Diese Orte in Basel sind gendergerecht – und diese (noch) nicht
©Bilder: Baseljetzt/Stadtgärtnerei
Stadtplanung
Basel-Stadt

Diese Orte in Basel sind gendergerecht – und diese (noch) nicht

31.01.2023 12:09 - update 22.04.2023 09:23

Janine Borghesi

Frauen haben andere Bedürfnisse als Männer. Die meisten Städte wurden jedoch grösstenteils von Männern erbaut – so auch Basel. Der Kanton will die Stadt gendergerechter machen und nimmt die Regierung noch im laufenden Jahr in die Pflicht.

Wir treffen uns mit Martina Dvoracek hinter dem Bahnhof SBB in der Meret-Oppenheim-Strasse. Die Geografin hat sich eine Route durch die Stadt mit mehreren Stopps ausgedacht. Auf dem Programm des Stadtrundgangs stehen aber nicht Sightseeing-Attraktionen wie das Münster oder das Spalentor. Geplant ist eine Führung zum Thema gendergerechte Stadtplanung. Aber was bedeutet dieser Begriff genau?

Eine Stadt für alle

«Es geht darum, dass die Bedürfnisse von verschiedenen Nutzerinnen und Nutzern in die Stadtplanung integriert werden. Denn es gibt nicht nur einen Normmenschen, irgendeine sportliche männliche Person, die zwischen 40 und 60 Jahren alt ist», erklärt Martina Dvoracek. Sie ist Fachfrau im Verein Lares, welcher sich schweizweit für eine gendergerechte Stadtplanung einsetzt. «Es geht auch darum, sich zu überlegen, was braucht ein Kind, eine Jugendliche, eine Frau oder auch ein Mann in verschiedenen Lebensphasen», so die Geografin über das Anliegen ihres Vereins.

Gendergerechtes Bauen und Planen dreht sich laut der Lares-Fachfrau also nicht nur um das biologische Geschlecht. Bei diesen Rollen ist auch die Herkunft, die soziale Lage und das Alter wichtig.

Fehlendes Sicherheitsgefühl bei Frauen

Nach wenigen Minuten Fahrzeit sind wir schon an unserem ersten Stopp angelangt. Vor uns befindet sich das rote Postgebäude beim Bahnhof. Martina Dvoracek läuft in die Passage für Fussgänger:innen und Velos hinein, die den Peter-Merian-Weg mit der Centralbahnstrasse verbindet. Laut der Geografin sei dies ein problematischer Ort.

«Die Passage ist ein enger Raum, es ist ein unangenehmer Aufenthaltsort. Gerade als Fussgängerin ist man froh, wenn man auf der anderen Seite angekommen ist, da es keine Fluchtmöglichkeiten gibt. Auch die Durchsehbarkeit ist schlecht – es hat zwar angedeutete Fenster, aber man sieht nicht ins Bahnhofsgebäude rein.» Für die Sicherheit wäre es gemäss der Lares-Fachfrau ausserdem besser, wenn es belebter wäre. Der Kebab-Stand allein reiche nicht.

Auf dem Nachhauseweg den Schlüssel zwischen die Finger klemmen, so tun, als ob man mit jemandem telefonieren würde, Pfefferspray in der Tasche haben. Viele Frauen treffen solche Vorsichtsmassnahmen in der Nacht – besonders an unheimlichen Orten wie bei der Postpassage. Auch statistisch ist das fehlende Sicherheitsgefühl der Frauen in der Öffentlichkeit belegt: Gemäss einer Studie der ETH aus dem Jahr 2018 fühlen sich im öffentlichen Raum Männer deutlich sicherer als Frauen. Und laut einer Studie des Berner Forschungsinstitut GFS wurde jede zweite Frau sogar schon in der Öffentlichkeit belästigt.

Umso wichtiger sei es somit, sogenannte «Angsträume» zu reduzieren. Jeder und jede soll sich auf den Strassen wohlfühlen, bei Tag und Nacht und ohne Pfefferspray. Das Postgebäude am Bahnhof wird in den nächsten Jahren abgerissen. Martina Dvoracek hofft, dass beim Bau eines neuen Gebäudes eine gendersensiblere Lösung gefunden wird.

Frauen sind weniger mit dem Auto unterwegs

Wir laufen zum zweiten Standort. Dieser befindet sich in unmittelbarer Nähe der Postpassage. Die Rede ist vom Veloparking beim Bahnhof. Im Gegensatz zur unheimlichen Postpassage handelt es sich diesmal um ein besonders positives Beispiel für eine gendergerechte Stadtplanung.

«Es ist ein Ort, an dem die kombinierte Mobilität gelebt wird, also der Umstieg vom Velo auf den Zug. Es ist darum ein guter Ort, weil es ein sicherer Ort ist, also es hat Leute, die hier arbeiten. Darum ist es belebt. Ausserdem kann man das Velo sicher abschliessen», erklärt Dvoracek.

