
Frankreichs neuer Premier François Bayrou versucht einen Balanceakt
Baseljetzt
In seiner erster Regierungserklärung versucht Francois Bayrou, das Überleben seines Mitte-Rechts Kabinetts zu sichern. Anders als sein Vorgänger kündigte er zwar Sparmassnahmen an, blieb aber weitgehend wage.
Um Rentenreform sollen sich Andere kümmern
Bayrou kündigte an, dass die Rentenreform, gegen die 2023 Millionen Menschen auf den Strassen demonstrierten, auf den Prüfstand komme. Während drei Monaten könnten die Sozialpartner – und nicht das zerstrittene Parlament – nach einer sozial gerechteren Ausgestaltung suchen. Voraussetzung dafür sei aber, dass für das Rentensystem keine Mehrkosten entstünden. Ohne Einigung auf eine Alternative bleibe die Rentenreform in Kraft.
Geschickt vermied Bayrou mit diesem Vorgehen, Macrons Schlüsselvorhaben vorschnell über Bord zu werfen und sich den Ärger der Konservativen einzuhandeln, die kein Aufweichen der Reform wollen. Andererseits geht er auf eine Forderung der Sozialisten ein, die eine ausgewogenere Reform wollen und signalisiert haben, im Gegenzug nicht für einen von der Linkspartei angekündigten Misstrauensantrag zu stimmen.
Bekenntnis zum Sparen, aber ohne Details
Bei Frankreichs im Moment drängendsten Problem, der zu hohen Verschuldung und dem noch immer nicht beschlossenen Haushalt für 2025, mahnte der aus Südfrankreich stammende Premier zwar Stabilität und Sparwillen an. Wie genau er die Finanzen in den Griff bekommen will, detaillierte der Zentrumspolitiker allerdings nicht. Das vorherige Kabinett war im Streit um einen geplanten Sparhaushalt von der linken und rechtsnationalen Opposition zu Fall gebracht worden – nach nur drei Monaten im Amt.
Bekommt Bayrou keine Unterstützung der Opposition, droht ihm das gleiche Schicksal. Die linke La France Insoumise hat bereits angekündigt, ein Misstrauensvotum gegen Bayrou zu beantragen. Dieser dürfte wohl versucht haben, mit einer beschwichtigenden und wenig greifbaren Erklärung so wenig wie möglich anzuecken. In der Nationalversammlung stehen sich die Mitte-Kräfte von Staatschef Emmanuel Macron, das linke Lager und Marine Le Pens Rechtsnationale als drei grosse Blöcke gegenüber. Eine absolute Mehrheit hat keiner von ihnen.
Bayrou bedient auch rechte Themen
Bayrou sprach sich in seiner anderthalbstündigen Rede auch für eine strenge Kontrolle der Immigration aus – ein Kernthema der Konservativen. Zudem zeigte er sich für eine Wahlrechtsänderung offen. Seit Langem beklagen viele in Frankreich, die Nationalversammlung, bei deren Sitzverteilung am Ende nur die Stimmen für den Gewinner oder die Gewinnerin in jedem Wahlkreis zählen, sei zu wenig repräsentativ. Statt des Mehrheitswahlrechts will Bayrou Gespräche zum Verhältniswahlrecht vorantreiben. Davon könnte auch das rechte Rassemblement National profitieren, das durch taktische Bündnisse in der letzten Parlamentswahl letztlich ausgebremst wurde.
Für Schmunzeln sorgen dürfte indessen Bayrous Auftreten. Der 73-Jährige verlor kurz nach Beginn seiner Rede den Faden, blätterte in seinen Notizzetteln und erklärte: «Meine Seiten sind ein bisschen durcheinander geraten.» (sda/jsa)
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