Gefängnissport im Bässlergut: Mineralwasser stemmen, um fit zu bleiben
©Lea Meister
Gefängnissport
Basel-Stadt

Gefängnissport im Bässlergut: Mineralwasser stemmen, um fit zu bleiben

17.01.2023 21:21 - update 18.01.2023 17:18
Lea Meister

Lea Meister

Sport im Alltag. Für viele unverzichtbar, um Dampf abzulassen. Noch grösser wird der Bewegungsdrang hinter Gittern. Wo liegen die Gefahren – und wo die Chancen?

«Hey, Chef». Orazio Ferranti, Fachmann für Justizvollzug im Gefängnis Bässlergut in Basel, wird auf den Gängen respektvoll gegrüsst. Gemeinsam mit Abteilungsleiter Christoph Salzmann führt er uns durch die Gänge der Abteilung des Strafvollzugs.

118 Haftplätze gibt es im Bässlergut, 40 davon stehen für die Ausschaffungshaft zur Verfügung. Diese wird räumlich vom normalen Strafvollzug getrennt, der im Laufe der Jahre deutlich ausgebaut wurde. Mit den zwei Gebäuden kann besser auf das spezifische Haftregime eingegangen werden, da die Administrativhaft etwas «lockerer» ist und Basel-Stadt so wieder genügend Plätze für kurze Haftstrafen zur Verfügung hat. Personen müssen so nicht in andere Gefängnisse geschickt werden.

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Orazio Ferranti (links) und Christoph Salzmann (rechts) vor ihrem Arbeitsort kurz vor dem Otterbach-Zoll. Bild: Lea Meister

Ob in der Ausschaffungshaft oder im Strafvollzug, der Bewegungsdrang der Insassen ist gross. Der Artikel 75 des Strafgesetzbuches besagt im Zusammenhang mit dem Strafvollzug, dass man Folgeschäden des Freiheitsentzugs entgegenwirken muss. «Da sind für mich Sport und Bewegung zwei sehr wichtige Faktoren», sagt Christoph Salzmann. Um Bewegung zu ermöglichen, gibt es im Bässlergut Spazierhöfe und einen Fitnessraum.

Dampf ablassen

Immer wieder höre Orazio Ferranti den Satz «Chef, ich muss Dampf ablassen». Abschalten sei besonders deshalb so wichtig, um schlafen zu können. Denn die Nächte hinter Gittern können lang sein und bieten unheimlich viel Raum zum Nachdenken. Beim neuen Fitnessangebot im Bässlergut geht es um Freiheiten, aber auch um Resozialisierung der Menschen im Strafvollzug. Wer etwas für seinen Körper machen möchte, soll die entsprechende Möglichkeit erhalten.

Gefängnissport im Bässlergut: Mineralwasser stemmen, um fit zu bleiben
In einem Aufenthaltsraum der Abteilung Strafvollzug stehen ein «Töggelikasten» und Brettspiele zur Verfügung. Bild: Lea Meister

Neben den Spazierhöfen mit Ping Pong-Tischen und Raum für Lauf- und Ausdauersport gibt es auch einen Fitnessraum. Insassen im Strafvollzug dürfen zwei Stunden am Tag in die Höfe, in der Ausschaffungshaft sind es 3 3/4 Stunden. Der Fitnessraum steht jeweils maximal 13 Insassen des Strafvollzugs für eine Stunde pro Woche zur Verfügung. Die Geräte sind mehrheitlich auf Ausdauer ausgelegt, Hanteln gibt es keine. «Hanteln sind gefährlich und könnten als Wurfgeschosse verwendet werden», sagt Salzmann. «Ausserdem sind wir ja keine Muckibude.»

Gefängnissport im Bässlergut: Mineralwasser stemmen, um fit zu bleiben
Die Spazierhöfe werden zum Ping Pong-spielen genutzt. Hier wird aber auch gejoggt oder Liegestützen gemacht. Bild: Lea Meister

Gewichte werden trotzdem gestemmt. Denn mit dem Geld, welches die Insassen bei ihren täglichen obligatorischen Arbeitseinsätzen verdienen, können sie einmal wöchentlich am Gefängniskiosk einkaufen. Nicht wenige sind dabei besonders scharf auf Sixpacks Mineralwasser. «Mineralwasser als Hanteln tolerieren wir auch», so Salzmann. Wenn Flaschen in Wäschesäcke gelegt werden, müsse man aber vorsichtig sein, da diese «Wassersäckchen» als Waffen benutzt werden könnten.

Die Spazierhöfe sind zu zwei Dritteln fest überdacht. Ein gesetzlich vorgegebener Maximalwert, denn Häftlinge haben das Recht darauf, dem Wetter ausgesetzt zu sein, also «im Regen zu stehen». Zu den beliebtesten Aktivitäten wird dies aber nicht gehören.

Tabak für einen Sieg

Zu Problemen im Zusammenhang mit Sport komme es eigentlich nie, bestätigt Salzmann. Viel mehr helfe der Sport dabei, eben solche Probleme zu vermeiden. An der Tagesordnung stehe für die Mitarbeitenden aber, gesundheitliche Folgeschäden bei den Häftlingen zu vermeiden. Entsprechend ist bei jedem Training im Fitnessraum eine Aufsichtsperson vor Ort, die auch geschult ist im Umgang mit den einzelnen Geräten.

