Einöde unter Wasser: In unseren Bächen gibt es nur wenige Fischarten
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Artenvielfalt
Schweiz

Einöde unter Wasser: In unseren Bächen gibt es nur wenige Fischarten

28.03.2023 09:19

Baseljetzt

Eine Erhebung des Instituts Eawag zeigt auf: In den meisten Schweizer Bächen hält sich die Vielfalt in argen Grenzen. In 158 Gewässern lebt sogar eine einzige Fischart.

In vielen Schweizer Bächen gibt es nur wenige Fischarten, an 158 Standorten sogar nur eine. Die 16 sehr artenreichen Standorte sind laut einer langjährigen Erhebung des Wasserforschungsinstituts Eawag zumeist an grösseren Flüssen im Mittelland oder unweit von Seen.

Die grösste Artenzahl sei in grossen Flussstauhaltungen gefunden worden, lässt sich Projektleiter Jakob Brodersen in einer Mitteilung vom Dienstag zitieren. Das heisse aber nicht, dass diese Lebensräume besonders wertvoll seien für die Fischdiversität. Hier kämen vor allem Arten vor, die in Seen häufig seien.

Äschen und Nasen sind untervertreten

Bedrohte Arten wie Äschen oder Nasen, die grössere zusammenhängende Flusshabitate mit stärkerer Strömung benötigten, seien hingegen untervertreten oder fehlten ganz. Es sollten daher Wege gesucht werden, wie die wenigen, verbliebenen naturnahen Lebensräume dieser akut gefährdeten Arten besser geschützt werden könnten, so Brodersen.

Der Klimawandel mit hohen Wassertemperaturen und lange anhaltenden Trockenperioden wie 2022 sowie der Druck, möglichst viel Strom aus Wasserkraft zu produzieren, zeigten, wie dringend dieses Anliegen sei.

20’000 Fische und 12’000 DNA-Proben

Für das Projekt Progretto Fiumi befischten Eawag-Wissenschaftler fünf Jahre lang 324 Standorte vom Flachland bis auf über 2200 Metern Höhe. In der gross angelegten Bestandesaufnahme wurden mehr als 20’000 Fische von über 50 Arten gefangen, 12’000 DNA-Proben und über 5000 Schuppenproben wurden für weiterführende Untersuchungen archiviert. Sämtliche erhobenen Daten sind in einer frei zugänglichen Referenzdatenbank gespeichert.

Um die Artenvielfalt vollständig zu erfassen und Veränderungen früh zu erkennen, braucht es laut dem Forscher neben der Bestimmung der Arten am Fluss auch Expertinnen und Experten mit vertieften Artkenntnissen und eine Kombination von Bestimmungen über äusserliche Merkmalen und mit genetischen Methoden. Oft zeige erst die Kombination mit genetischen Analysen, wie sich etwa durch Anpassung an unterschiedliche Lebensräume auch innerhalb einzelner Arten eine grosse Vielfalt entwickelt habe.

Forellen im Flüsschen Bioleyre

Als Beispiel nennt der Forscher das Flüsschen Bioleyre im Kanton Waadt. Hier schwimmen im Ober- und im Unterlauf zwei ganz unterschiedliche Forellen. Im mittleren Abschnitt kommen sie sogar zusammen vor, bleiben aber weitestgehend unter sich. Ob das eine Folge einer Spezialisierung auf unterschiedliche Nahrung ist oder andere Gründe hat, muss nun näher untersucht werden.

Wie die kürzlich publizierte Rote Liste der Fische und Rundmäuler, zeigte auch das Progetto Fium», wie stark die in der Schweiz bekannten Forellenarten unter Druck stehen. Ausgenommen ist nur die Atlantische Forelle. Ursprünglich nur im Aare/Rhein- und im Genfersee-Einzugsgebiet heimisch, wurde sie an vielen anderen Orten ausgesetzt und ist heute in der ganzen Schweiz verbreitet. Die norditalienische Bachforelle dagegen ist vom Aussterben bedroht.

Während die Forellenarten aus fünf verschiedenen evolutionären Linien schon bekannt waren, haben die Forschenden im Progetto Fiumi auch in anderen Gattungen, wie bei den Groppen, Schmerlen und Elritzen, mehr Arten gefunden, als sie erwartet haben. Deren exakte Klassifizierung wird allerdings noch Zeit in Anspruch nehmen.

Über 50 Fischarten erfasst

In der Bestandesaufnahme wurden in Schweizer Bächen über 50 Fischarten erfasst. Erstmals wurde auch bei Kleinfischen wie der Groppe mehr als eine Art identifiziert.

Gerade mal zwei Zentimeter mass der kleinste Stichling, der inventarisiert wurde. 70 mal länger, über 140 Zentimeter lang, war dagegen ein Wels aus dem Rhein. Noch riesiger wird die Spanne, wenn man auf die Waage schaut: Den fast 50 Kilogramm des Wels stehen 0,01 Gramm einer Karpfenlarve gegenüber. Das entspricht einem Verhältnis von eins zu fünf Millionen. (sda/mal)

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