Gemeinsamkeiten mit Roger Federer: Henry Bernet – die Basler Tennishoffnung
Florian Vögeli
Er ist 17 Jahre alt und steht kurz davor, Tennisprofi zu werden. Schule, Training, Essen, Schlafen – wie einst Roger Federer, wird die Basler Nachwuchshoffnung im nationalen Leistungszentrum in Biel auf die Profitour vorbereitet.
Henry Bernet hat in den vergangenen Monaten eine rasante Entwicklung durchgemacht. So konnte er in diesem Jahr zum ersten Mal an einem Grand Slam Juniorenturnier teilnehmen. Bei den French Open erreichte er auf Anhieb das Viertelfinale. Nächste Woche steht das zweite Grand-Slam-Turnier auf dieser Stufe auf dem Programm. Auf dem heiligen Rasen von Wimbledon will der junge Basler weitere Ausrufezeichen setzen.
Statt Party lieber etwas gemütlicher
Seit zwei Jahren ist Henry Bernet im nationalen Leistungszentrum von Swiss Tennis (NLZ) zu Hause. Als 15-Jähriger entschied er sich zu diesem grossen Schritt und verliess sein Elternhaus in Basel. Von Montag bis Freitag ist er in Biel. Am Wochenende hat er aber immer noch Zeit für seine Basler Kollegen. «Ich sehe sie zwar nicht mehr so oft wie früher, aber immer noch genug. Ich habe diesen Schritt für den Tennissport gemacht, der mir immer sehr wichtig war», begründet Bernet seinen Entscheid.
So kann er flexibel sein und möglichst viele Trainings und Turniere spielen. «Das war die richtige Entscheidung, um mich weiterentwickeln zu können.» In seinem Kopf ist fast nur noch Platz für den Sport. Andere in seinem Alter suchen sich langsam ihre Freiheiten und geniessen mehr und mehr ihre Privatsphäre. Sie gehen aus und feiern.
Doch mit dem Leistungssport lässt sich das kaum vereinbaren. «Meine Kollegen in Basel habe ich auch über den Sport gefunden. Die haben zum Beispiel am Wochenende ein Fussballspiel. Deshalb sind sie nicht diejenigen, die am Wochenende bis spät in die Nacht unterwegs sind.» Das helfe, diszipliniert zu bleiben. «Natürlich bin ich auch schon mal ausgegangen. Aber das macht mir nicht so viel Spass. Ich mag es lieber etwas gemütlicher», erklärt Bernet.
Im Leistungszentrum gefangen?
Sein Zimmer im NLZ teilt er sich mit einem Tenniskollegen. Swiss Tennis stellt den Nachwuchshoffnungen im NLZ alles zur Verfügung, was sie brauchen. In Zusammenarbeit mit einer internationalen Schule erhält Bernet im Zentrum auch Unterricht. Nach erfolgreichem Abschluss könnte er später an einer Universität studieren. Sollte es mit der Profikarriere nicht auf Anhieb klappen, wird er wahrscheinlich in den USA ein College besuchen, um weiterhin Tennis spielen zu können.
Neben Schule, Schlafen und Training wird im NLZ auch gegessen. Es ist fast unmöglich, dieser Welt des Leistungssports zu entkommen. Fühlt sich Bernet in diesem Zentrum nicht manchmal ein wenig gefangen? Bei dieser Frage muss Bernet lachen. Er und seine Tennisfreunde scherzen oft, es sei wie im Gefängnis. «Aber eigentlich stimmt das gar nicht. Gestern waren wir zum Beispiel am See. Eigentlich dürfen wir nur einmal auswärts essen. Aber wenn wir nett fragen, ist das meistens kein Problem.»
Zwischen den Trainingseinheiten auf dem Platz gibt es vormittags und nachmittags Kraft- und Ausdauertraining. In der Physis sehen seine Trainer auch das grösste Verbesserungspotenzial, sagt Beni Linder, der für die Athletik zuständig ist. «Er muss unbedingt noch an Masse zulegen und Muskeln aufbauen. Das ist im Tennis unglaublich wichtig. Dabei dürfen aber die Leichtigkeit und die Technik nicht verloren gehen.»
«Manche zerbrechen an diesem Druck»
Bernets wichtigste Bezugsperson ist sein Trainer Kai Stentenbach. Er ist seit 2010 Nationaltrainer von Swiss Tennis und hat schon viele junge Tennisspielerinnen und -spieler erlebt, die den Durchbruch geschafft haben – oder oftmals auch gescheitert sind. «Wir reden nicht nur über Tennis. Es ist eine sehr umfangreiche, aber auch tolle Arbeit, die ich hier machen darf. Neben den tennisspezifischen Dingen geht es auch um Charakterbildung», so Stentenbach.
Der Leistungsdruck ist gross, kommt aber meist vom Sportler selbst. So auch bei Bernet. Von aussen habe er nie Druck verspürt, sagt Bernet: «Ich bin selbst ein sehr ehrgeiziger Mensch, vor allem im Tennis. Das stand mir manchmal etwas im Weg. Aber letztlich glaube ich, dass man diese Einstellung haben muss.»
