Die Fantastischen Vier: «Schöner und bequemer wärs schon, aufzuhören»
Manuela Humbel
Seit 34 Jahren stehen Die Fantastischen Vier zusammen auf der Bühne. Aufhören wollen sie noch lange nicht, obwohl es manchmal doch auch schöner wäre, wie sie im Interview mit Baseljetzt gestehen.
Seit mehreren Jahrzehnten stehen Michael Schmidt, Thomas Dürr, Michael Beck und Andreas Rieke unter dem Namen Die Fantastischen Vier zusammen auf der Bühne. Am Samstagabend hat Deutschlands erfolgreichste Hip-Hop-Band nach der Sängerin Steff la Cheffe die diesjährige Baloise Session eröffnet.
Im Interview mit Baseljetzt sprechen Michael Schmidt aka «Smudo» und Thomas Dürr alias «Thomas D.» über den Druck nach Perfektion, wenn sie Songtexte schreiben, ob bei der momentanen Weltlage Party machen noch «erlaubt» ist, und wie wir Schweizer:innen vor der Bühne so sind.
Baseljetzt: Smudo und Thomas D., wie nehmt ihr Schweizer:innen als Publikum wahr?
Smudo: Für uns ist es eigentlich relativ irrelevant, ob das Schweizer:innen, Deutsche oder sonst irgendjemand ist. Wenn sie zu unseren Shows kommen, dann sollen sie sich gefälligst amüsieren (lacht).
Thomas D.: Man sagt den Schweizer:innen ja gerne nach, sie feiern ein bisschen nach innen und, dass sie ihre Emotionen reduzieren. Das können wir nicht bestätigen.
Also habt ihr die Hoffnung, dass sie trotz Stühlen aufstehen?
Thomas D.: Ich gebe ihnen drei Songs, Maximum, dann stehen alle. Vielleicht sogar schon nach zwei, mal sehen.
Wenn ihr Texte schreibt, wie kommt ihr auf eure Ideen, und was macht ihr, wenn ihr mal keine Idee habt? Wenn ihr eine Schreibblockade habt?
Thomas D.: Wir versuchen zu schreiben, das gelingt uns selten. Ab und zu kommt dann doch was dabei raus. Wie man auf Ideen kommt, das kann man nicht sagen. Es gibt so einen Moment, da kommt dir irgendetwas in den Sinn. Das ist wie so ein Diamant. Du bist vielleicht auf der Toilette — und zack, da fällt er dir ein.
Smudo: Warum ist es eigentlich ein Diamant? So vermittelt man, dass das, was man schreibt, dann so wahnsinnig wertvoll und selten sei. Tatsächlich ist mein Gefühl aber, dass man auf ganz viel kommt, davon aber auch viel wegschmeissen kann.
Thomas D.: Wenn ich wieder zu meinem Bild von der guten Idee, vom Diamanten komme, dann ist das noch kein Song. Dann musst du noch ganz viel aussen herum dazu erfinden. Beispielsweise die Strophen, Bridges, whatever. Und da darfst du nicht abkacken. Du kannst diese Idee jederzeit auch wieder verwässern, kaputt machen. Das ist die Arbeit, diese gute Idee zu halten und die am Schluss durch den ganzen Song durchscheinen zu lassen.
Habt ihr da manchmal nicht auch Angst, weiterzuarbeiten, dass ihr eure Idee dann verwässert?
Thomas D.: Ja, schöner wärs aufzuhören.
Smudo: Ja, vielleicht wärs bequemer. Schreiben ist wie eine Hausaufgabe zu machen, die du abgeben musst. Man neigt dann doch dazu, das hinauszuschieben. Und manche sind Spät-Abgeber oder -Schreiber und machen das unter Druck, weil sie dann vielleicht auch erst anfangen können, die Ängste abzubauen. Die Angst, dass das, was man schreibt, scheisse ist, wird immer mehr mit steigender Erfahrung. Und wir machen das auch schon so lange. Und dann noch sich selbst zu überraschen, das wird immer schwieriger mit dem Alter.
