Erfolgsautor Sebastian Fitzek: «Jeder, der diese Gabe hat, sollte sein Talent nutzen»
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Meister der Psychothriller
Kultur

Erfolgsautor Sebastian Fitzek: «Jeder, der diese Gabe hat, sollte sein Talent nutzen»

12.09.2024 18:36 - update 25.03.2025 15:06
Jennifer Weber

Jennifer Weber

Sebastian Fitzek (52) ist der Meister der Psychothriller. In seinen Büchern beleuchtet er die dunkelsten Ecken der menschlichen Psyche. Im Dezember tritt der Deutsche in der Joggelihalle auf. Wir haben den Star-Autor zum grossen Interview getroffen.

«Die Therapie», «Das Paket», «Der Insasse» und «Achtnacht». Alle, die gerne Krimis und Thriller lesen, kommen um diesen Autor nicht herum: Sebastian Fitzek. Seine Bücher sind nichts für schwache Nerven und an Spannung kaum zu übertreffen. Seine Werke sind geprägt von Plottwists und tauchen in die Abgründe der menschlichen Psyche ein.

Sebastian Fitzek

Sebastian Fitzek wurde 1971 in West-Berlin geboren. Seit 2006 schreibt er Psychothriller. Fitzek ist Deutschlands erfolgreichster und meistverkaufter Autor. Seine Bücher erscheinen in 36 Ländern und sind Vorlage für internationale Kinoverfilmungen und Theateradaptionen. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.

Grosse Arena-Tour macht Halt in Basel

Im Dezember stattet der Bestseller-Autor Basel einen Besuch ab. «Die grösste Thriller Tour der Welt» macht am 6. Dezember Halt in der St. Jakobshalle. Auf der Tour präsentiert der 52-Jährige «den gruseligsten Adventskalender, den es je gab», wie es in der Pressemitteilung zur Tour heisst. Enthüllt wird dieser Adventskalender auf einer 360-Grad-Bühne. Dabei wird auch Fitzeks neustes Werk «Das Kalendermädchen», das am 23. Oktober 2024 erscheint, im Zentrum stehen.

Baseljetzt hat Sebastian Fitzek zum Interview getroffen und mit ihm über die bevorstehende Arena-Tour, Gewalt und Brutalität in seinen Büchern und deren Grenzen sowie Schreiben als Ventil gesprochen.

Baseljetzt: Sie kommen im Dezember im Rahmen Ihrer Thriller-Arena-Tour nach Basel. Was erwartet die Besucher:innen da? Können Sie ein bisschen was verraten?

Sebastian Fitzek: Es ist eine Mischung aus Konzert, Lesung und Stand-Up, aber im Grunde erstmal eine Show. Das Geniale dabei ist, wie ich finde, es ist trotzdem eine Lesung. Und mich fasziniert, dass so viele Menschen Interesse am Medium Buch haben – nicht nur an meinen Büchern. Wir werden da gemeinsam, wie ich hoffe, eine grosse Buch-Party feiern, in der Geschichten im Mittelpunkt stehen, so wie in meinem Buch «Das Kalendermädchen», aus dem ich lese. Unglaubliche, aber wahre Geschichten und auch glaubhafte Lügen. Davon werde ich einige erzählen und vielleicht werden wir am Ende des Abends zusammen auch den Unterschied herausfinden, ob uns jemand einen Bären aufbinden will oder ob das unglaublich, aber wahr ist… Ich werde von der besten A-cappella-Band der Welt begleitet, von Naturally 7. Sie liefern den Soundtrack, während ich lese. Das wird ein akustisches und interaktives Spektakel – ein schwer zu beschreibendes, wie man gerade merkt.

