
«Hallo Betty»: Köchin der Nation, die eigentlich Werbetexterin ist
Baseljetzt
Die Werbetexterin Emmi Creola erfindet Mitte der 1950er-Jahre die fiktive Figur Betty Bossi und wird damit schweizweit berühmt. Der Film «Hallo Betty» zeigt den Werdegang der Marke und wie heiss die Werbesuppe dafür gekocht wird.
«Ich bin gar keine Köchin. Ich wollte auch nie eine sein», sagt die alte Frau zu Beginn des Films. Der Öffentlichkeit ist sie als Betty Bossi bekannt, in der Realität heisst sie Emmi Creola-Maag und war Werbetexterin für eine Speiseölfirma. Ihre Erfindung vor bald 70 Jahren, die Kunstfigur Betty Bossi, sollte die Schweizer Küchen nachhaltig prägen.
Der Spielfilm «Hallo Betty» erzählt, wie die eher zurückhaltende Emmi Creola-Maag, gespielt von Sarah Spale, 1956 die Kunstfigur Betty Bossi erfindet. Und trotz Widerstand ihrer Agentur die Zeitschrift «Betty Bossi Post» mit Kochrezepten und Haushalttipps herausgibt – und damit den Grundstein für das heutige Imperium legt.
Der Trailer zum Film «Hallo Betty»:
Der Film von Pierre Monnard (”Platzspitzbaby”) beleuchtet aber nicht nur die Erfindung der «Köchin und Hausfrau der Nation», wie Betty Bossi damals wie heute genannt wird, sondern auch das Privatleben der Erschafferin Emmi. Deren Leben als plötzliche Schweizer Kochikone – viele Leserinnen der Zeitschrift waren zu der Zeit überzeugt, dass es Betty Bossi wirklich gibt – ist aufregend, aber auch kräftezehrend. Emmi kämpft gegen Neid und Missgunst ihrer männlichen Kollegen und versucht gleichzeitig, weiterhin eine liebevolle Mutter und Ehefrau zu sein. Das kann nur schiefgehen. Oder mindestens Probleme bereiten.
Ein weiblicher Don Draper
Dabei hatte Emmi Creola eigentlich nur nach einer Möglichkeit gesucht, Margarine und Erdnussöl für die renommierte Werbeagentur Jäggi & Partner zu promoten. Das ist dann auch eine Stärke des Films: Er zeigt vergnüglich und manchmal detailverliebt, wie es auf einer Werbeagentur zu und her geht und ist gleichzeitig eine wunderbare Spiegelung der damaligen Gesellschaft. Denn: Werbung war eine reine Männerdomäne zu dieser Zeit, die Frau schrieb im Hintergrund Texte oder blieb gleich ganz zuhause am Herd.
In «Hallo Betty» geht es deshalb auch um Rollenverteilung, den Wandel unseres Essverhaltens, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Selbstverwirklichung. Zumindest werden diese Themen angeschnitten und so weit behandelt, wie das in einem Film von nicht mal zwei Stunden möglich ist.
Man könnte auch sagen: «Hallo Betty» ist eine Art «Mad Men» auf Schweizerisch. Jene US-Serie, die im New York der 1960er in einer fiktiven Werbeagentur spielt, die Handlung dreht sich um den charismatischen Don Draper, Mitarbeiterinnen, Angehörige und Produkte, die es zu bewerben galt.
Produkte spielen – logischerweise – auch im Schweizer Film eine grosse Rolle. Emmi Creola, die ein Kochlabor eröffnet, wo sie Rezepte testet, braucht Lebensmittel (und Abwaschmittel: die «Pril»-Flasche steht jederzeit bereit beim Spülbecken in ihrem Zuhause).
Das Wichtigste sei gewesen, dass es die Produkte schon 1956 gegeben habe, gibt C-Films Auskunft. Die Filmproduktionsfirma hat «Hallo Betty» mit Betty Bossi, heute eine Marke des Grossverteilers Coop, realisiert. Zum Teil sei es auch einfach eine Bereitstellung von historischen Requisiten gewesen. Man sieht eine alte Dose Kambly-Guetsli oder den Schriftzug der Fleischfirma Bell. Auch das ist eine angenehme Seite des Films: Man ist nicht der Versuchung erlegen, das Set voll zu stellen mit Werbeartikeln.
Viel Werbelärm im Vorfeld
Etwas penetranter gestaltete sich die Kampagne für den Film. Wer sich für den Newsletter «Filmnews» eingeschrieben hat, wird seit Mai regelrecht überschüttet mit Neuigkeiten in Form von Rezepttipps, Kurzinterviews mit Schauspielerinnen, lustigen Leserbriefen von früher («Mein Mann schwärmt von Pizza. Kennen Sie das Rezept?»). Weniger wäre – wie es oft beim Kochen der Fall ist – mehr gewesen.
Und mit einem Film und einem Newsletter ist es für ein Projekt wie «Hallo Betty» nicht getan. Betty Bossi geht – fast wie früher – auf Tour. Bei «Das Zelt» wird ab Januar 2026 in mehreren Städten ein «Betty Bossis Koch- und Dinner-Spektakel» zu sehen sein, 4-Gang-Menü inbegriffen. Und auch Betty Bossis Kerngeschäft, nämlich Rezepte zu verbreiten, wird gepflegt. Eben ist «Erfolgsrezepte», das Kochbuch zum Film erschienen. Darin finden sich Riz Casimir, Tiramisu, das laut dem Verlag «in den 1980ern einen Mascarpone-Boom auslöste» bis hin zu einer «trendigen Buddha Bowl». Also ein bisschen von allem, allerdings aufgewärmt, sozusagen. Die Entscheidung, ein neues Betty-Bossi-Kochbuch herauszugeben, das 169. übrigens, ist verständlich. Allerdings hätte diesem ein wenig Phantasie à la Emmi Creola gutgetan. (sda/jwe)
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Sonnenliebe
Betty Bossi ist Kult.