Ein sicheres Veloparking ist wichtig, da Frauen weniger mit dem Auto unterwegs sind als Männer. Sie setzen eher auf umweltfreundliche Transportmittel und sind daher häufiger zu Fuss, mit dem Velo und öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Eine Studie von 2019 zeigt konkret: Männer benutzen für rund die Hälfte ihrer Wege das Auto, Frauen sitzen nur bei 37 Prozent ihrer Wege hinter dem Steuer.

Frauen verrichten zudem mehr Care-Arbeit als Männer. Sie kümmern sich laut einer Studie des Kantons Basel-Stadt deutlich mehr um die Pflege von Kindern, sowie von kranken Angehörigen. Somit sind sie auch mehr zuhause. Der Verein Lares betont, dass deswegen eine gute Erreichbarkeit von Alltagsinfrastrukturen in Wohngebieten eine wichtige Voraussetzung für die Ausübung von Care-Tätigkeiten sei.

Man spricht dabei von einer «15 Minuten-Stadt». Alle wichtigen Einrichtungen sollen gut und bequem in 15 Minuten erreichbar sein – auch ohne Auto. Dies beinhaltet einerseits beispielsweise die Errichtung von sicheren Velowegen oder praktischen Veloparkings. Andererseits sollen auch Supermärkte, Ärzte oder öffentliche Toiletten in allen Stadtteilen dicht angesiedelt sein, und nicht nur im Stadtzentrum.

«Ich glaube, dass wir viele schwierige Situationen haben»

Laut Martina Dvoracek ist dies noch lange nicht alles: «Es geht auch um das Thema Wohnen. Dort soll man nicht von Normfamilien von Eltern und zwei Kindern ausgehen. Es gibt auch Lebensformen, in denen man mal in einer WG oder auch generationsübergreifend zusammenwohnen möchte. Dort soll beim Wohnangebot ebenfalls die Vielfalt im Zentrum stehen.»

Auch, dass auf den Strassenschildern und Ampeln in Basel oft nur Männer abgebildet sind, ist nicht gendergerecht. Die Stadt Genf hat dabei schweizweit eine Pionierrolle eingenommen und im Jahr 2020 sechs gendergerechte Strassenschilder eingeführt.

Diese Orte in Basel sind gendergerecht – und diese (noch) nicht
Das sind die sechs gendergerechten Strassenschilder Genfs. (Bild: ge.ch)

Der Kanton Basel-Stadt ist sich der Problematik bewusst. Er versucht seit Jahren, gendersensibler zu planen und zu bauen – und will somit unterschiedlichste Perspektiven einbeziehen. Ein Beispiel: Im Theater gab es früher mehr Männer- als Frauentoiletten. Damit ist das Theater Basel nicht ein Einzelfall. In vielen Städten wurden in der Vergangenheit mehr Männer- als Frauen-WCs gebaut. Im Theater Basel wurde dies bei der Sanierung, die 2014-2018 stattfand, behoben.

Trotz der Bemühungen des Kantons in den letzten Jahren gibt es Luft nach oben. Auch der Kantonsbaumeister Beat Aeberhard meint, dass die Stadplaner:innen noch viel zu tun hätten: «Ich glaube, dass wir gerade im öffentlichen Raum viele schwierige Situationen haben, also beispielsweise an der Heuwaage, wo das gendersensible Bauen tatsächlich noch nicht voll zum Tragen kommt. Das sind schwierige Räume: Es gibt da wirklich Angsträume, es gibt schlechte Architektur.»

Gendergleichstellungsplan des Kantons

Ende 2023 legt der Kanton dem Regierungsrat einen Gendergleichstellungsplan vor. Dieser Plan wird zusammen mit den verschiedenen Departementen erarbeitet. Aber auch die Anliegen zivilgesellschaftlicher Organisationen werden einbezogen, dies teilte das Präsidialdepartement des Kantons Basel-Stadt Baseljetzt auf Anfrage mit.

Beim Gleichstellungsplan soll unter anderem ein Schwerpunkt auf gendersensibles Planen und Bauen gelegt werden. «Somit erreicht das Thema eine Wichtigkeit und auch eine Sichtbarkeit, die wichtig ist für die Gesamtverwaltung», erläutert Beat Aeberhard. Die Umsetzung der Massnahmen des Gendergleichstellungsplans ist für 2024 bis 2027 geplant.

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Kommentare

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31.01.2023 11:22

Strizzi

Das ganze ” Gender Getue ” resp. das Unwort ” gendergerecht ” ist der grösste Schwachsinn der die Menschheit je vom Zaun gerissen hat ! Die Armen Leute die
dieses Problem haben tun mir echt leid ! Es sieht ganz danach aus aus hätten die nichts anderes zu und müssen sich irgendwie beschäftigen !!

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