Geiselnehmer im Regionalzug war 32-jähriger Asylbewerber aus dem Iran
©Symbolbild: Keystone
Geiselnahme
Schweiz

Geiselnehmer im Regionalzug war 32-jähriger Asylbewerber aus dem Iran

09.02.2024 19:18 - update 09.02.2024 19:07

Baseljetzt

Der Mann, der am Donnerstag in einem Regionalzug im Kanton Waadt zwölf Passagiere und den Lokführer als Geiseln genommen hat, ist identifiziert. Es handelt sich um einen 32-jährigen Asylbewerber iranischer Nationalität.

Entgegen einer Meldung vom Vortag wurde sein Fall dem Kanton Genf und nicht dem Kanton Neuenburg zugewiesen, wie die Waadtländer Kantonspolizei am späten Freitagnachmittag in einem Communiqué mitteilte. Die Zahl der Geiseln habe 13 und nicht 15 betragen, hiess es weiter.

Die Polizei machte auch genauere Angaben zu den Waffen, die der Geiselnehmer bei sich hatte: nicht nur eine Axt und ein Messer, sondern auch einen Hammer.

Nach ersten Ermittlungen waren seine Motive auf die Situation als Asylbewerber zurückzuführen und auf seinen hartnäckigen Wunsch, mit einer Mitarbeiterin eines Asylbewerberheims in Kontakt zu treten. Die Polizei hatte mehrfach wegen seines Verhaltens einschreiten müssen.

Vier Stunden verhandelt

Die Polizei gab auch einige neue Details zur Erstürmung des Zuges gegen 22:15 Uhr bekannt, also nach fast vier Stunden «langer Verhandlungen» mit dem Geiselnehmer. Die Geiselnahme war gegen 18:30 Uhr gemeldet worden, der Zug stand mit geschlossenen Türen an der Haltestelle Essert-sous-Champvent. Rund 60 Polizisten hatten rund um den Zug Stellung bezogen.

«Einer der Einsatzkräfte setzte zunächst seine Elektroschockpistole ein, um den Mann, der auf ihn zustürmte, zu stoppen. Der Bewaffnete rannte jedoch weiter auf sie und die Geiseln zu. Ein zweites Mitglied der Einheit setzte seine Waffe ein, um ihn zu neutralisieren», teilte die Polizei mit.

Der Geiselnehmer wurde tödlich getroffen. Er starb noch am Tatort, obwohl ein Arzt im Einsatzteam der Polizei anwesend war. Die Polizei bestätigte, dass die 13 Geiseln, die sofort befreit wurden, unverletzt blieben.

Im Bus zur psychologischen Betreuung

Sie wurden vor Ort von einem Sanitätsdienst versorgt und anschliessend mit einem Bus ins Zentrum der mobilen Gendarmerie in Yverdon-les-Bains gebracht, wo sie von einem spezialisierten Team psychologisch betreut wurden.

Die Ermittlungen unter der Leitung der Waadtläner Staatsanwaltschaft dauern an. Es gehe einerseits darum, die Motive des Geiselnehmers zu klären und andererseits die Umstände zu ermitteln, die zur Erschiessung des Polizisten geführt hätten, teilte die Polizei weiter mit.

Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es laut der Polizei keine Hinweise auf einen terroristischen Akt. «Weder terroristisch noch dschihadistisch», sagte Jean-Christophe Sauterel, Sprecher der Waadtländer Polizei, am Freitag gegenüber Keystone-SDA.

Viele offene Fragen

Weitere Fragen blieben zunächst offen. So ist zum Beispiel unklar, an welchem Bahnhof der Geiselnehmer in den Zug stieg, ob er psychische Probleme hatte, seit wann er sich in der Schweiz aufhielt oder ob er wegen Gewalttaten aktenkundig war. Gewisse Medien wie das Westschweizer Radio und Fernsehen RTS sprachen von einer Ankunft in der Schweiz im Jahr 2022.

Das Bahnunternehmen Travys erklärte seinerseits, es habe den Ermittlern die Aufzeichnungen der Videoüberwachung des Waggons und mehrerer Bahnhöfe entlang der Strecke übergeben. Das Unternehmen lobte auch das «vorbildliche» Verhalten seines Zugführers. Dieser habe «mit dem Geiselnehmer interagiert und zur Beruhigung der Situation beigetragen», teilte die Firma mit.

Ein politisches Nachspiel

Der Fall wird ein politisches Nachspiel haben. In einem Communiqué forderte die SVP Waadt, «die Unsicherheit im Asylbereich sofort zu beenden». Ihr Fraktionschef Cédric Weissert werde in der nächsten Session des Grossen Rates das Wort ergreifen. Nationalrat Yvan Pahud (SVP/VD) wird in Bern eine Interpellation einreichen, um den Status des Asylbewerbers zu erfahren, der die Geiselnahme begangen hat.

Auch Bundesrat Beat Jans äusserte sich zur Geiselnahme. «Die Bevölkerung hat das Recht, in Sicherheit zu leben. Ich wünsche den Betroffenen und ihren Angehörigen Kraft und Mut, diese Ereignisse zu überwinden», teilte er auf der Plattform X mit. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) werde diesen Fall und die möglichen Konsequenzen mit den betroffenen Kantonen analysieren, fügte der Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement hinzu. (sda/mal)

Feedback für die Redaktion

Hat dir dieser Artikel gefallen?

Kommentare

Dein Kommentar

Mit dem Absenden dieses Formulars erkläre ich mich mit der zweckgebundenen Speicherung der angegebenen Daten einverstanden. Datenschutzerklärung und Widerrufshinweise

Kommentare lesen?

Um Kommentare lesen zu können, melde dich bitte an.