Druck gehöre zum Leistungssport dazu, erklärt Stentenbach: «Man muss lernen, mit diesem Druck umzugehen. Der Druck, den sich der Athlet selbst macht, ist ein schwieriger Punkt. Manche zerbrechen auch an diesem Druck. Deshalb führe ich viele Gespräche mit Henry». Im mentalen Bereich hat er in letzter Zeit deutlich zugelegt: «Das war bei mir eine Schwäche. Manchmal war ich zu stur und wollte zu viel. Wenn es nicht nach meinen Vorstellungen lief, verlor ich schnell die Nerven. Aber da habe ich mich in den letzten Monaten stark verbessert», so Bernet.
Der Vergleich mit Roger Federer
Er habe ein klares Ziel vor Augen und wolle alles dafür tun, sagt Stentenbach: «Ich finde, das ist der richtige Weg und sehr positiv. Er muss noch lernen, gewisse Dinge besser einzuschätzen. Und ein bisschen mehr Geduld haben. Aber da hat er in den letzten Monaten wirklich grosse Schritte nach vorne gemacht.»
Vor allem im mentalen Bereich kann er viel von seinem Idol lernen. Das ist für den Basler natürlich Roger Federer, der auch im NLZ zum Profi gereift ist. Mit der Tennislegende wird Bernet oft verglichen. Seine einhändige Rückhand, der aggressive, aber elegante Spielstil und der starke Aufschlag erinnern stark an den erfolgreichen Baselbieter. Auch Bernet hat beim TC Old Boys gespielt und neben demselben Dialekt gibt es auch Ähnlichkeiten in der ruhigen, besonnenen Art und der tiefen Stimme. Der Vergleich ehrt Bernet. Aber so richtig nachvollziehen kann er ihn nicht. «Für mich war er immer der Grösste. Deshalb kann ich den Vergleich mit ihm nicht wirklich ernst nehmen. Er hat in einer ganz anderen Liga gespielt. Ich bin ein riesiges Stück davon entfernt.»
Der grösste Schritt steht Bernet noch bevor. Nächstes Jahr ist sein letztes Juniorenjahr. Danach soll der Sprung auf die Profitour gelingen. Momentan gehört er zu den 25 besten Juniorenspielern der Welt. Schafft er in diesem oder im nächsten Jahr den Sprung in die Top Ten, bekommt er Wildcards für Challenger- und Future-Turniere. Das würde ihm den Einstieg ins Profitennis erleichtern.
Der Traum vom Center Court in Basel
Doch die meisten schaffen den Sprung zum Profi nicht. Wie schätzen die Trainer seine Chancen ein? «Im Juniorenbereich hat er schon Ausrufezeichen setzen können. Aber für den Durchbruch braucht es viel. Mal sehen, wie weit wir ihn in der Juniorenrangliste noch nach vorne bringen», sagt Stentenbach. Er ist aber überzeugt, dass Bernet es schaffen kann. Auch Athletiktrainer Linder kann sich gut vorstellen, dass Bernet den Sprung in die Top 100 der ATP-Weltrangliste schafft: «Aber der Weg ist noch lang, das muss man ganz klar sehen. Normalerweise dauert das einige Jahre. Es wäre natürlich wünschenswert, wenn Henry es schneller schaffen würde. Wir versuchen, unseren Teil dazu beizutragen.»
Um vom Tennis leben zu können, müsse er auf der Profitour in die Top 100 der Weltrangliste kommen, sagt Stentenbach: «Da müssen wir realistisch bleiben. Aber mit den zwei Grand-Slam-Turnieren, die er im Juniorenbereich spielen kann, sind wir im Moment auf einem guten Weg.» Um seinen Traum vom Tennisprofi zu verwirklichen, arbeitet Bernet täglich an sich und nimmt einen enormen Aufwand auf sich. Alles für ein Ziel: «Mein Ziel ist es, vom Tennis leben zu können. Eine grosse Motivation sind für mich die Swiss Indoors im Herbst. Es war schon immer mein Traum, einmal auf dem Center Court in Basel zu spielen.»
Vielleicht kann Bernet eines Tages in die riesigen Fussstapfen von Federer treten. Selbst wenn er diese nur halbwegs ausfüllen könnte, wäre es eine erfolgreiche Tenniskarriere mit vielen Heimspielen in Basel.
Mehr dazu
Feedback für die Redaktion
Hat dir dieser Artikel gefallen?
Kommentare
Dein Kommentar
Mit dem Absenden dieses Formulars erkläre ich mich mit der zweckgebundenen Speicherung der angegebenen Daten einverstanden. Datenschutzerklärung und Widerrufshinweise
Kommentare lesen?
Um Kommentare lesen zu können, melde dich bitte an.
pserratore
Wir können auf einen zukünftigen RF hoffen…