Mit dieser Arena-Tour füllen Sie die grossen Hallen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wie ist das für Sie, auf solch grossen Bühnen zu stehen? Als Autor ist man es sich ja wahrscheinlich eher gewohnt, alleine im stillen Kämmerlein zu arbeiten…

Das hat sich zum Glück entwickelt. Wenn ich jetzt gleich mit meinem ersten Buch vor so vielen Leute hätte auftreten müssen, wäre das wahrscheinlich komplett in die Hosen gegangen. Ich hätte auch viel zu grosse Angst davor gehabt. Jetzt bin ich nur sehr, sehr nervös – natürlich. Ich habe aber Unterstützung. Es ist ja keine One-Man-Show. Auch wenn ich da alleine zusammen mit der Band auf der Bühne stehe, sind es mittlerweile acht Trucks, die mit Technik vollgepackt sind, und zwei Nightliner, in welchen die ganze Crew mitfährt. Ich fühle mich sicher und aufgehoben. Und es gibt keine bessere Community als die Buch-Community, von der ich weiss, dass sie erstmal grundsätzlich positiv ist und gerne Geschichten hören will. Bei meiner ersten Lesung waren fünf Menschen dabei – und das ist kein Witz, davon waren drei in der Buchhandlung angestellt –, jetzt werden insgesamt mehr als 155’000 Leute die Lese-Show besuchen. Das hat sich über 20 Jahre lang entwickelt.

Sie haben einen grossen Output, Sie veröffentlichen etwa ein, zwei Bücher pro Jahr. Wie geht das überhaupt?

Ich fände es viel schwieriger für mich, ein, zwei perfekte Tische im Jahr zu schreinern oder sonst etwas Handwerkliches zu machen, weil das für mich wahnsinnig anstrengend ist. Ich bewundere Handwerker und das Handwerk, weil ich das persönlich nicht kann – ich habe zwei linke Hände. Aber ich hab das Glück gehabt, dass mir die Leidenschaft, Geschichten zu erzählen, in die Wiege gelegt wurde. Sobald man anfängt, sich für eine Sache zu interessieren, warten überall Geschichten und Menschen. Jeder Mensch kann eine Geschichte erzählen und ich mag es, wenn Menschen sich mir öffnen. Es ist eine grosse Leidenschaft da und ich würde auch schreiben, wenn ich nicht erfolgreich wäre. So fängt übrigens jede:r Autor:in an. Keiner bekommt Geld dafür, dass er:sie sein Debüt schreibt. Man schreibt das eher in der Hoffnung, dass es auch jemand anderen interessiert. Das war bei mir zum Glück der Fall. Schreiben ist ein Hobby, das ich zum Beruf machen konnte. Ich glaube, jeder, der diese Gabe hat, hat auch ein bisschen die Verpflichtung, sein Talent zu nutzen.

Sie schreiben nicht nur Krimis. Warum sind Sie auch zu anderen Genres gewechselt?

Ich glaube, wenn man Schreiben ernsthaft betreibt, dass sich diese Frage gar nicht stellt. Weil man sich als Autor – klingt esoterisch, ist es aber gar nicht – nicht für ein bestimmtes Genre entscheiden kann. Ich kann mich jetzt nicht hinsetzen und sagen: Morgen schreibe ich einen Science-Fiction-Western, falls es so etwas überhaupt gibt, oder: Jetzt sind Zauberromane gerade in, jetzt schreibe ich einen Zauberroman. Es funktioniert genau andersherum. Man spürt eine Geschichte in sich und diese drängt einen quasi an den Schreibtisch. Das kann ein Thriller sein, das kann eine Komödie sein. Ich kann auch nicht ausschliessen, dass bei mir irgendwann vielleicht ein historischer Roman entsteht. Aber nicht, weil ich sage: Ach Mensch, das wäre doch jetzt mal eine Marktlücke, sondern weil ich auf einmal einen Zugang zu diesem Thema habe und irgendetwas dazu in mir nach draussen will. Ein Funke, von dem ich hoffe, dass er überspringt.

Sie wirken sehr umgänglich und gesellig – und gar nicht so «düster» oder eigenartig, …

«Eigenartig» ist gut! (lacht)

…wie man sich das vielleicht vorstellen würde von jemandem, der solche Bücher schreibt. Wer, oder auch wie, ist Sebastian Fitzek privat?

Ein guter Schauspieler! (lacht)

Muss ich jetzt Angst haben?

