Ex-Kaderplaner des FCB über gescheiterte Neuzugänge, Osnabrück und Heiko Vogel
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Philipp Kaufmann
FCB

Ex-Kaderplaner des FCB über gescheiterte Neuzugänge, Osnabrück und Heiko Vogel

17.04.2024 06:28 - update 17.04.2024 09:33

Rotblau

Bis 2023 war Philipp Kaufmann Kaderplaner beim FC Basel. Im grossen Interview spricht der neue Sportchef des VfL Osnabrück über die Transferstrategie des FCB, gescheiterte Neuzugänge und über Heiko Vogel.

Rotblau: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Job beim VfL Osnabrück. Wie geht es Ihnen?

Philipp Kaufmann: Mir geht es sehr gut. Ich bin hier sehr offen und unterstützend aufgenommen worden. Auch nach der vierten Woche gibt es noch viele spannende neue Eindrücke und Menschen, die man kennenlernt.

Anfang 2023 wurden Sie beim FCB überraschend entlassen. In den sozialen Medien war zu sehen, dass Sie seitdem viel unterwegs waren. Konnten Sie die neu gewonnene Freizeit gut nutzen?

Ja, es war ein bedeutendes Jahr für mich, in dem ich meine sechsjährige Tätigkeit beim FCB reflektiert und andere Vereine besucht habe. Gegen Ende 2023 begannen sich dann verschiedene Möglichkeiten für eine neue berufliche Tätigkeit zu eröffnen.

Beim FCB hat man Sie zum ersten Mal wahrgenommen, als Sie 2021 als Kaderplaner vorgestellt wurden. Ihre Zeit bei Rotblau begann aber schon viel früher.

Das ist richtig. Nachdem ich sechs Jahre lang im Nachwuchs des FCB gespielt hatte, entschied ich mich für ein Sportmanagement-Studium, weil mir die Qualität zum Profifussballer fehlte. Durch ein Praktikum beim FCB eröffnete sich nach dem Studium die Möglichkeit einer Festanstellung. So begann ich 2017 als Assistenztrainer im Nachwuchsleistungszentrum und rutschte dann in das Team von Sportchef Marco Streller. Mit dem Besitzerwechsel im Jahr 2021 erhielt ich schliesslich das Vertrauen von David Degen und seiner Crew, künftig als Kaderplaner zu agieren.

Nach aussen wirken Sie eher ruhig. Wie kommt man da mit David Degen aus?

David ist ein impulsiver und aktiver Mensch, aber auf eine sehr positive Art. So haben wir uns in dieser Konstellation sehr gut ergänzt. Meiner Meinung nach muss ein Sportchef nicht unbedingt extrovertiert sein, jede Persönlichkeitsstruktur bringt ihre Vor- und Nachteile mit sich. Ich für meinen Teil versuche, mit meiner reflektierten und strukturierten Art die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Mit Ihrem Engagement als Sportchef begann beim FCB auch eine neue Transferstrategie. Man setzte vermehrt auf junge Spieler aus dem Ausland. War der eigene Nachwuchs damals nicht gut genug?

Unter Bernhard Burgener war die Mannschaft stark auf den eigenen Nachwuchs ausgerichtet. Dadurch konnten viele Spieler mit relativ geringen Hürden den Sprung in die erste Mannschaft schaffen. Entscheidend ist aber, dass man sich diesen Schritt mit Qualität verdient. Nach unserer Analyse mussten wir feststellen, dass die damaligen Jahrgänge nicht die nötige Qualität aufwiesen, um den Erwartungen und langfristigen Zielen der ersten Mannschaft gerecht zu werden.

Wie beurteilen Sie rückblickend Ihre erste Saison als Kaderplaner beim FCB, insbesondere angesichts der Kritik von Fans und Experten an der Transferstrategie und den sportlichen Leistungen?

Man muss immer die Rahmenbedingungen berücksichtigen, auch die finanziellen. Der Besitzerwechsel im Mai 2021 ging schnell über die Bühne und der damalige Verwaltungsrat kommunizierte schnell, dass der Club in Zukunft mit einem geringeren Budget auskommen muss. Unter diesen Umständen gelang es uns, mit Leihspielern günstig zu handeln und eine konkurrenzfähige Mannschaft zusammenzustellen. Nicht alle Transfers waren erfolgreich, aber wir hatten einen guten Start mit einer erfolgreichen Hinrunde. Im Winter konnten wir allerdings die bedeutenden Abgänge von Cömert, Cabral und Zhegrova nicht optimal kompensieren. Im Nachhinein gibt es sicherlich Dinge, die ich anders angehen würde.

Können Sie näher erläutern, was Sie anders machen würden?

Dazu muss ich sagen, dass wir mit Cabral einen Spieler verloren haben, der damals eine hervorragende Hinrunde gespielt hat und leider nicht adäquat ersetzt wurde. Der Zeitpunkt war natürlich auch ungünstig. Zudem haben wir mit Edon Zhegrova einen weiteren herausragenden Spieler in einer wichtigen Phase der Saison verloren. Es war aber auch finanziell wichtig, Transfererlöse zu erzielen, aber vielleicht hätten wir den einen oder anderen Spieler noch behalten sollen.

Obwohl die Nachfrage nach Arthur Cabral schon im Sommer gross war, war der Verein nicht auf seinen Abgang vorbereitet. Warum war das so?

Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir in der damaligen Winterpause auf der Stürmerposition am besten vorbereitet waren. Leider kann sich im Fussball innerhalb kurzer Zeit viel ändern und so kamen wir von einer super Vorbereitung in eine sehr hektische Schlussphase. Als Cabral uns verliess, war es bereits Ende Januar, also kurz vor Transferschluss. Die Optionen, die wir bis dahin geprüft hatten, waren plötzlich aufgrund verschiedener äusserer Faktoren nicht mehr möglich. Wir waren auf einmal in der Situation, dass wir uns innerhalb weniger Tage entscheiden mussten, und so kam es dann, wie es kam.

Damals gab es auch ein Gerücht um Jean-Philippe Mateta, der inzwischen laut transfermarkt.ch einen Marktwert von zehn Millionen hat. Können Sie etwas zu diesem Gerücht sagen?

Ich habe Mateta persönlich in London getroffen und er wäre auch bereit gewesen, zum FCB zu wechseln. Aber wie gesagt, schreibt der Fussball manchmal seine eigenen Gesetze. Er hatte die Chance, bei Crystal Palace Stammspieler zu werden, nutzte sie und entschied sich, in der Premier League zu bleiben. Zu Recht!

Gibt es einen Spieler, den Sie gerne nach Basel geholt hätten?

Da fällt mir spontan Destiny Udogie ein. Wir waren uns mit seinem damaligen Arbeitgeber Hellas Verona bereits einig. Der Transfer war auf der Zielgeraden, doch leider hat der Spielerberater abgesagt. Wenn man sieht, wie er heute bei Tottenham in der Premier League mit einer unglaublichen Intensität spielt, muss ich sagen, dass ich ihn sehr gerne nach Basel geholt hätte.

Mit welchen Erwartungen hat Sie der VfL Osnabrück geholt?

Unser Ziel ist es, uns in den nächsten drei Jahren in der 2. Bundesliga zu etablieren. Das ist ein ehrgeiziges, aber machbares Ziel. Diese Zielsetzung traut man mir zu und ich selbst auch. Sonst hätte ich das Angebot nicht angenommen.

Wird es einen Unterschied zu Ihrer Arbeitsweise beim FCB geben oder werden Sie ähnlich wie in Basel vorgehen?

Grundsätzlich bin ich der Meinung es ist nie förderlich, einfach zu kopieren. Jeder Verein und jede Liga tickt anders. Die 2. und auch die 3. Bundesliga sind keine Ausbildungsligen wie es in der Schweiz der Fall ist. Wir haben die Erwartung, jungen Spielern, möglichst auch aus dem eigenen Nachwuchs, Spielpraxis zu geben, damit sie sich gut entwickeln können, um den nächsten Schritt zu machen.

Alex Frei sagte kürzlich über Heiko Vogel: «Heiko Vogel hat eine unglaubliche Fachkompetenz und dann hört es auf». In der Winterpause vor Ihrer Entlassung kam Heiko Vogel als Sportdirektor zum FCB. Kurz darauf wurde Trainer Alex Frei entlassen und einen Tag später auch Sie. Heiko Vogel übernahm bis zum Saisonende die Doppelrolle als Sportchef und Trainer. Ein Zufall?

So ist das im Fussballgeschäft. Es gibt Entscheidungen, die man akzeptieren muss. Heiko Vogel hat damals für sich entschieden, dass wir nicht die Richtigen sind, und das muss man akzeptieren.

Wie sehr hat Sie dieser Entscheid getroffen?

Natürlich hat es mich sehr getroffen! Ich bin in der Region aufgewachsen, habe im Nachwuchs gespielt und sieben Jahre lang im operativen Geschäft mein Herzblut in den Verein gesteckt. Wenn man alles gibt, um dem Klub zu helfen und dann der Entscheid kommt, dass man nicht mehr der Richtige ist, tut das natürlich sehr weh. Ich muss aber sagen, dass der Entschluss für mich nicht völlig überraschend kam. Ich hatte schon ein paar Tage vorher so ein Gefühl, das mir sagte, dass es nicht mehr lange weitergehen würde.

Als sich der Verein auf die Suche nach einem Sportdirektor machte und dann Heiko Vogel vorgestellt wurde, haben Sie da nicht gedacht, dass Ihre Funktion überflüssig werden könnte?

Nein, ganz und gar nicht! Ich war bei den Gesprächen immer dabei und wurde gut in die Arbeit eingebunden. Der Verwaltungsrat hat sich damals für einen Weg entschieden, der absolut Sinn machte. Wir hatten begrenzte personelle Ressourcen und es gab Gründe, die für eine Vergrösserung des Teams sprachen. Da war jede Unterstützung, die wir bekommen haben, sehr hilfreich. Letztendlich hat es aber nicht gepasst und ich musste akzeptieren, dass man mit anderen Leuten einen anderen Weg einschlagen wollte.

Haben Sie sich seitdem privat mit Heiko Vogel ausgesprochen oder gab es überhaupt Kontakt?

Wir haben nicht miteinander gesprochen. Es gab auch nichts zu besprechen, was notwendig gewesen wäre. Wir haben vier Wochen lang zusammengearbeitet und das ist gut so.

Auch Heiko Vogel ist seit letztem Herbst nicht mehr beim FCB und wurde durch eine siebenköpfige Sportkommission ersetzt. Es gibt das Sprichwort: «Zu viele Köche verderben den Brei». Könnte das auch in diesem Fall so sein?

Das ist sehr schwer zu beurteilen und ich masse mir auch nicht an, das aus der Ferne zu tun. Ich wünsche dem FCB, dass er so schnell wie möglich wieder in die Erfolgsspur zurückfindet. Und zwar in dem Modell, das er für sich gewählt hat.

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