Fokus statt Scrollen: Die Rudolf Steiner Schule verbannt die Smartphones
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Fokus statt Scrollen: Die Rudolf Steiner Schule verbannt die Smartphones

22.08.2025 06:00 - update 22.08.2025 14:20
Shahed Staub

Shahed Staub

Aus Sorge um die psychische Gesundheit und das Konzentrationsvermögen verbannen immer mehr Kantone Smartphones aus der Schule. Nun zieht auch eine Basler Schule nach und setzt ein Verbot auf ihrem Areal um.

Bei satten 32 Grad startete vor einer Woche der Schulbetrieb in Basel. Für heisse und hitzige Debatten war damit gleich gesorgt: um glühende Klassenzimmer, Hitzefrei und Verschiebung der Ferienzeit. Gut möglich, dass aber auch das neue Handyverbot an der Rudolf Steiner Schule einigen Schulkindern rote Köpfe beschert. Denn seit diesem Schuljahr gilt auf dem ganzen Gelände der Schule auf dem Bruderholz: Handys weg!

Schulleitung: Kein Verbot, sondern ein «Verzicht»

«Wir wussten, dass uns nach den Sommerferien eine harte Zeit mit vielen Konfrontationen bevorsteht», sagt Stefan Rohrer, Oberstufenlehrer und Mitglied der Schulleitung. Seit über einem halben Jahr diskutierte er mit seinen Kolleg:innen darüber, wie man der Smartphone-Flut in Schulzimmer und Pausenhof entgegenwirken könne. Denn diese machte auch vor den anthroposophischen Schulwänden keinen Halt. Die Lösung scheint nun gefunden: ein Handyverbot – oder, wie es die Verantwortlichen der Rudolf Steiner Schule lieber nennen: ein «Handyverzicht». Die Regel gilt nun seit einer Woche für Schülerinnen und Schüler von der Primarstufe bis zum Gymnasium.

«Die Situation mit den Handys wurde dermassen akut, dass wir eine Lösung brauchten», sagt Rohrer. Bisher galt an der Schule die Regel, dass Schüler:innen ihre Smartphones ausschalten und in der Schultasche verstauen müssen. Doch daran hielten sich die wenigsten, so der Oberstufenlehrer.

Handys in die Box

Seit einer Woche sieht der Alltag an der ältesten Steiner Schule der Schweiz nun so aus: Die Schülerinnen und Schüler legen kurz vor Schulbeginn um 8:15 Uhr ihr Handy in eine extra angefertigte gepolsterte Smartphone-Box. Pro Klasse gibt es eine Box mit 27 Fächern – jedes Fach ist nummeriert, jede Zahl einer Person zugeordnet. So weiss jede Schülerin und jeder Schüler genau, wo das Smartphone am Morgen deponiert und nach dem Unterricht wieder abgeholt werden muss. Sind alle Geräte verstaut, wandert die volle Box in einen ehemaligen Kopierraum, der zum Natel-Aufbewahrungsort umfunktioniert wurde. «Wir sind noch in einer Umgewöhnungsphase, aber bis jetzt halten sich alle dran», bilanziert Rohrer.

Bisher fast ausschliesslich gutes Feedback

Bei der ganzen Diskussion um die richtige Terminologie – ob es nun ein Handyverbot, ein Verzicht oder schlicht eine Frage der Perspektive ist – bleibt die Kernfrage: Ist die konsequente Verbannung des Smartphones aus dem Klassenzimmer in Zeiten der Digitalisierung wirklich der richtige Schritt? «Es geht uns nicht darum zu verleugnen, dass das Handy im Alltag der Schülerinnen und Schüler von morgens bis abends präsent ist», sagt Madeleine Ronner, ebenfalls Mitglied der Schulleitung. «Vielmehr wollen wir einen postdigitalen Raum schaffen – einen Raum der Begegnung.»

Bis jetzt sei die neue Regelung von den Schülerinnen und Schüler gut aufgenommen worden. Viele hätten schnell verstanden, dass es sich nicht um eine Schikane, sondern um eine Hilfestellung handeln soll. Und auch im Kreis der Schulleitung werden bereits erste positive Veränderungen wahrgenommen. «Ich erlebe die soziale Interaktion als viel lebhafter, die Mensa ist dichter bevölkert und im Unterricht nehme ich eine deutlich höhere Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler wahr», sagt Rohrer. Zudem werden der neu eröffnete Sportplatz der Schule und der Pingpongtisch im Pausenhof spürbar öfter genutzt.

Basler Schülerin: «Das ist der falsche Ansatz»

Die Rudolf Steiner Schule ist bisher die einzige Schule in der Region, die ein striktes Handyverbot eingeführt hat. Eine kantonale Regelung gibt es weder in Basel-Stadt noch in Baselland. Jede Schule legt die Regeln daher selbst aus, politische Vorstösse für eine einheitliche Lösung blieben bislang erfolglos.

So wurde etwa der Vorstoss der Basler GLP-Grossrätin Sandra Bothe-Wenk im Sommer 2024 abgelehnt: «Ein generelles Verbot reicht aus unserer Sicht nicht aus», hiess es damals vom Regierungsrat. Anders sieht es in den Kantonen Aargau, Wallis, Nidwalden und Waadt aus, wo ein kantonal geregeltes, generelles Handyverbot gilt. Eine kurze Umfrage von Baseljetzt in der Stadt zeigt jedoch: Viele Schüler:innen empfinden ein absolutes Handyverbot als kontraproduktiv:

Doch neben all den Diskussionen über Verbot, Verzicht (oder Chance?) gibt es für die Schülerinnen und Schüler der Rudolf Steiner Schule auch etwas Positives: Damit nach Schulschluss und dem Smartphone-Abholen alle pünktlich zum Mittagessen kommen, endet der Unterricht neuerdings ein wenig früher. Um ganze drei Minuten.

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Kommentare

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23.08.2025 07:04

Borki74

super vorstoss

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22.08.2025 15:56

Cola2023

Hoffentlich auch bald inBasel-Land und Basel-Stadt

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