Sporadisch werden kleine Turniere durchgeführt, besonders beliebt sind Ping Pong, «Töggele» und Basketball. Bei Turnieren wird stets um kleine Preise gespielt. Begehrt sind Telefonkarten, Schoggipreise oder (Hantel-)Mineralwasser. «Unter den Häftlingen ist natürlich Tabak die Nummer eins, das fördern wir aber nicht», sagt Ferranti. Beim wöchentlichen Kiosk-Einkauf werden dann jeweils die Wettschulden eingelöst. «Wenn wir 40 Prozent davon mitbekommen, was wetttechnisch alles abgeht, ist das eine hohe Quote», sagt Salzmann und lacht.

Die Strafe ist der Freiheitsentzug

Im Strafvollzug im Bässlergut sitzen Häftlinge im Schnitt 56 Tage. Entweder kommen sie dann wieder frei oder sie kommen in ein anderes Gefängnis. Wenn ein Gerichtsentscheid noch ausstehend ist, kann beantragt werden, von der Untersuchungshaft in den vorzeitigen Vollzug im Bässlergut zu kommen. Von dort aus geht es dann für viele weiter beispielsweise in die JVA Pöschwies oder in die JVA Bostadel, wo längere Haftstrafen abgesessen werden.

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Die zur Verfügung stehenden Bälle sind – zum Schutze aller – leicht und weich. Bild: Lea Meister

Ein grosses Problem an der Aussensicht auf den Schweizer Justizvollzug sieht Salzmann darin, dass vielen nicht bewusst ist, dass der Freiheitsentzug die Strafe ist. Hinter Gittern müsse das Ziel ganz klar sein, Haftschäden zu vermeiden und alles dafür zu tun, einen delinquenten Menschen so gut wie möglich zu resozialisieren, wie Ferranti ergänzt.

Entsprechend baue man Beziehungen zu Häftlingen auf, auch, um herauszuspüren, wie es ihnen geht, um präventiv arbeiten zu können. Ein wichtiger Indikator sei auch hier der Sport. Ferranti sagt: «Wenn jemand immer sehr aktiv ist und sich dann plötzlich zurückzieht, ist das ein klares Indiz dafür, dass es ihm nicht gut geht.» Am aller wichtigsten in der zwischenmenschlichen Beziehung sei aber das Wahren der professionellen Distanz. «Wir müssen einen Cut machen können», betont Ferranti die Wichtigkeit der Abgrenzung.

Sportgeräte werden mit Respekt behandelt

Besonders während der Corona-Pandemie hatten die Mitarbeitenden hinter Gittern mit schwierigen Situationen zu kämpfen. Genau wie in der Aussenwelt wurde auch im Bässlergut der Fitnessraum geschlossen, obwohl er erst kurz vor dem Ausbruch der Pandemie eröffnet worden war. Die sportlichen Aktivitäten verschoben sich also noch stärker in die Zellen und es kam zu mehr verbalen Konflikten. «Schwierig war auch die Situation mit den Besuchen. Wenn Väter ihre Kinder nicht mehr umarmen dürfen, wenn sie zu Besuch kommen, ist das sehr belastend», erinnert sich Salzmann.

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Im Fitnessraum der Abteilung Strafvollzug gibt es keine Hanteln, der Fokus liegt auf der Ausdauer. Bild: Lea Meister

Das Bewusstsein und die Dankbarkeit für die Sportgeräte – zu welchen übrigens auch Brettspiele wie Schach gehören – wurden noch grösser. «Es geht eher einmal eine Lampe auf einer Station kaputt als ein Sportgerät», sagt Salzmann, denn die Häftlinge wissen um die Wichtigkeit der Möglichkeiten, die sie haben.

Bei der Arbeit tragen alle Häftlinge sehr ähnliche Kleidung. Beim Sport ist es ihnen erlaubt, private Kleidung zu tragen. Das sei wichtig, um sie in ihr eigenes Element abtauchen lassen zu können, so Ferranti. Auch Musik ist erlaubt, über Kopfhörer und Boxen. Auch hier gelte: «Der gegenseitige Respekt ist das Wichtigste».

Psychohygiene der Mitarbeitenden

Auch die Mitarbeitenden brauchen Abstand. Deshalb werden sie jeweils maximal fünf Tage am Stück am gleichen Ort eingeteilt. Es gibt auch Tage, an welchen man hinter den Kulissen tätig ist und keinen grossen Kontakt zu Häftlingen hat. Diese Abwechslung ist wichtig für die eigene «Psychohygiene». Denn nur, wer immer wieder den nötigen Abstand herstellen kann, ist bereit für die grossen Herausforderungen, die die Arbeit in einer Justizvollzugsanstalt mit sich bringt.

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Auf jeder Station im Strafvollzug gibt es 13 Haftplätze. Pro Station hat es eine Doppelzelle. Bild: Lea Meister

Ein gesundes Mittelmass, Begegnung auf Augenhöhe, Respekt und Resozialisierung. Begriffe, die Salzmann und Ferranti in ihrem Alltag ununterbrochen begegnen. «Der Faktor Sport ist dabei einer von vielen, aber ein wichtiger», so Salzmann. Manchmal müssten Menschen kurz auf andere Gedanken kommen, ob hinter Gittern oder in der «Aussenwelt».

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