
Erschwerter Zugang zum Zivildienst hätte für Basler Sozialbetriebe drastische Folgen
Giulia Ballmer
Der Schweizer Zivilschutz und die Armee haben starken Personalmangel. Deshalb soll sich der Zivilschutz künftig beim Zivildienst bedienen können. Basler Sozialbetriebe wehren sich und befürchten das Schlimmste.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bund will den Zugang zum Zivildienst erschweren, um Personalmangel in Armee und Zivilschutz zu beheben
- Basler Sozialbetriebe wie die Schweizer Tafel, das Adullam Spital oder das Bürgerspital warnen vor massiven Folgen, da sie stark von Zivildienstleistenden abhängig sind
- Ohne Zivis würden Kosten steigen und Fachkräfte zusätzlich belastet
Das Militär, der Zivilschutz oder der Zivildienst sind wichtige Bestandteile des Schweizer Dienstpflichtsystems. Wer keinen Militärdienst absolvieren möchte, oder militäruntauglich ist, kann stattdessen Zivildienst oder Zivilschutz leisten. Wer nicht leistet, muss eine jährliche Ersatzabgabe zahlen.
Zivildienst ist sehr beliebt
Seit 1996 können Männer, die militärpflichttauglich sind, aber den Militärdienst ablehnen, Zivildienst als Alternative leisten. Über 70 Prozent der Männer mit Schweizer Staatsangehörigkeit sind militärtauglich. Bis ins Jahr 2009 mussten Männer, die militärpflichttauglich sind und in den Zivildienst gingen, ihren Entscheid begründen und bestätigt erhalten. Danach war das allerdings nicht mehr nötig. In diesem Jahr stiegen die Zulassungszahlen für den Zivildienst rasant: von 1’600 im Jahr 2008 auf 6’720 im Jahr darauf.
Obwohl die Dienstpflicht 1,5-mal länger ist als der Militärdienst, finden viele Dienstpflichtige den Zivildienst dennoch attraktiver: Eine vom Bund in Auftrag gegebene und 2024 publizierte anonyme Befragung von Dienstpflichtigen zeigt, dass die Sorge der Verpflichtung zum Weitermachen unter ebendiesen gross ist.
Zivilschutz im Personalloch
Im Zivilschutz sehen die Zahlen auch nicht besser aus. Vor zehn Jahren legte der Bund die Zielgrösse auf rund 72’000 Angehörige fest. Im vergangenen Jahr, Anfang 2024, waren jedoch nur etwa 60’000 Personen im Einsatz.
Der Bund möchte den Zugang zum Zivildienst erschweren und somit die Personalmängel im Zivilschutz und in der Armee beheben.
Auch soll eine Gesetzesänderung des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes (BZG) dazu beitragen. Die neue Revision will die Schutzdienstpflicht ausweiten. Wer bis zum 25. Lebensjahr keine Rekrutenschule gemacht hat und aus der Armee entlassen wird, soll künftig in den Zivilschutz wechseln müssen. Auch Personen, die die Rekrutenschule abgeschlossen haben, aber später dienstuntauglich werden, sollen schutzdienstpflichtig werden – sofern sie noch mindestens 80 Diensttage offen haben. Ab 2026 sollen diese Änderungen gelten.
Zivilschutz versus Zivildienst
Sie klingen im ersten Moment ähnlich, sind aber zwei verschiedene Dienste mit unterschiedlichen Aufgaben.
- Zivilschutz: Militäruntaugliche Personen, die aber für den Zivilschutz tauglich sind, leisten Zivilschutz.
- Aufgaben im Zivilschutz: Zivilschutzkräfte unterstützen die Behörden bei Grossereignissen und Katastrophen.
- Zivildienst: Militärdiensttaugliche Personen, die den Militärdienst aber aus persönlichen Gründen ablehnen.
- Aufgaben im Zivildienst: Zivildienstleistende tragen zur Gemeinschaft bei, indem sie in Bereichen wie Gesundheit, Bildung oder Umweltschutz tätig sind.
Zivildienstleistende sind für regionale Betriebe wichtig
Bei gewissen Betrieben in der Region Basel sorgt der Entscheid des Bundes für Kritik, zum Beispiel bei der Schweizer Tafel. Sie benötigen pro Tag etwa 12 Personen, die Lebensmittel an Bedürftige verteilen. Das sei vor allem die Aufgabe von «Zivis», also Männern, die den Zivildienst absolvieren. «Wir sind fast zu 100 Prozent von den Zivis abhängig», erklärt der Geschäftsführer der Schweizer Tafel, Marc Ingold, gegenüber Baseljetzt. Er betont den grösseren Kostenaufwand ohne die Zivildienstleistenden: «Wenn wir die Zivis mit Festangestellte ersetzen müssen, würde uns das im Jahr rund 2,8 Millionen Franken kosten.»
Neben der Schweizer Tafel wäre auch das Adullam Spital und Pflegezentrum ohne die Zivis stark belastet. Das System würde zwar nicht zusammenbrechen, aber die Fachkräfte müssten sich umorganisieren: «Die Zivildienstleistenden entlasten unsere Fachkräfte, die schon sehr belastet sind», meint der Chef Services Officer Ian Braams. Genauso wenig erfreut wäre das Bürgerspital Basel, bei dem man die jungen Leute sehr schätze.
Till leistet seinen Zivildienst im Bürgerspital Basel. Er habe sich extra für diesen Weg entschieden und hält eine Rekrutierung in den Zivilschutz nicht für angemessen: «Ich finde es wichtig, dass man sich im Zivildienst beruflich weiterentwickeln kann», so der junge Mann gegenüber Baseljetzt.
Welche Zivildienstleistenden von der Änderung betroffen sind und auch Zivilschutz leisten müssen, entscheiden die Eidgenössischen Räte in Bundesbern noch im Rahmen der Vernehmlassung. Wie es für die betroffenen Sozialbetriebe dann weitergeht, ist ebenfalls noch offen.
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Hoschi
Das wäre gar nicht gut, da viele auf die Zivis angewiesen sind, die sozialen Institutionen brauchen diese Unterstützung.
skywings2
Wird der Zivildienst reduziert werden sehr viele Institutionen aufgeben müssen, weil sie das fehlende Personal vom Zvivildienst nicht finanzieren können. Das wissen alle. Welche Taktik steckt also dahinter ?