
Hat die Schweiz ein Schiedsrichter-Problem?
Florian Vögeli
Nach dem Klassiker gehen die Diskussionen über die Schweizer Unparteiischen in die nächste Runde. Seit Jahren werden diese immer wieder kritisiert. Liegt das Problem vielleicht bei der Führung?
Es geht nicht um diesen Klassiker, bei dem der Unparteiische die viel zitierte Linie vermissen lässt. Es geht auch nicht um eine allfällige Benachteiligung des FCB. Es geht um eine grundsätzliche Schiedsrichterdiskussion, die bei den Unparteiischen auf dem Platz anfängt und sich über den VAR bis in die Führungsetage hinzieht.
Unterschiede zu ähnlichen Ligen
Der passendste Schiedsrichter wäre wohl ein ehemaliger Fussballprofi. Sie wollen sich die schwierige Rolle als Unparteiischen aber nicht antun. Wenn man aber eimal auf dieser Seite des Spiels gestanden hat, kann man das nötige Fingerspitzengefühl an den Tag legen und die Regeln meist optimal anwenden. Denn diese sind nicht glasklar formuliert. Oft sind sie interpretierbar. Auch deshalb gibt es in allen Ländern viele Diskussionen, die hoch emotional sind. Sie sind vermutlich auch ein Mitgrund, weshalb der Fussball so populär ist.
Umso wichtiger, dass Schiedsrichter:innen sich in die Situation hineinversetzen können, damit die möglichst richtige Entscheidung herauskommt. Dabei geht es nicht um einzelne Fehlentscheidungen. Fehler wird es – wie auch bei den Spielenden selbst – immer und überall geben, da Menschen nicht fehlerfrei sein können. Vielmehr geht es um die zahlreichen kleinen Entscheidungen, die eine Linie im Spiel erkennbar machen. Es geht um die Körpersprache und nicht zuletzt um eine gute Kommunikation. Vergleicht man Schweizer Schiedsrichter mit solchen aus ähnlichen europäischen Ligen, kommt man schnell zum Schluss, dass es genau in diesen Punkten Unterschiede gibt.
«Keine klare Führung»
Nach dem überhitzten Klassiker, der zum Schluss mit gleich drei roten Karten auf Seiten des FCB unglaublich emotional wird, stellt sich Marwin Hitz als einziger Basler Spieler den Medien. Der erfahrene und reflektierte Torwart kann trotz vielen Emotionen die Ruhe bewahren und kritisch analysieren. Er nimmt sich die Zeit, um in die Tiefe zu gehen.
Deshalb dreht er zu Beginn der Interviews mit Journalisten:innen den Spiess um. Er stellt die Fragen! Zum Beispiel diese hier: «Wie viele Aktionen hatten wir bereits in dieser Saison, die einfach nicht nachvollziehbar sind? Nicht nur in FCB-Spielen sondern allgemein. Wie oft im Schweizer Fussball seht ihr ein Spiel, das einfach keine Linie hat? Und ich meine nicht nur Fehlentscheidungen. Meiner Meinung nach leidet oft das ganze Spiel darunter, dass man keine klare Führung hat.»
Tiefere Probleme
Der Grund für seine Fragen ist, dass man aufpassen müsse, was man sagt. Auf diese Art kann er die Kritik auf eine andere Weise anbringen. Auf eine bessere, als einfach laut auszurufen. Trotzdem findet er dann auch deutliche Worte und sieht bei den Schiedsrichtern einen Mitgrund, wieso sich Schweizer Mannschaften auf europäischer Ebene schwer tun: «Ich glaube, wir haben in dieser Disziplin ein Problem in der Liga. Weil man auch sehen kann, wie viele Schweizer Mannschaften international abschneiden. Natürlich wird dort auch anderen Fussball gespielt, ganz klar! Aber meiner Meinung nach hat es auch damit zu tun, dass bei uns anders gepfiffen wird.» Er meine damit nicht den Vergleich mit Mannschaften an der europäischen Spitze sondern mit Mannschaften aus vergleichbaren Ligen. Der Spielfluss in der Schweiz werde zu oft gebrochen.
