Streit um Justizreform in Israel eskaliert
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Generalstreik
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Streit um Justizreform in Israel eskaliert

27.03.2023 11:13 - update 27.03.2023 11:24

Baseljetzt

Massenproteste, ein Generalstreik und die Armee in Alarmbereitschaft: In Israel hat sich die politische Krise nach der Entlassung des Verteidigungsministers Joav Galant zugespitzt.

Zehntausende Menschen strömten in der Nacht auf die Strasse, um gegen die von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angeordnete Entlassung und die Reformpläne seiner rechts-religiösen Regierung zu protestieren. Am Montag setzte sich der Protest fort.

Der Dachverband der Gewerkschaften in Israel kündigte einen «historischen» Generalstreik an. Betroffen war auch der internationale Flughafen Ben-Gurion bei Tel Aviv. Es wird erwartet, dass Zehntausende Passagiere warten oder umbuchen müssen.

Dringlichkeitssitzung einberufen

Präsident Izchak Herzog rief die Regierung zum Einlenken auf. «Um der Einheit des israelischen Volkes willen, um der Verantwortung willen, fordere ich Sie auf, die Gesetzgebung sofort einzustellen», sagte er am frühen Montagmorgen. Die Menschen seien in tiefer Angst.

Angesichts der brenzligen Lage hielt Netanjahu eine Dringlichkeitssitzung zum weiteren Vorgehen ab. Mit Koalitionspolitikern soll er über eine mögliche Aussetzung des Reformvorhabens beraten haben. Demnach plante Netanjahu noch am Montag eine Rede an die Nation. Die nach Medienberichten ursprünglich für 9 Uhr (MESZ) geplante Ansprache verzögerte sich am Vormittag. Hintergrund soll ein Streit innerhalb der Koalition sein. Demnach kündigten mehrere Minister an, zurücktreten zu wollen, sollte Netanjahu einen Stopp der Reform ankündigen.

Ungeachtet der Proteste hatte am Morgen ein Kernelement der umstrittenen Reform eine weitere Hürde genommen. Der Justizausschuss des Parlaments billigte den Gesetzestext, der die Zusammensetzung des Richterwahlausschusses ändern soll. Der Entwurf wurde zugleich zur finalen Lesung ans Plenum überwiesen. Die Gesetzesänderung würde der Regierung eine Mehrheit in dem Gremium und damit einen erheblichen Einfluss auf die Ernennung von Richtern verschaffen.

Verteidigungsminister entlassen

Netanjahu hatte Joav Galant am Vorabend wegen dessen Aufrufs zum Stopp der Justizreform entlassen. Gegen die Reform, mit der der Einfluss des Höchsten Gerichts beschnitten und die Machtposition der Regierung zulasten der unabhängigen Justiz gestärkt werden soll, gibt es seit Monaten heftige Proteste. Der bisherige Verteidigungsminister hatte am Samstagabend die Regierung zum Dialog mit Kritikern aufgerufen. Er warnte, dass die nationale Sicherheit und insbesondere die Einsatzfähigkeit der Armee auf dem Spiel stehe. Seit Wochen ist von wachsendem Unmut im Militär die Rede, aus Protest gegen die Reform waren zahlreiche Reservisten nicht zum Dienst erschienen.

Die Regierung wirft dem Höchsten Gericht unbotmässige Einmischung in politische Entscheidungen vor. Künftig soll das Parlament mit einfacher Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts aufheben können. Der Ministerpräsident soll stärker vor einer Amtsenthebung geschützt werden. Kritiker sehen die Gewaltenteilung in Gefahr, manche warnen gar vor der schleichenden Einführung einer Diktatur.

Ausschreitungen und Streiks

Auf den Strassen bricht sich der Zorn vieler Menschen Bahn, die um die Demokratie in Israel fürchten. In Tel Aviv blockierten Demonstranten am Sonntagabend mit Israel-Fahnen die zentrale Strasse nach Jerusalem und setzten Reifen in Brand. Die Polizei ging mit Reiterstaffeln und Wasserwerfern gegen die Menge vor, aus der Steine auf die Einsatzkräfte flogen. In Jerusalem durchbrachen wütende Menschen eine Strassensperre neben Netanjahus Wohnhaus, der Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet begab sich noch in der Nacht dorthin.

Universitäten verkündeten aus Protest gegen die Entlassung Galants und die Reformpläne einen vorläufigen Unterrichtsstopp. Mehrere Bürgermeister traten in den Hungerstreik und forderten eine sofortige Eindämmung der nationalen Krise.

Die Oppositionspolitiker Jair Lapid und Benny Gantz forderten Netanjahus Parteikollegen in einer gemeinsamen Mitteilung auf, «sich nicht an der Zerstörung der nationalen Sicherheit zu beteiligen». Der Regierungschef habe «eine rote Linie überschritten».

Auch US-Regierung ist besorgt

Auch international lösen die Pläne Kritik aus. Die US-Regierung als wichtigster Verbündeter äusserte sich tief besorgt. Angesichts der geplanten «grundlegenden Änderungen an einem demokratischen System» rief das Weisse Haus die israelische Führung nachdrücklich auf, sobald wie möglich einen Kompromiss zu finden.

Der ehemalige Ministerpräsident Naftali Bennett warnte, Israel befinde sich in der grössten Gefahr seit dem Jom-Kippur-Krieg 1973. Arabische Staaten hatten Israel damals überraschend am höchsten jüdischen Feiertag angegriffen. Bennett rief Netanjahu dazu auf, die Entlassung Galants zurückzunehmen, die Reform auszusetzen und einen Dialog mit den Gegnern aufzunehmen.

Sicherheitsexperten warnen, Feinde Israels – allen voran der Iran, die libanesische Hisbollah-Miliz sowie militante Palästinenserorganisationen im Gazastreifen – könnten die Gunst der Stunde für Angriffe auf das durch die Krise geschwächte Land nutzen. (sda/rif)

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Kommentare

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27.03.2023 13:47

mil1977

Benjamin Nethanyahu ist der Premier in Israel. Ein Glück für das Land, denn er schützt es vor Angriffen seitens der Palästinenser, gibt Sicherheit für die Wirtschaft, stützt das Militär und die Polizei und ist ein zuverlässiger Partner des Westens.

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27.03.2023 14:19

Naefro

Machthaber?

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