geregelt, dass die Wünsche einer Person auch nach dem Tod noch respektiert werden müssen. «Eine Person kann also zustimmen oder ablehnen, dass ihr Körper nach dem Tod einem anatomischen Institut für die Forschung zur Verfügung gestellt wird.» Diese Entscheidung muss dann respektiert werden. Im Fall der Ausstellung «Real Bodies» ist nicht bekannt, welche Wünsche die betroffenen Personen vor ihrem Tod hatten.

Todesursache spielt eine Rolle

Den Veranstaltern ist es wichtig zu betonen, dass alle verwendeten Personen an einem natürlichen Tod gestorben sind. Es seien also keine Kriegsgefangenen oder gefolterten Personen, die von Seiten China verkauft wurden. Für Schürmann ist diese Differenzierung enorm wichtig. «Für das moralische Empfinden spielt es eine Rolle, ob Menschen eines natürlichen Todes gestorben sind oder durch den Vollzug einer Todesstrafe», sagt er. So sei die Todesstrafe an sich ja schon ethisch bedenklich. Dazu kommt, dass eine öffentliche Zurschaustellung einer zum Tode verurteilten Person als zusätzliche und besonders schwere Strafe gilt. «Als Besucher:in müsste man sich fragen, ob man an einer solchen Form der Bestrafung teilhaben möchte.»

Dazu kommt die Tatsache, dass niemand genau weiss, wer die Personen hinter den Leichen sind und weshalb sie wirklich gestorben sind. Diskussionen darüber, dass es sich doch um unterdrückte und verfolgte Minderheiten aus China handeln könnte, verstummen nie ganz. Ethisch gesehen wäre das sehr problematisch, sagt Schürmann. «Der Staat hat eine besondere Schutzfunktion gegenüber vulnerablen Gruppen der Gesellschaft, wie Minderheiten oder Kindern, die hier verletzt würde.» So müsse eine Regierung sicherstellen, dass die Persönlichkeitsrechte von allen Personen wahrgenommen werden. Das gilt auch nach dem Tod.

Virtuelle Welten als Alternative

Laut den Veranstaltern sei das, wie bereits erwähnt, nicht der Fall. So ist die Ausstellung vielleicht ethisch umstritten, lehrreich ist sie jedoch auf alle Fälle auch, meint Schürmann. Trotzdem: «Diese Bildung könnte auch auf andere Weise erreicht werden, beispielsweise durch virtuelle Welten oder Hologramme.»

Der wissenschaftliche Wert der Ausstellung sei seiner Meinung nach eher gering. Verschiedene Personen würden solche Themen und Ausstellung jedoch auch immer anders auffassen. Das Pietätsgefühl von Mensch zu Mensch sei sehr unterschiedlich ausgeprägt.

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Kommentare

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06.09.2023 15:25

InfoAlp

Letztes Jahr soll eine chinesische Touristengruppe bei einer Wanderung in der Schweiz verschollen sein.

0 0
02.09.2023 12:22

User

Die wahrscheinlich keines natürlichen Todes gestorben sind.Und das wirft Fragen auf.

A Binningen

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