«In privilegierter Situation ist das Frausein ein Genuss»: Mutter und Tochter sprechen zum Frauentag
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Weltfrauentag
Basel-Stadt

«In privilegierter Situation ist das Frausein ein Genuss»: Mutter und Tochter sprechen zum Frauentag

08.03.2023 11:37 - update 08.03.2023 14:52
Larissa Bucher

Larissa Bucher

Heute ist der internationale Frauentag – ein Tag, an dem Frauen weltweit eine Stimme gegeben wird. Eine Basler Mutter und ihre Tochter sprechen darüber, was es für sie bedeutet, eine Frau zu sein.

Er soll zum Nachdenken anregen und die Gleichstellung fördern: der internationale Frauentag. Seit über 100 Jahren wird jährlich am 8. März das Frausein gefeiert, auf Frauenrechte aufmerksam gemacht und sich gegen Diskriminierung eingesetzt. 2023 lautet das Motto «DigitALL: Innovation and technology for gender equality».

Viel zu oft wurde Frauen vorgeschrieben, was sie zu sagen, zu tun oder zu denken haben. Viel zu oft wurde vertretend für Frauen gesprochen, statt ihnen eine Stimme zu geben. Und, wie es bei der Abstimmung zum Abtreibungsrecht Roe v. Wade zu sehen war, werden weiterhin Gesetzte für statt von Frauen geschrieben. Wir nehmen den Weltfrauentag als Anlass dafür, zwei Frauen aus Basel eine Stimme zu geben.

Ein Privileg und ein Genuss

«In meiner privilegierten Situation ist das Frausein ein Genuss.» Katrin Roth ist Journalistin und liebt es, eine Frau zu sein. Das Schönste daran ist für die 50-Jährige die Möglichkeit, neues Leben zu erschaffen. «Mutter zu werden, war das Beste überhaupt! Ich liebte es, schwanger zu sein und ich liebe es, Mutter einer wunderbaren Tochter zu sein», sagt sie mit einem grossen Strahlen auf dem Gesicht. So richtig in Worte fassen kann sie es nicht, aber sie liebt das Frausein und geniesst es in vollen Zügen.

Diese Freude hat Katrin an ihre Tochter Anna weitergegeben. «Women support women», sagt die 23-Jährige und erzählt von dem Gemeinschaftsgefühl zwischen Frauen. «In den letzten 100 Jahren haben wir so viel erreicht. Das gibt mir persönlich unglaublich viel Kraft und verbindet uns Frauen untereinander. Sei es bei wichtigen politischen Themen, Demos oder auch einfach dann, wenn man sich auf dem Klo an einer Party mit einem anderen Mädchen anfreundet.»

Wenn Redebedarf besteht

Die Jurastudentin ist dankbar für alles, was ihre Mutter ihr mit auf den Weg gegeben hat. Vor allem schätzt sie die offenen Diskussionen in ihrer Familie und dem Umfeld. «Bei uns wurde schon immer über alles gesprochen, und das finde ich äusserst wichtig.»

So gab es Themen, die in der Schule viel zu wenig angesprochen wurden. Bei wichtigen politischen oder gesellschaftlichen Ereignissen hatte Anna dann oft Redebedarf. «Es ist extrem wichtig, dass wir in unserer Gesellschaft über schwierige Themen sprechen und so einen Diskurs weiter fördern. Nicht darüber zu sprechen, hilft nie weiter.»

Der eigene Körper geht niemanden etwas an

Es gibt jedoch ein Thema, über das beide Frauen nicht diskutieren wollen: Abtreibung. «Der Körper einer Frau geht niemanden etwas an», sagt Katrin klar. Auch Anna, die sich sonst immer gerne alle Seiten und Meinungen zu einer Thematik anhört, zieht dort eine klare Linie: «Bei Abtreibungen darf niemand reinreden. Der eigene Körper und die eigene Gesundheit sind etwas so Persönliches, da ist nur die Meinung der Frau selbst wichtig.»

Die beiden nennen die oben genannte Roe v. Wade-Abstimmung über das Abtreibungsrecht in den USA als ein einschneidendes Erlebnis. «No Uterus, No Opinion», zitiert Katrin Rachel Green aus der Erfolgsserie «Friends». Sie geht noch einen Schritt weiter und sagt: «Eigentlich müsste es heissen Not your Uterus, No Opinion. Es sind nämlich nicht nur Männer, die das Gefühl haben, der Körper einer Frau würde sie etwas angehen.»