Eher nicht. Eine Psychologin meinte mal bei einer Lesung in Wien, wir müssten eher Angst haben vor Leuten, die keine Krimis und Thriller lesen oder schreiben, weil sie kein Ventil haben. Wir alle haben Ängste in uns und gehen auf unterschiedliche Art und Weise mit ihnen um. Sehr viele Menschen eben dadurch, dass sie eine Achterbahnfahrt absolvieren – jetzt nicht eine reale, sondern eine literarische Achterbahnfahrt. Wir wissen, wir sind sicher, aber trotzdem beschäftigen wir uns mit dem Tabuthema Tod. Ich glaube, dass ich vielleicht deswegen so gesellig und umgänglich bin und sein kann, weil ich meine Ängste strukturiert habe – die Ängste, die ich auch als Familienvater kenne. Ich schreib mir meine Albträume von der Seele, ich stülpe sie anderen über, die dann damit klarkommen müssen. Ich selbst kann dann entspannt und ausgeglichen durchs Leben gehen. Schreiben ist für mich zwar nicht Therapie, aber ein Ventil. Und den Lesern geht es genauso.

In ihren Büchern geht es brutal zu und her, mit krassen und kranken Figuren: Gibt es etwas, worüber Sie niemals schreiben würden? Wo ziehen Sie Grenzen?

Die Grenze wird immer durch die Geschichte selbst und die Notwendigkeit innerhalb der Geschichte gezogen. Es gibt erstmal überhaupt kein Tabuthema. Aber es gibt einen Lackmus-Test, der für mich relevant ist. Sexueller Missbrauch, häusliche Gewalt, Kindesmisshandlungen. Das sind leider Massendelikte, die schon aus dem Grunde für mich als Familienmensch sehr relevant sind. Relevanter als der Mord an einer Millionärs-Gattin in einem Hamburger Vorort. Der genauso tragisch ist, aber glücklicherweise nicht so häufig vorkommt. Und wenn es gerade beim Thema häusliche Gewalt oder ähnlichem darum geht, dass man hingucken und nicht weggucken soll, dass man den Opfern zur Seite stehen soll. Opfer sind bei mir immer Mittelpunkt meiner Geschichten, und nicht die Täter. Dann finde ich es wichtig, dass man Tabuthemen eben nicht ausgrenzt. Aber: In meinem Buch «Der Heimweg», das als sehr brutal empfunden wird, wenn man genau liest, hört die Szene auf, bevor die explizite Gewalt beginnt, und sie geht weiter, wenn die Gewalthandlung vollzogen wurde. Ich halte nicht die «Kamera» direkt drauf, weil es an dieser Stelle nicht notwendig ist.

Sie müssen also nicht jede Szene im Detail beschreiben?

Ich muss eine Vergewaltigung beispielsweise nicht bis ins kleinste Detail beschreiben. Auf der anderen Seite kann es manchmal notwendig sein, eine gewaltsame Darstellung explizit darzustellen. Aber nicht, um den Blutdurst zu befriedigen, sondern um das Thema des Romans zu verdeutlichen. Das möchte ich kurz erläutern: Bei meinem allerersten Buch «Die Therapie» schildert eine Patientin ihrem Psychiater, dass sie als Kind ihren Hund auf relativ grausame Art und Weise getötet hat. Das wird sehr explizit beschrieben. Was viele Tierfreunde – ich selbst bin Mitglied im Tierschutzverein und habe damals Tiermedizin studiert – auf die Palme gebracht hat. Sie haben dann gar nicht mehr weitergelesen. Hätten sie das getan, hätten sie gemerkt, dass die Frau dann als nächstes sagt (Anm. d. Red.: Achtung, Spoiler): «Das Schlimme daran war aber nicht, dass ich meinen Hund umgebracht habe, sondern dass ich zehn Jahre später in der Therapie merkte, dass ich nie einen Hund hatte.»