Eure Hausaufgaben kommen aber meistens sehr gut an. Aber kann man heute noch Party machen, wenn man die aktuelle Weltlage anschaut?
Thomas D.: Gerade in der heutigen Zeit — ich hasse diese Floskel — ist es umso wichtiger, auch mal eine Gute-Laune-Stunde oder zwei zu haben. In der Welt umgibt uns sehr viel Trauer, Schmerz und wenig Freude momentan, deshalb finde ich es umso wichtiger zu sagen, wir sind heute hier, um gemeinsam Spass zu haben, zu lachen und «die böse Welt» mal kurz zu vergessen.
Smudo: Was ja auch eine Aufgabe von Unterhaltung ist. Die Welt im Allgemeinen, das Leben, sind hart. Das Beste, was einem zu hoffen bleibt, ist die Abwesenheit von Leid. Zwischendurch kann man auch wieder ein bisschen Spass haben, um für die Lösung der Probleme Kraft zu schöpfen.
Thomas D., du hast im Interview mit der Basler Zeitung gesagt, dass positiv zu bleiben Mut braucht. Wieso?
Thomas D.: Keine Ahnung, wahrscheinlich war ich besoffen (lacht). Nein, Spass.
Smudo: Was der immer erzählt in Interviews. Ich versteh’ auch nicht immer alles (lacht).
Thomas D.: Nein, im Ernst (überlegt). Gute Frage. Vielleicht grade wegen der Situation, dass man sagt, ja, es bedarf Mut. Das ist ja Hoffnung, das ist ein positives in die Zukunft schauen. Man soll sich nicht hängen lassen. Sich als Opfer zu sehen. Und zu sagen, ich kann ja eh nichts machen, ist einfacher als zu sagen, ich kann was machen. Diese Kraft, sich selbst in den Arsch zu treten und zu sagen, ich lasse mich nicht hängen, vielleicht ist das, das, was ich meinte. Ich weiss es nicht mehr genau, aber ich find’s einen guten Spruch (überlegt). Ach so, der ist von mir? (lacht).
Smudo: Der ist auch schon schwarz auf weiss gedruckt worden. Hoch die Tassen. Aber ja, ich sehe es so, dass man in einer Betroffenheitskultur den Mut haben darf, sich zu amüsieren und dabei aber nicht schlecht gefunden wird. Man blendet in diesem Moment des Amüsements ja nicht das Leid auf dieser Welt aus. Es ist ja nur ein Moment.
Seit dreissig Jahren Fan
Und diesen Mut, sich zu amüsieren, hatten am Samstagabend viele. Tatsächlich sind spätestens nach dem dritten Song die Leute in der Messehalle gestanden, nicht alle, aber ein Grossteil des Publikums.
«Ich fand es Hammer», sagt Manfred aus Magden gegenüber Baseljetzt. «Ich bin seit dreissig Jahren Fan. Ich stand ganz vorne und habe mitgefiebert. Es war wirklich toll. Der Hammer. So nahe an die Stars kommt man sonst nirgends.»
«Wasche meine Hände zwei Wochen nicht mehr»
Auch Michaela und Andrin aus Pratteln sind begeistert. «Das ist das vierte oder fünfte Fanta Vier Konzert, dass ich gesehen habe. Es ist jedes Mal gigantisch», sagt sie. Und er: «Sie haben es geschafft, das ganze Publikum abzuholen und so in ihren Bann und zwanzig, dreissig Jahre in die Vergangenheit zu ziehen. Alle hier haben noch mal mitgefühlt, wie es damals war, als alle Party gemacht haben. Ich habe mich zwanzig Jahre jünger gefühlt heute Abend.»
Es sei ein unvergesslicher Abend gewesen. «Sie haben sogar meine Hände berührt, als ich vorne war, ich wasche sie jetzt zwei Wochen nicht mehr», lacht Andrin.
Mitarbeit: Karoline Edrich (Kamera)
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