Danny Exnar: Der Mann aus Itingen in Roman Polanskis neuem Film
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Danny Exnar: Der Mann aus Itingen in Roman Polanskis neuem Film

15.01.2024 05:21 - update 15.01.2024 11:35
Manuela Humbel

Manuela Humbel

Ein Baselbieter mitten in Gstaad, umringt von Weltstars. Mit dem ehemaligen Profi-Boxer Mickey Rourke hatte er einen schwierigen Start – und doch hat er sich von ihm zu etwas inspirieren lassen.

«Und er ist aufgesprungen und hat gesagt: ‘Get the fuck out of my way you motherfucker’», beschreibt Danny Exnar seine erste Begegnung mit Mickey Rourke. Die ersten Worte des Mannes, der ausgerechnet sein Vater ist – zumindest im neuen Polanski-Film «The Palace».

Ein Baselbieter in Gstaad, inmitten einer Filmcrew. Darunter oben genannter Mickey Rourke, amerikanischer Schauspieler und ehemaliger Boxer sowie der vielfach ausgezeichnete französisch-polnische Filmregisseur Roman Polanski.

Zwischen Reichtum, Dekadenz und Absurdität verbringen die drei einen Silvesterabend im selben luxuriösen Hotel: «The Palace». Vom Jahr 1999 ins Jahr 2000 versteht sich. Und nein, Baseljetzt hat nicht in der Vergangenheit gegraben, hierbei handelt es sich um die aktuelle schwarze Komödie des Regisseurs. Sie kommt am 18. Januar in die Deutschschweizer Kinos.

So könnte der Silvesterabend im «The Palace»-Hotel im Jahr 1999 in etwa ausgesehen haben: Der Trailer zum Film.

«Nicht einfach, sich dem auszusetzen»

«Mein Ziel war, einen Film zu machen, der politisch nicht korrekt ist», hat Polanski an der Premiere in Polen gesagt.

Der Baselbieter Danny Exnar sagt, der Film habe «Mut zur Hässlichkeit» und halte der Gesellschaft einen Spiegel vor, in dem er die «dekadenten, wahnsinnig reichen Leute» zeige. «Es ist für viele Leute wahrscheinlich einfach nicht so leicht, sich dem auszusetzen und dann kommen oft Abwehrreaktionen», begründet Exnar die teils schlechte Kritik, die der Film erhalten hat.

Eine neue Nase, ein neues Kinn und fertig ist der Sohn

Aber wie schafft es ein Mann aus der kleinen Gemeinde Itingen in den Spielfilm des grossen Polanski? Dass er die Rolle als Sohn des reichen Geschäftsmannes erhalten hat, ist gar nicht so selbstverständlich. Polanski habe in ganz Tschechien nach einem geeigneten Schauspieler gesucht: Er solle Tschechisch sowie Englisch mit tschechischem Akzent sprechen und gleichzeitig als Sohn Mickey Rourkes durchgehen können. In dem Land sei er aber auf keinen zufriedenstellenden Kandidaten gestossen – zu hoch seine Ansprüche.

Erst das E-Casting von Exnar konnte ihn überzeugen. Nur noch eine Perücke, eine Nasen- und Kinnprothese für die Dreharbeiten und geboren war der uneheliche Sohn Mickey Rourkes aka Bill Crush.

Danny Exnar: Der Mann aus Itingen in Roman Polanskis neuem Film
Wer ist Sohn, wer ist Vater? Was blondes Haar, eine neue Nase und ein modelliertes Kinn ausmachen. Links Mickey Rourke, rechts Danny Exnar. M. Abramowska

«Man weiss nicht, ist es seine Rolle oder Persönlichkeit»

«Er hat ein wahnsinniges Talent», schwärmt der Baselbieter mit tschechischen Wuzerln über seinen 71-jährigen Schauspieler-Kollegen Rourke. «Aber er ist gleichzeitig auch extrem und macht dieses Method-Acting.» Eine Methode, für die grosse Schauspieler:innen bekannt sind. Mit dieser versetzen sie sich besonders intensiv in ihre Rolle, arbeiten mit Erinnerungen an eigene Erlebnisse und verschmelzen vollständig mit dem Film- oder Bühnen-Charakter.

«Und weil Mickey Rourke so einen vulgären Business-Mann, ich sage es jetzt mal so: Ein Arsch spielt, war er wahrscheinlich schon in der Rolle drin», erklärt Exnar das aussergewöhnliche erste Zusammentreffen. Fügt aber an: «Man weiss nicht genau, was ist die Rolle, was seine Persönlichkeit.» Es sei schon heftig gewesen und der Regisseur Roman Polanski sei aufgesprungen und zwischen den Jazz-Musiker und ehemaligen Box-Profi gegrätscht: «No, no, no Mickey. Mickey, I want you to meet, don’t act», habe dieser gesagt.

Exnar sollte Aufregung mit ins Spiel nehmen

«Okay, das wird was», habe sich Exnar besorgt gedacht – und damit die Erwartungen der Film-Crew erfüllt. Denn genau diesen Respekt, diese Anspannung, sollten im Film herüberkommen. Darum habe die Crew den 41-Jährigen ganz bewusst nicht vor der ersten Begegnung mit Mickey Rourke «gewarnt». «Damit ich diese Aufregung mit ins Spiel nehme», erklärt er. Eine halbe Stunde vor dem ersten gemeinsamen Dreh seien die beiden erstmals aufeinandergetroffen.