Es hat also alles nur in ihrem Kopf stattgefunden…

Genau. Ich musste das so darstellen, weil ich die Geisel der Krankheit Schizophrenie beschreiben wollte. Wie schlimm es ist, Wahnvorstellungen zu haben und den eigenen Lebenswert nicht zu erkennen. Weil man denkt: Oh Gott, ich bin ein schlechter Mensch, ich habe meinen Hund getötet, den es aber eigentlich gar nicht gibt. Und um das zu verdeutlichen, habe ich diese Gewaltdarstellung so ausführlich beschrieben. Damit klar wird, was das für eine Geisel ist, wenn man über Jahrzehnte mit diesen Bildern im Kopf, die es eigentlich gar nicht gegeben hat, leben muss. Das Ganze ist ein wahres Erlebnis aus dem Tagebuch von Lori Schiller, einer Schizophrenen, was es auch als Buch gibt. Ich habe es eins zu eins als Zitat übernommen. Aber ich greife mir hier nicht ein Thema raus, weil es gerade «en vogue» ist oder weil ich glaube, dass man damit eine gute Auflage erreicht.

Wie schaffen Sie es, dass jedes ihrer Bücher ein Bestseller wird? Haben Sie ein Geheimrezept?

(lacht) Nun muss man erstmal sagen: Das grosse Wunder, beziehungsweise die grosse Frage ist nach wie vor: Wie konnte mein erstes Buch so erfolgreich werden? Es kannte mich keiner, es gab kein Marketing-Etat, es gab keine Presseinterviews, es gab keine Autogrammkarten, es gab nicht einmal eine Lesung dazu. Es wurde in einer ganz kleinen Auflage gedruckt. Dass es dann doch ein Erfolg wurde, ist natürlich ein grosses Glück. Der Erfolg ist gewachsen und er ist nicht durch einen Hype entstanden. Es ist eine treue Leserschaft daraus entstanden, die bis heute geblieben ist und entsprechend auch meine Anfänge kennt. Etwas später hat natürlich jede:r erfolgreiche Autor:in einen Vorschussbonus, einen Vertrauensvorschuss. Deswegen wird beim Film auch mit bekannten Namen geworben, damit man sagt: Okay, wenn der da mitspielt, ist es vielleicht ein Qualitäts-Gütesiegel, und dann gehe ich da eher rein, als wenn das eine komplett unbekannte Besetzung ist. Das trägt einen aber immer nur übers Startwochenende.

Welches Rezept trägt Sie über dieses Startwochenende hinaus?

Wenn die Leute merken, das ist nicht gut, mir hat es nicht gefallen, dann ist man vielleicht ein, zwei Wochen in der Bestseller-Liste. Aber dann fliegt man ganz schnell raus. Ich glaube, mein Rezept ist, dass ich mich vor jedem Buch frage: Wenn ich nur noch ein Buch schreiben dürfte, welches wäre es? Ich glaube, das ist ein ganz guter Test, um herauszufinden, für welche Idee man ein Strohfeuer hat und für welche Idee man wirklich brennt.

Ist das auch etwas, was Sie als Tipp weitergeben würden?

Ja. Wenn du zwei Ansätze für ein Buch hast und du dürftest nur noch eine verwirklichen, welche wäre das? Dann wähl diese aus. Es ist völlig egal, wenn jemand sagt, dass das keiner lesen will. Bei mir haben auch alle gesagt: Psychothriller, die in Deutschland spielen, will keiner haben. Das ist egal. Ich glaube, Leserinnen und Leser sind unglaublich klug und merken, wenn jemandem etwas am Herzen liegt und er oder sie dieses Buch schreiben wollte. Dann interessiert man sich auf einmal auch für Themen, die man nicht auf dem Schirm hatte. Ich wollte nie 20 Seiten über Meereswürmer lesen. Aber «Der Schwarm» war so genial, dass ich das alles durchgelesen habe. Ich wollte nie fünf Seiten Ikea-Abhandlungen lesen. Aber der zweite Band von Stieg Larssons Millenium-Trilogie, wo Lisbeth Salander bei Ikea einkauft… Das hätte jeder Lektor normalerweise rausgestrichen. Aber ich fand’s spannend, weil ich die Figur so spannend fand.