Anders als Hitz reagiert Interimstrainer und Sportchef Heiko Vogel nach dem Spiel. Auf die Frage, wieso der VAR beim gegebenen Elfmeter für Zürich nicht eingeschritten ist, sagt Vogel nur: «Ich habe gehofft, dass mir diese Frage heute niemand stellt. Ich werde auch keine Antwort darauf geben, weil ich sonst für die nächsten 50 Jahre gesperrt wäre.» Auch auf die Frage von Baseljetzt, ob die Schweiz ein grundsätzliches Schiedsrichterproblem habe, geht Vogel nicht ein: «Ich bin mein eigener Anwalt. Ich will das übernächste Spiel ja noch erleben.» Obwohl er es nicht ausspricht, ist klar, dass er die Meinung seines Keepers teilt.
Wie könnte man ein solches Schiedsrichterproblem in den Griff bekommen? Ob auf dem Platz oder in Volketswil beim VAR, es sind immer die gleichen Unparteiischen. Sie können nur bedingt etwas dafür, da sie die besten sind, die dieses Land im Moment zur Verfügung hat. Also dürfte das Problem tiefer liegen. Zum Beispiel in der frühen Akquisition von jungen Talenten und ehemaligen Fussballern, in ihrer Aus- und Weiterbildung und dann auch in ihrer Führung.
Kritik auch für FCB-Spieler
Dafür wäre ein grosses Knowhow in der Führungsetage um den Leiter des Ressorts Spitzenschiedsrichter Dani Wermelinger, der auch Mitglied der Schiedsrichterkommission ist, enorm wichtig. Aber auch dort fehlt die Sicht einer Person, die den Blickwinkel als Fussballprofi mitbringen kann. Ein gutes Beispiel dafür ist die kalibrierte Linie, die erst in der folgenden Saison zum Einsatz kommt. Dabei hätte man ahnen können, dass diese von Beginn weg (wie in vielen anderen Ligen) enorm helfen würde, Offside-Diskussionen zu minimieren.
Bei aller Kritik an die Adresse der Unparteiischen darf nach dem verlorenen Klassiker aber auch nicht vergessen werden, gewisse FCB-Spieler zu kritisieren. Kasim Adams, der sich in der Schlussphase nach einem Ellenbogenschlag vorzeitig verabschieden muss und die hektische Schlussphase damit einläutet. Taulant Xhaka, der als Captain seine Emotionen nicht im Griff hat und sich gleich zweimal zu einer Tätlichkeit hinreissen lässt. Und Wouter Burger, der ebenfalls den roten Karton zu sehen bekommt. Mit diesem unangebrachten Verhalten schaden sie nicht nur sich selbst sondern der gesamten Mannschaft.
In der Liga werden sie für einige Spiele gesperrt sein – ausgerechnet in der wichtigen Schlussphase dieser Meisterschaft, in der so viel auf dem Spiel steht. Hitz spricht auch dieses Thema ganz klar an: «Man kann sich auch mal halten oder es kann auch mal zu einer Rudelbildung kommen. Aber es hat alles seinen Rahmen. Vor allem die erste rote Karte darf so nicht passieren. Für uns ist das extrem schlecht. Das Spiel verlieren wir zu hundert Prozent nicht mit elf Mann.»
Zu diesen unrühmlichen Aktionen sagt dann auch Vogel seine Meinung: «Ich habe Verständnis, wenn man Emotionen zeigt, aber sie müssen im Rahmen bleiben und das waren sie nicht. Dadurch schwächen wir uns selbst. Ich bin nicht der Meinung, dass das Fussball ist oder dass er so sein sollte. Das sollte auf dem Fussballplatz nichts zu suchen haben.»
Feedback für die Redaktion
Hat dir dieser Artikel gefallen?
Kommentare
Dein Kommentar
Mit dem Absenden dieses Formulars erkläre ich mich mit der zweckgebundenen Speicherung der angegebenen Daten einverstanden. Datenschutzerklärung und Widerrufshinweise
Kommentare lesen?
Um Kommentare lesen zu können, melde dich bitte an.
Astrid1956
Seit Anfang der Saison war gefühlt wen Jemand in einem Match zu nahe kam Pfiffen die die Schiris in der 2 Halbzeit gegen die Gegner
lauenpet
Die Tore muss schon der FCB schiessen, auch wenn alles andere mehr als nicht optimal war.