Grosse Umsetzungsdefizite bei Lohngleichheitsanalysen
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Gleichstellung
Schweiz

Grosse Umsetzungsdefizite bei Lohngleichheitsanalysen

07.03.2025 13:03 - update 07.03.2025 13:42

Baseljetzt

Mehr als die Hälfte der Unternehmen mit mehr als hundert Beschäftigten erfüllen ihre Pflichten zur Erreichung der Lohngleichheit nicht. Rund ein Fünftel führt gar keine Lohngleichheitsanalyse durch.

Dies zeigt ein Bericht des Bundesamts für Justiz. Die Gewerkschaften fordern Massnahmen. Der Bundesrat nahm anlässlich seiner Sitzung am Freitag von dem Bericht Kenntnis. Die Kontrollpflicht gilt seit Juli 2020. Ihr unterstehen Unternehmen mit mehr als hundert Beschäftigten.

Die Unternehmen haben drei Pflichten: Erstens müssen sie analysieren, ob es in ihrem Betrieb unerklärbare systematische Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern gibt. Zweitens muss eine unabhängige Stelle die Analyse überprüfen. Und drittens hat das Unternehmen die Mitarbeitenden über das Ergebnis der Analyse zu informieren.

Gemäss dem Bericht jedoch führten 19 Prozent der Unternehmen gar keine Analyse durch, 32 Prozent erfüllten die Pflicht zur Überprüfung nicht und 51 Prozent verletzten die Pflicht zur Information in der einen oder anderen Weise.

Evaluation kommt früher

Der Bundesrat möchte nach eigener Aussage möglichst rasch herausfinden, ob die gesetzliche Pflicht zur Lohngleichheitsanalyse zu mehr Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern beiträgt. Er will nun seinen Bericht zur Wirksamkeit der Massnahme bereits Ende 2027 verabschieden statt wie ursprünglich geplant erst im Jahr 2029.

Die Ergebnisse sollten zeigen, ob zur Erreichung der Lohngleichheit zusätzliche Massnahmen nötig seien, hiess es.

Verfassungsauftrag nicht erfüllt

Die Gleichstellung der Geschlechter ist seit 1981 in der Bundesverfassung verankert. Der entsprechende Artikel enthält ein direkt durchsetzbares Individualrecht auf gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit. Trotzdem ist der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern nach wie vor gross. Laut einer am Mittwoch veröffentlichten Studie des des Beratungsunternehmens PwC beträgt die Lohnlücke noch immer 18 Prozent.

Dabei sind die Effekte von Teilzeitarbeit und die Belastung von Frauen durch unbezahlte Sorge- und Betreuungsarbeit nicht berücksichtigt. Insgesamt betrage die Lohnlücke in der Schweiz sogar 43 Prozent, hoben die SP Frauen in einer Stellungnahme hervor. Dies, obwohl Frauen und Männer im Durchschnitt gleich viele Stunden bezahlt oder unbezahlt arbeiteten: «Diese enorme Einkommenslücke zeigt, dass strukturelle Diskriminierung weit über die Löhne hinausgeht und tief in unserem Wirtschaftssystem verankert ist.»

«Zahnloser Papiertiger»

Den Gewerkschaften geht die erste Reaktion des Bundesrates entsprechend zu wenig weit. Angesichts des fehlenden Willens der Unternehmen sei es jetzt am Parlament, die eklatanten Lücken im Gleichstellungsgesetz umgehend zu schliessen, schrieb der Gewerkschaftsdachverband Travailsuisse. In seiner heutigen Form sei das Gesetz ein zahnloser Papiertiger, da es keine Sanktionen vorsehe.

«Lohnanalysen gescheitert – jetzt braucht es Kontrollen, Bussen und höhere Löhne für Frauen», überschrieb der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) seine Stellungnahme.

Selbst mit einem Lehrabschluss verdienten vier von zehn Frauen weniger als 5000 Franken pro Monat, gab der SGB zu bedenken. Jede vierte müsse sich mit einem Lohn von unter 4500 Franken begnügen. Es brauche daher dringend eine Aufwertung der Arbeit in Bereichen wie Kinderbetreuung, Altenpflege oder Detailhandel, in denen der Frauenanteil besonders hoch ist.

Unbezahlte Arbeit von Frauen halte nicht nur die Gesellschaft am Laufen, schrieb die Gewerkschaft Unia. Sie sei auch eine der Hauptursachen für die ökonomische Abhängigkeit der Frauen. Unia forderte daher eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit für alle. Denn heute seien viele Frauen zu Teilzeitarbeit gezwungen, weil sie nur so Beruf und Familie miteinander vereinen könnten. (sda/lab)

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Kommentare

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09.03.2025 02:19

Sonnenliebe

👏👏

0 0
08.03.2025 10:10

pserratore

👍👍👍

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