Dann begann eine intensive Zeit – eine «sehr intensive», wie Exnar sagt. «Mickey war extrem unberechenbar und ich musste extrem wach bleiben, damit das Ganze nicht auseinanderfällt. Er improvisiert viel. Und hat einfach so eine krasse Energie, dass man schauen muss, wo man bleibt und den Fokus nicht verliert.»

90-jähriger Polanski hüpft herum und fährt Auto

Auch Polanski sei dann noch mehr herumgesprungen als sonst schon. Immer wieder habe es geheissen: «More energy». Um sich das besser vorstellen zu können: Der 90-Jährige sei für sein Alter sehr fit. «Er spielt einem immer selber alles vor. Er mag das Schauspiel und versteht die Schauspieler:innen – weil er selber einer ist.»

Neben der Schauspielerei habe der Regisseur auch eine wahnsinnige Präzision für das Szenenbild und die Requisiten. «Einmal ist er in sein eigenes Auto gesprungen, weil er mit den Reifenspuren im Schnee vor dem Hotel nicht zufrieden war.» Er habe jedes Detail kontrolliert, die Requisiten teilweise um ein paar Zentimeter verschoben, bis es so war, wie er es wollte. «Das habe ich noch bei keiner Produktion erlebt.»

«Da wusste ich: ‘Okay, das kommt gut’.»

Nicht nur das Bild sollte perfekt sein, sondern auch das «acting» der Schauspieler:innen. «Wenn es mal nicht so läuft, wie er will, dann ist er streng. Dann geht es so lange, bis es so ist, wie er will.» Trotzdem würde Polanski immer wertschätzend mit allen Mitarbeitenden umgehen. Am Set habe Exnar aber gewusst: «Jetzt muss ich abliefern.» Natürlich sei da der Druck gewesen, es «jetzt nicht zu verhauen» und die Frage, ob Exnar es schaffe, dem Niveau Polanskis gerecht zu werden. «In dem Moment, als ich ihn zum Lachen gebracht habe und das ganze Filmteam mitgelacht hat, da wusste ich: ‘Okay, das kommt gut’.»

Die Rolle, die wie für ihn geschrieben war

«Manchmal ist es so – das ist recht selten – dass man wirklich das Gefühl hat, hey, das passt. Ich wusste, diese Rolle, das ist meine Rolle.» Sie sei wie für ihn geschrieben worden, sagt Exnar.

Ein Charakter, der etwas Liebes, Naives und Ironisches habe. Diese Eigenschaften würden teilweise auch auf in selber zutreffen, sagt Exnar. «Der Humor, dass ich mich selber nicht zu ernst nehme.» Die Naivität habe er nicht unbedingt, aber: «Dass ich mit grossen Augen auf die Welt schaue, das habe ich mir hoffentlich schon etwas beibehalten.»

Öffentliche Entschuldigung war wichtig

Während des Gesprächs scheint es so, als würde Danny Exnar nicht nur mit grossen Augen auf die Welt blicken, sondern auch auf Regisseur Roman Polanski. Das tut er auch, er bewundert seine Arbeit und Energie. Gleichzeitig kann er ihn aber auch kritisch betrachten. Schliesslich wurde Polanski in den 1970er-Jahren wegen Missbrauch an einer Minderjährigen angeklagt.

«Mir war es wichtig, dass er sich öffentlich entschuldigt hat, aber vor allem auch, dass ihm das damalige Opfer vergeben und die Entschuldigung akzeptiert hat.» Wenn das nicht so gewesen wäre, dann wisse er nicht, ob er den Job angenommen hätte.

«Es ist total schräg»

Sicher ist, dass der Job einer der grössten, wenn nicht sogar der grösste Schritt in Exnars bisheriger Schauspiel-Karriere war. Er selbst findet es «total schräg», auf so einem Niveau zu spielen. Einerseits sei es unglaublich aufregend und es würden sich viele Hoffnungen im Kopf entwickeln, andererseits sei es auch sehr lange komisch still. Dies, weil sich der Prozess so in die Länge ziehe.

Danny Exnar: Der Mann aus Itingen in Roman Polanskis neuem Film
Danny Exnar steht auch als Schauspieler auf der Bühne. Toni Suter / T + T Fotografie

Vor eineinhalb Jahren haben die Dreharbeiten stattgefunden und erst am 18. Januar kommt der Film in die Deutschschweizer Kinos. «Man wartet und es passiert eigentlich nichts. Das ist total komisch. Es ist nicht wie im Theater, wo man direkt den Applaus hat», sagt Exnar, der selbst regelmässig auf der Bühne steht. «Ja», wiederholt er, «es ist recht schräg. Einerseits ist es wirklich eine grosse Sache und andererseits ist es auch wirklich nur ein Film.»

Vom Schauspiel zum Boxen

Trotzdem könnte der Film seine Zukunft verändern, schliesslich ist er international auf Leinwänden zu sehen. Bis jetzt habe er aber noch keine Anrufe erhalten, sagt Danny Exnar. Etwas hat sich für ihn seit dem Zusammentreffen mit Mickey Rourke aber doch geändert: «Ich habe bei diesem Dreh wirklich kapiert, wie wichtig der physische Aspekt als Filmschauspieler ist. Und ich habe versucht, Mickey Rourke etwas auf die Schliche zu kommen, weil er mich so fasziniert hat.» Seither boxt auch der Baselbieter Danny Exnar – nicht an Kämpfen, aber als Training.

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