Entscheidungen, die man selber treffen sollte

Katrin erklärt, dass sich in verschiedenen Situationen Männer und Frauen in ihr Leben, ihren Körper und ihre Entscheidungen einmischen wollten oder das Gefühlt hatten, kommentieren oder verurteilen zu dürfen.

Vor allem dann, wenn es um das Thema Kinder geht. «Was soll ich während der Schwangerschaft essen, ist ein Kaiserschnitt schlecht für mein Kind, soll ich das Kind stillen oder auch ganz simpel, soll ich überhaupt ein Kind kriegen? Und wenn ja, wie viele? Das sind alles Entscheidungen, bei denen sich andere einmischen wollten», erinnert sie sich.

Anna hat das noch nicht erlebt, aber auch sie merkt, dass beim Thema Kinder noch viel in Richtung Gleichberechtigung getan werden muss. Sie selbst verspürt keinen Druck von ihrem Umfeld, aber: «Die Gesellschaft macht den Frauen viel Druck. Es werden so viele Anforderungen gestellt, die schlicht unmöglich erfüllbar sind.» Sie gibt ihrer Mutter recht, die sagt: «Wir müssen mehr nach dem Motto ‘you do you’ leben. Also wir alle sollten das tun, was wir wollen. Das, was uns glücklich macht. Und alle anderen sollen sich nicht einmischen.»

Viel Luft nach oben

Allgemein gibt es bei der Gleichstellung noch viel Luft nach oben. Der Weltfrauentag ist für Anna ein Reminder, wie gut sie es in der Schweiz hat im Vergleich zu anderen. Gleichzeitig ist es aber auch ein Reminder, dass selbst hier noch viel getan werden muss. «Es ist eine Mischung aus Dankbarkeit, aber auch Wut», erklärt sie. So sind es besonders in der Schweiz kleine Alltagssituationen, die sie an ihre Grenzen bringen. «Wenn jemand nach starken Männern fragt zum Beispiel… Es sind diese kleinen Dinge, die mich schrecklich aufregen.»

Global gesehen ist einer der wichtigsten Punkte der beiden Frauen die Bildung. «Wissen ist Macht», sagt Katrin. Das sei nicht nur ein Sprichwort, sondern die harte Wahrheit. Die Tatsache, dass viele Frauen keinen Zugang zu Bildung haben oder um ihr Leben fürchten müssen, wenn sie zur Schule gehen, ist für Anna unvorstellbar und schmerzhaft. «Es hängt so viel mit Bildung zusammen und die Gesellschaft der zukünftigen Generationen ist davon abhängig, dass wir dort Gleichheit schaffen», sagt sie.

Benachteiligung bei hormonell bedingten Beschwerden

Ein weiteres Anliegen von Mutter Katrin ist die Gleichstellung in der Medizin. «Es ist bekannt, dass einige Medikamente nur an Männern getestet werden oder verschiedene Krankheiten bei Frauen spät oder überhaupt nicht diagnostiziert werden, da nur die männlichen Symptome bekannt sind.» Auch Anna kennt das Problem und weiss durch ihren Freund, der Medizin studiert, dass in diesem Bereich in den letzten Jahren viel gemacht wurde.

Luft nach oben gibt es aber weiterhin. Eine klare Benachteiligung sieht Katrin ausserdem bei hormonell bedingten Beschwerden: «Wenn Männer die gleichen körperlichen Voraussetzungen hätten wie Frauen, gäbe es schon lange gute Medikamente dagegen. Auch müsste man nicht über den Menstruationsurlaub oder eine Tamponsteuer diskutieren.»

Auf den Bauch hören

Katrin hat in ihren 50 Lebensjahren schon Einiges erleben dürfen. Erfolge, aber auch Rückschläge. Durch ihre Entscheidungen hindurch geführt hat sie stets ihr Bauchgefühl. «Das hat sich bei mir immer bewährt. Meistens tat ich das richtige, wenn ich auf mein Bauchgefühl hörte. Und wenn nicht, dann lernte ich immerhin etwas daraus», lacht sie.

Das ist deshalb einer der wichtigsten Ratschläge, die sie an ihre Tochter und an alle Frauen weitergeben will. «Es gibt kein perfektes Rezept für das Leben, aber mein Tipp an junge Frauen ist, immer so nett zu sich selbst zu sein, wie man zu der Person wäre, die man am meisten liebt.»

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