Sie haben schon viele Bücher geschrieben. Gehen Ihnen da nicht langsam die Ideen aus? Haben Sie Angst davor?

Ich glaube, nein. Ich habe wirklich keine Angst davor. Weil ein gutes Buch immer mit den handelnden Figuren, sprich mit Menschen, steht und fällt. Auch mit Plottwists, mit Ausgangssituationen, mit Action, mit Handlungen. Da mag vielleicht jede Geschichte schon, wie manchmal gemunkelt wird, erzählt sein, vielleicht auch schon seit Jahrhunderten, und Erzählstrukturen wiederholen sich. Was sich aber nicht wiederholt und was nicht «zu Ende erzählt» ist, sind Menschen. Jeder neue Mensch auf Erden trägt auch eine Geschichte in sich und Erlebnisse, die es wert sind, erzählt zu werden. So lange die Menschen nicht aussterben, werden auch die Geschichten nicht aussterben. Insofern glaube ich, dass das noch eine ganze Weile Früchte trägt.

Sie sind auch erfolgreich auf Social Media unterwegs, auf Instagram beispielsweise haben Sie über 250’000 Follower und posten da regelmässig. Machen Sie das selbst oder haben Sie ein Team? Und macht Ihnen das Spass?

Ich gestalte alle Inhalte selbst, aber ich habe ein Team. Mit anderen Worten: Vorgestern hat mich Sally, die bei mir im Team für Social Media zuständig ist, darauf aufmerksam gemacht, dass auf Tiktok jemand geschrieben hat: «Fitzek? Ich dachte, der ist Baujahr 1840 und längst tot.» Und daraufhin habe ich ein Video aufgenommen und gesagt: «Wegen meiner Tränensäcke könnte es vielleicht 1840 sein. Ansonsten gibt es dezente Hinweise in meinen Büchern, dass ich noch lebe und zumindest nicht Baujahr 1840 bin. Einige meiner Figuren haben auch Handys. Also ja, tut mir leid, ich lebe noch.» Das Video hat jetzt 700’000 Aufrufe bei Tiktok. Ich habe das Video Sally geschickt, sie hat es bearbeitet und «hochgeschickt». Das heisst also, alle Inhalte, alle Texte, alle Ideen kommen von mir. Aber ich bin, wie schon gesagt, handwerklich unbegabt und habe auch nicht die Musse, mich daran zu setzen. Ich habe grosse Unterstützung und kann mich auch hier, wie beim Bücher Schreiben, auf die Kreativität konzentrieren.

Was würden Sie jungen, angehenden Autor:innen raten, die gerne beginnen möchten, Bücher zu schreiben?

Das klingt banal, ist aber sehr schwierig: Dieses Buch einfach zu schreiben. Das erste Buch ist ein bisschen wie Fahrrad fahren. Da muss man sich irgendwann drauf setzen und losfahren. Man hat vielleicht noch ein paar Stützräder oder jemanden, der hilft und einen hält. Es nützt nichts, Seminare übers Fahrradfahren zu besuchen, es nützt nichts, Bücher und theoretische Abhandlungen übers Fahrradfahren zu lesen und sich Videos und Tutorials reinzuziehen. Man muss erstmals selbst ins kalte Wasser springen. Wenn man das gemacht hat, hat man in der Regel alle Anfängerfehler dieser Welt gemacht. Das ist hilfreich und wichtig. Von diesem Zeitpunkt an muss man einen Willen zur Überarbeitung haben.

Was sollte man nicht tun?

Was man nicht machen darf, ist, sich – wie ich – grössenwahnsinnig zurückzulehnen und zu sagen: So, ich habe jetzt ein Buch fertig geschrieben. Allein die Tatsache, dass es jetzt fertig ist, macht einen ja quasi selbst von sich besoffen. Man schickt es dann an alle Verlage. Das ist wirklich genau so, als wenn ich ein Mal aufs Tor schiesse und merke, ich habe einen ordentlichen «Wumms» drauf und am nächsten Tag klingle ich bei Bayern München und frage, wann sie mich in der Ersten Bundesliga in der Start-Elf aufstellen. Ich habe mich bei allen «ersten Bundesliga-Verlagen» beworben mit meinem ersten «Schuss». Das kann nicht gut gehen. Es sei denn, man ist ein Genie – das kann natürlich auch sein.

