Die SBB bespitzeln Passagiere bald mit versteckten Kameras
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Überwachung
Schweiz

Die SBB bespitzeln Passagiere bald mit versteckten Kameras

16.02.2023 17:35 - update 17.07.2023 22:38

Baseljetzt

Die SBB planen, Reisende unbemerkt zu überwachen. An grossen Bahnhöfen werden bald neue Kameras zur Gesichtserfassung installiert. Damit soll das Kaufverhalten der Passagiere ausgewertet werden.

Ein Gipfeli und einen Kaffee am Morgen auf dem Weg zur Arbeit kaufen? Oder nach der Arbeit noch schnell beim Coop am Bahnhof vorbeigehen? Dies ist schon bald nicht mehr unbemerkt möglich. Die SBB wollen nämlich laut dem K-Tipp ein neues System zur Überwachung ihrer Kund:innen einführen.

Von den Einkaufsgewohnheiten bis hin zur Körpergrösse

Das sogenannte «KundenFrequenzMessSystem 2.0» soll die differenzierten Bewegungsdaten von Reisenden erfassen. Die SBB planen zu diesem Zweck an 57 Bahnhöfen die Installation von Kameras mit Gesichtserkennung. Die Bundesbahnen wollen diese Aufnahmen mit anderen Datenquellen wie beispielsweise den Fahrgastdaten verknüpfen. Dadurch wollen sie Auskunft über das Verhalten von Bahnhofsbesuchern erhalten.

Konkret sollen folgende Daten erfasst und ausgewertet werden: Die Route, die Reisende durch den Bahnhof nehmen, Alter, Geschlecht, Größe, mitgeführtes Gepäck und andere Gegenstände wie Kinderwagen, Rollstühle oder Fahrräder. Aber auch die Daten zur Verweildauer im Bahnhof, welche Läden von Passagieren besucht werden, das Kundenverhalten in Bahnhofsläden und wie viel Geld die Passagiere am Bahnhof ausgeben, werden analysiert.

Daten werden in Microsoft-Cloud gespeichert

Bereits heute werden die Passantenströme in Bahnhöfen mit über 700 Kameras überwacht. Dies findet momentan jedoch noch ohne Auswertung des Kaufverhaltens statt und auch Fahrgastinformationen wie die Daten des «Swisspass» werden noch nicht verknüpft. Die neuen Kameras sollen als erstes am Bahnhof Schaffhausen installiert werden – und zwar schon ab September. Danach folgt ein Ausbau auf die restlichen Bahnhöfe. Die SBB wollen Verträge mit Software- und Kameralieferanten abschliessen, die bis mindestens August 2028 laufen und bis 2033 verlängerbar sind.

Die Überwachung dient dem Ziel, die «Abschöpfungsrate» zu erhöhen. Vom Erfolg der Ladenbetreiber im Bahnhof profitieren nämlich auch die SBB: Je mehr Umsatz erzielt wird, desto mehr Miete müssen die Läden an die Bundesbahnen zahlen.

In den Dokumenten der SBB wird angegeben, dass auch Betreiber von Bahnhofsläden Zugang zu den Daten erhalten sollen. Diese sollen in der Cloud von Microsoft gespeichert werden.

Versteckte Kameras

Damit nicht genug: Bei den Kameras handelt es sich zudem um versteckte Kameras. «Die Installation der Messgeräte erfolgt visuell möglichst dezent. Es soll die Möglichkeit bestehen, die Messgeräte unter Putz zu montieren», heisst es in im Plan der SBB. Von blossem Auge werden die Kameras für Passant:innen also nicht erkennbar sein.

Die Bundesbahnen fordern von ihren Lieferanten angeblich, dass sie die Personendaten anonymisieren müssen, um das Datenschutzgesetz einzuhalten. «Die SBB können mit den anonymisierten Zähldaten den Service für die Kunden verbessern», so das Statement der SBB über die neuen Kameras. Ausserdem seien «keinerlei Rückschlüsse auf einzelne Personen möglich». Auch soll es laut den SBB keine Verknüpfung der Daten über das Einkaufsverhalten mit dem Swisspass oder der SBB-App geben.

Erhebliches Risiko für die Privatsphäre

Doch stimmen die Beschwichtigungsversuche der Bundesbahnen? In den Ausschreibungsdokumenten finden sich widersprüchliche Informationen wieder: Die SBB fordern von den Kamerabetreibern explizit eine «eindeutige Identifikation der Person (Person-ID) während des gesamten Aufenthalts im Bahnhof». Die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes schreiben jedoch eine ausdrückliche Zustimmung der Reisenden zur Verarbeitung ihrer Daten vor.

Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Adrian Lobsiger sieht in der Überwachung ein «erhebliches Risiko» für die Privatsphäre und Persönlichkeit der Passant:innen. Grund dafür sind die «Vielzahl der erhobenen Daten und das Risiko einer Re-Identifikation von Personen», so Lobsiger. Die SBB müssen dem Bund nun ein Datenschutzkonzept vorlegen.

Doch nicht nur der Bund steht dem Vorhaben der SBB kritisch gegenüber. Auch Nutzer:innen der sozialen Medien äusserten schon Bedenken.

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Kommentare

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18.02.2023 08:21

Nestor1

Na dann, sofortiger Verzicht auf jeglichen Einkauf in allen SBB Bahnhöfen und notfalls wieder zurück auf das Auto Sollen die mit leeren Zügen rumfahren.. Problem gelöst.

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16.02.2023 18:41

lixi

Wenn das kommt, werde ich nur noch mit dem Auto reisen. Ich finde diese Pläne inakzeptabel.

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