
Fahrer nach Anschlag auf Demo in U-Haft
Baseljetzt
Nach dem Anschlag auf eine Gruppe Demonstranten in München sitzt der 24-jährige Fahrer in Untersuchungshaft. Dies ordnete ein Ermittlungsrichter wegen dringenden Verdachts auf 39-fachen versuchten Mord an.
Die Generalstaatsanwaltschaft München teilte in diesem Zusammenhang mit, dass die Ermittler von Heimtücke, niedrigen Beweggründen und gemeingefährlichen Mitteln ausgehen. Der Mann sitze inzwischen in einem Gefängnis.
Aufgrund der besonderen Bedeutung übernahm die Bundesanwaltschaft am Abend die Ermittlungen in dem Fall. «Es besteht der Verdacht, dass die Tat religiös motiviert war und als Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung zu verstehen ist», teilte die oberste Anklagebehörde in Deutschland in Karlsruhe mit. «Damit ist sie geeignet, die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen.»
Die kriminalpolizeilichen Ermittlungen würden aber vom Bayerischen Landeskriminalamt fortgeführt.
Anhaltspunkte für islamistisches Motiv
Der Afghane soll den Anschlag aus Sicht der Münchner Ermittler aus islamistischen Beweggründen begangen haben. Als Anhaltspunkt dafür nannte die Leitende Oberstaatsanwältin der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) der Generalstaatsanwaltschaft München, Gabriele Tilmann, unter anderem die Aussage von Polizisten, der Fahrer habe nach der Tat «Allahu Akbar» gerufen.
In seiner Vernehmung habe er «eingeräumt, bewusst in die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Demonstrationszugs gefahren zu sein».
«Die Brutalität dieser Tat wühlt uns auf, macht fassungslos!»
Der 24-Jährige war am Donnerstag mit seinem Auto in das Ende eines Demonstrationszugs gefahren. Laut Polizei wurden 36 Menschen teils schwer verletzt, ein Kind und eine weitere Person befanden sich am Freitag nach Klinik-Angaben in kritischem Zustand.
Die Verletzten seien zwischen zwei und 60 Jahren alt, vier Opfer seien weiblich, der Grossteil männlich. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchte den Unglücksort am Tag nach der Tat. «Die Brutalität dieser Tat wühlt uns auf, macht fassungslos!», sagte er.
Es gebe bisher keine Hinweise darauf, dass der 24-Jährige in ein Netzwerk eingebunden gewesen sei, sagte Tilmann. Die Ermittler hätten auch keine Spuren zu einer Verbindung zum Beispiel zur Terrororganisation Islamischer Staat, zu weiteren Beteiligten oder zu einer zunehmenden Radikalisierung des jungen Mannes in der jüngeren Vergangenheit.
Aussagen deuten auf religiöse Motivation hin
Die Ermittlungen stünden zwar noch am Anfang, sagte Tilmann. Sie traue sich aber, nach derzeitigem Stand von der Annahme eines islamistischen Hintergrunds zu sprechen. Seine Aussagen deuteten auf eine religiöse Motivation hin, sagte Tilmann. Weitere Details zu den Äusserungen während der Vernehmung wollte sie nicht nennen. Unter anderem seien Chats auf dem Smartphone des Fahrers ausgewertet worden, die meisten in der afghanischen Amtssprache Dari.
Nach Angaben des Münchner Polizeivizepräsidenten Christian Huber hatte der 24-Jährige erst ein Polizeifahrzeug überholt, dann «Gas gegeben und ist dann in das Ende der Versammlung gefahren». Dabei wurden auch Teilnehmer der von mehreren Polizeiwagen gesicherten Demonstration der Gewerkschaft Verdi vom Auto des Täters überfahren.
Bei der Festnahme des Mannes hatte die Polizei auch auf seinen Wagen geschossen. «Der Täter wurde dabei aber nicht getroffen und durch den Schuss auch nicht verletzt», hiess es. Den Beamten sei es gelungen, den Täter aus dem Auto zu ziehen, obwohl dieser noch versucht habe, erneut Gas zu geben. Das Auto gehörte laut Polizei dem Fahrer.
Der Afghane hatte sich nach Angaben der Ermittler zuletzt rechtmässig in Deutschland aufgehalten. Dass erste Angaben zu seinem Aufenthaltsstatus und möglichen Vorstrafen des Fahrers im Nachhinein korrigiert werden mussten, begründete Huber mit Fehlkommunikation in der «Chaosphase» nach dem Vorfall selbst. Inzwischen sei klar, dass nicht wegen Ladendiebstahls oder Drogendelikten gegen ihn ermittelt worden sei, sondern dass er selbst derartige Delikte in seiner Tätigkeit als Ladendetektiv zur Anzeige gebracht hatte.
Über seine Fluchtgeschichte soll der 24-Jährige laut einem Gerichtsurteil jedoch gelogen haben. Im schriftlichen Urteil aus dem Oktober 2020 zur Klage des Mannes gegen die Ablehnung seines Asylantrags kommt das Verwaltungsgericht München zu dem Schluss, «dass dieser die Geschichte nur erfunden hat», um ein Bleiberecht zu erhalten.
Im April 2021 erliess die Stadt München einen Duldungsbescheid und im Oktober 2021 eine Aufenthaltserlaubnis für den 24-Jährigen.
Zwei Menschen in kritischem Zustand
Das lebensgefährlich verletzte zweijährige Mädchen befindet sich nach Angaben eines Sprechers des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) im Haunerschen Kinderspital und liegt dort in kritischem Zustand auf der Intensivstation.
Auch am TUM Klinikum rechts der Isar behandeln die Ärztinnen und Ärzte weiter eine schwerst verletzte Person. «Ihr Zustand ist weiterhin als äusserst kritisch einzustufen», sagte eine Sprecherin des Klinikums.
Am LMU Klinikum wurden an den beiden Standtorten Grosshadern und Innenstadt 14 Verletzte behandelt. Einige Patienten waren schwer verletzt, vier mussten den Angaben zufolge umgehend operiert werden. (sda/lef)
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mil1977
Der Zuzug aus Nahost und Afrika nach Europa hält ungebrochen an. Es wird daher keine Verschnaufpause geben, der Schrecken wird weiter gehen. Viel Kraft den Angehörigen vergangener und zukünftiger Opfer von Angriffen/Anschlägen.