Die Schweiz ist ein Paradies für die Tabaklobby
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Die Schweiz ist ein Paradies für die Tabaklobby

11.11.2025 07:20 - update 11.11.2025 08:21

Baseljetzt

Im neuen globalen Tabaklobby-Index belegt die Schweiz erneut den zweitletzten Platz von 100 Ländern – nur ein Land schneidet noch schlechter ab. Der Bericht zeigt, wie stark die Tabakindustrie hierzulande weiterhin Einfluss auf die Politik nimmt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Unter den europäischen Staaten, die teilgenommen haben, schneidet die Schweiz sogar am schlechtesten ab
  • Der grösste Tabakkonzern der Welt, Philip Morris, unterstützt in der Schweiz jene politischen Kräfte, die konsequent gegen strengere Tabakkontrollmassnahmen kämpfen: Er spendete im Rahmen der eidgenössischen Wahlen 2023 je 35’000 Franken an die Parteien SVP und FDP gespendet
  • 30 Mitglieder des eidgenössischen Parlaments haben direkte oder indirekte Verbindungen zur Tabakindustrie – darunter mehrere, die in den zwei zentralen parlamentarischen Kommissionen für Gesundheit und Wirtschaft sitzen

Der Global Tobacco Industry Interference Index (GTI) misst, wie stark Behörden weltweit von der Tabak- und Nikotinindustrie beeinflusst werden – etwa durch Lobbying, politische Spenden oder Partnerschaften mit Behörden und Parlament. Mit 96 von 100 möglichen Punkten (hohe Punktzahl = starke Einmischung) belegt die Schweiz den 99. Platz von neu 100 untersuchten Ländern. Gegenüber dem letzten Bericht ist sie im Ranking um zehn Plätze zurückgefallen, da der Index 2025 mehr Länder umfasst. Unter den europäischen Staaten, die teilgenommen haben, schneidet die Schweiz sogar am schlechtesten ab.

Cassis als Redner bei JTI-gesponsertem Forum

Ein aktuelles Beispiel für die fortgesetzte Einflussnahme der Tabakindustrie ist der Lucerne Dialogue, eine Initiative, die Wirtschaftskonferenzen organisiert und Japan Tobacco International (JTI) als «Premium Member» aufführt. Unter den offiziellen Partnern finden sich zahlreiche staatliche Akteure, darunter das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und mehrere Kantone.

Besonders brisant: Bundesrat Ignazio Cassis (FDP), Vorsteher des EDA, ist beim «European Economic Forum 2025» als Redner gelistet. Obwohl das neue Tabakproduktegesetz (in Kraft seit Oktober 2024) Sponsoring durch die Tabakindustrie bei Bundesaktivitäten ausdrücklich verbietet, bestehen solche Partnerschaften unter dem Deckmantel «unternehmerischer Verantwortung» (Corporate Social Responsibility, CSR) weiter. Das Beispiel zeigt exemplarisch, wie schwach die gesetzlichen Vorgaben umgesetzt werden und wie eng öffentliche Institutionen weiterhin mit der Tabakindustrie verflochten sind.

Philip Morris finanziert Wahlkampagnen

Philip Morris International (PMI) spendete im Rahmen der eidgenössischen Wahlen 2023 je 35’000 Franken an die Parteien SVP und FDP gespendet. Damit unterstützt der grösste Tabakkonzern der Welt jene politischen Kräfte, die konsequent gegen strengere Tabakkontrollmassnahmen kämpfen. Diese Zuwendungen zeigen exemplarisch, wie die Tabakindustrie ihre Interessen über Parteispenden und politische Nähe absichert. In kaum einem anderen europäischen Land bleibt solche Einflussnahme rechtlich erlaubt- eine direkte Folge der fehlenden Ratifizierung der WHO-Rahmenkonvention zur Tabakkontrolle (FCTC).

30 Parlamentarier:innen mit Tabakverbindungen

Des Weiteren verweist der Bericht auf ein breit verzweigtes Lobby-Netzwerk im Bundeshaus: 30 Mitglieder des eidgenössischen Parlaments haben direkte oder indirekte Verbindungen zur Tabakindustrie – darunter mehrere, die in den zwei zentralen parlamentarischen Kommissionen für Gesundheit und Wirtschaft (SGK und WAK) sitzen.

Diese strukturelle Nähe zwischen Politik und Tabakindustrie schwächt jede wirksame Gesundheits- und Jugendschutzpolitik. Die Tabakindustrie übt weiterhin einen erheblichen Einfluss auf Diskussionen und Gesetzgebungsverfahren im Bereich der öffentlichen Gesundheitspolitik aus. Besonders störend: Einige dieser Parlamentarier:innen haben aktiv an der Abschwächung des Tabakproduktegesetzes mitgewirkt – entgegen dem Volksentscheid zur Initiative «Kinder ohne Tabak».

«Die Tabakindustrie hat sich im politischen System festgesetzt. Ohne klare Grenzen, mehr Transparenz und die Ratifizierung der WHO-Rahmenkonvention wird die Schweiz weiterhin von Konzerninteressen gelenkt – nicht vom Schutz der Bevölkerung.» (sda)

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Kommentare

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11.11.2025 07:15

spalen

das ist, mit allem respekt, eine sauerei!
und es ist mir egal, welche partei und/oder welche lobby: interessenbindungen gehören viel detaillierter offengelegt, als dies heute der fall ist!

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