…und wenn man kein Genie ist?

Wenn man kein Genie ist – so wie ich – muss man den Willen zur Überarbeitung haben. Und dann lohnt sich alles: jedes Seminar, jedes Buch über das Schreiben, jedes Gespräch mit anderen Autoren und Autorinnen, jeder Online-Kurs – egal was. Denn auf einmal merkt man: Stimmt, an dem Punkt war ich auch, da habe ich Schwierigkeiten gehabt, da wusste ich nicht, wie es weitergeht. Oder: Ja genau, da habe ich es auch intuitiv so gemacht. Man versteht es auf einmal. So wie man sich durch Seminare und Trainings übers Rennfahren hinaufarbeiten kann, um besser Fahrrad zu fahren. Aber den allerersten Schritt – und das ist der schwierigste – nimmt dir keiner ab: Den Mut, zu beginnen, und auch den Mut, es dann anderen zum Lesen zu geben. Das ist ganz, ganz, ganz wichtig! Hemingway hat gesagt: Der erste Entwurf ist immer Mist. Und er hat recht. Ich brauche heute mindestens vier Entwürfe. Mein erstes Buch «Die Therapie» hatte sieben Fassungen, bevor ein Verlag es angenommen hat. Und erst dann haben wir angefangen, mit einem Lektorat zu arbeiten. Der Unterschied zwischen einem mittelmässigen und einem guten Buch liegt immer in der Überarbeitung.

Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie nicht erfolgreich Bücher schreiben würden?

Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder ich wäre beim Radio geblieben. Ich wollte ja eigentlich Musiker werden und habe mich überall beworben, was mit Musik zu tun hat, weil ich gemerkt habe, dass ich auf der Bühne als Schlagzeuger nicht genug Talent habe. Ich wollte deshalb hinter den Kulissen arbeiten, bei Plattenfirmen oder Konzertagenturen. Ich habe aber nirgendwo ein Praktikum bekommen. Ausser bei einem Musiksender in Berlin. Da habe ich mich festgebissen. Es hat mir unglaublich Spass gemacht. Gemessen an meinen Lebenszielen bin ich ja ein relativer Versager. Ich bin weder Tierarzt, noch Strafverteidiger, noch Musiker geworden. All das, was ich nicht so auf dem Schirm hatte, wie beispielsweise Autor oder Radiojournalist zu werden, waren Welten, die sich mir zufällig eröffnet haben, die aber unglaublich toll sind.

Ist eine gewisse Naivität manchmal auch hilfreich?

Ja, eine gewisse Naivität kann auch echt sehr hilfreich sein. Das möchte ich allen sagen: Nicht zu viel bedenken, sondern ausprobieren und naiv rangehen. Ich würde entweder beim Radio weiterarbeiten, wo ich später auch noch in der Programmredaktion gearbeitet habe, oder wieder Jura studieren, weil es mein grosser Traum war, irgendwann Strafverteidiger zu werden. Aber ich glaube, ich möchte diesen Figuren, die ich verteidigen müsste, doch lieber auf dem Papier begegnen als in der Realität. Vielleicht sticht mich noch einmal der Hafer und ich sage: Okay, ich mache mein zweites Staatsexamen und werde Strafverteidiger. Allein schon, um zu testen, wer so verrückt ist, sich von mir verteidigen lassen zu wollen… (lacht)

Da gibt es bestimmt einige…

…und die bringen dann bestimmt wieder guten Stoff für neue Bücher mit.

Sebastian Fitzek war auch im punkt6 thema von Telebasel zu Gast. Hier kannst du die ganze Sendung sehen.

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12.09.2024 18:36

Sensifer

📚

0 0
12.09.2024 18:21

Sonnenliebe

Nicht mein Genre Literatur…

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