Eine Basler Leuchte gegen die Lichtverschmutzung
Umwelt
Basel-Stadt

Eine Basler Leuchte gegen die Lichtverschmutzung

30.05.2023 05:26 - update 30.05.2023 09:55

Peter Sennhauser

Ein frischgebackener Basler Industriedesigner sagt der Lichtverschmutzung den Kampf an. Paradoxerweise mit einer Strassenleuchte: Die aber hat es im wahrsten Sinne des Wortes in sich.

«Ich musste immer weiter weg von der Zivilisation, wenn ich brauchbare Bilder schiessen wollte.» Der Fotograf Damian Byland, 32, beschäftigte sich als Teenager schon intensiv mit Nachtfotografie. Und machte dabei Bekanntschaft mit dem Phänomen Lichtverschmutzung. «Ich fotografierte Sternstreifen, auch, um mich mit den Funktionen der Kamera besser vertraut zu machen, und stellte dabei fest, dass das Streulicht in der Nähe von Siedlungen einem schnell einen Strich durch die Rechnung macht.»

Nach seiner Fotografieausbildung wollte Byland noch weiter gehen und in die dritte Dimension vorstossen, deshalb hängte er ein Studium Industriedesign an. «Industriedesigner beobachten den Alltag, erkennen Probleme und Herausforderungen, recherchieren, ob und welche Lösungen es dafür gibt und suchen nach einem innovativen Ansatz.» Lichtverschmutzung, lernte er in seinen Recherchen schon früher, ist mehr als ein Ärgernis für Sternfotografen und Astrologen: Sie hat einen gehörigen Einfluss auf die Tierwelt.

«Meeresschildkröten zum Beispiel schlüpfen in Mondnächten am Strand alle zur gleichen Zeit und krabbeln zum Wasser, wobei sie sich am Mondlicht orientieren. In der Nähe grösserer Städte wandern sie aber oft darauf zu statt zum Mond und verenden zu Tausenden im Strassenverkehr.»

Stadt-Motten meiden das Licht

Tatsächlich wirkt sich die Lichtverschmutzung bereits auf die Evolution aus: Der Umweltbiologe Professor Dieter Ebert von der Uni Basel hat vor wenigen Jahren in einer spektakulären Forschungsarbeit bewiesen, dass die Basler Stadt-Motten das Licht inzwischen nicht mehr sprichwörtlich suchen, sondern anders als ihre Artgenossinnen auf dem Land meiden.

«Solche Entwicklungen passieren sehr schnell, was wir beispielsweise auch bei der Antibiotika-Resistenz erfahren müssen», sagt der Experte, der dringend zur Eindämmung der Lichtverschmutzung rät. «Denn wenn die Motten in der Stadt ihr Verhalten ändern, hat das sofort Auswirkungen auf die ganze nächtliche Ökologie, beispielsweise auch auf Vögel.»

Jetzt will er das Phänomen bekämpfen. Und zwar ausgerechnet mit einer Strassenleuchte. «Es ist ein paradoxes Problem: Denn wir wollen ja mit Licht in den Städten Identität schaffen. Gleichzeitig ist aber jede neue Leuchte ein Beitrag zur Lichtverschmutzung.»

Genau das aber reizte den frischgebackenen Industriedesigner: «Ich wollte als Abschlussarbeit des Studiengangs Industriedesign an der HGK nicht einfach ein kommerzielles Produkt entwerfen, ich adressiere mit dem Leuchten-System grundsätzlich ein Umwelt-Problem.»

Vision Orion misst die Verschmutzung

«Vision Orion» heisst sein Wurf, und es ist eine ganze Leuchtenfamilie. Modular aufgebaut, kann das System verschiedene Aufgaben übernehmen: Im Leuchtenständer kann eine Sitzfläche, aber auch eine Ladestation für E-Fahrzeuge integriert werden. Oder ein Sensor, der herannahende Fussgänger erfasst und das Licht genau dann kurzfristig einschaltet, wenn ein Mensch vorbeigeht oder -fährt.

Die Kuppel mit der nach unten strahlenden Leuchte kann in verschiedenen Grössen montiert werden, bis hin zu einer Art Unterstand. Das Kernstück des Systems aber ist ein oben in die Leuchtenkuppel eingebaute Sensor-Kamera, welche die Streulichtverschmutzung senkrecht über der Leuchte misst.

Damit kann die Leuchte selbständig entscheiden, wie viel Licht sie nach unten abgeben muss: In der Nähe von Stadion- oder Denkmalbeleuchtungen beispielsweise reguliert sie sich selbständig und dimmt ihre Leuchtkraft, wenn mehr als genug Umgebungslicht vorhanden ist.

Der Sensor kann in einer smarten Stadt auch für andere zwecke und im Netzwerk aus einer Vielzahl der leuchten für wissenschaftliche Zwecke genutzt werden. Und weitere Anwendungen für das System Vision Orion sind denkbar.

Pro Helvetia hilft finanziell mit

Denn Damian Byland arbeitet weiter an seinem System: Er hat nicht nur den Abschluss mit Bravour geschafft – Vision Orion hat auch die Kulturstiftung Pro Helvetia auf den Plan gerufen, die ihn für die Weiterentwicklung mit einer Finanzhilfe unterstützt.

Das Modell der intelligenten Leuchte im Massstab 1:4 steht ausserdem jetzt im Museum der Kulturen im Rahmen der Ausstellung «Nacht – träumen oder wachen» – bis Januar 2024.

Byland hat inzwischen eine Festanstellung als Industriedesigner gefunden. Und zwar – wen wundert’s – bei einem Leuchtenhersteller.

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