Gleichheit im Fussball: Der FCB hat ein Dreamteam der besonderen Art
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Gleichheit im Fussball: Der FCB hat ein Dreamteam der besonderen Art

18.02.2023 12:04 - update 19.02.2023 08:23

Riccardo Ferraro

Mit «Football is for all» wirbt die Fifa für Gleichheit und Inklusion. Am Beispiel des FCB Dreamteams zeigt sich jedoch, dass wir in der Schweiz noch nicht so weit sind. Die Gegnersuche ist schwierig.

Während 90 Minuten dem Alltag entfliehen, das wünschen sich einige der 1,7 Millionen Menschen, die in der Schweiz mit einer Beeinträchtigung leben. Ihr Alltag ist geprägt von Hindernissen und Schwierigkeiten. Wenn sich jemand von ihnen jedoch auf die Suche nach einem Fussballclub macht, eröffnen sich erst recht Hindernisse.

«Inklusive Fussballclubs gibt es nur wenige, einen in Zürich und einen in St. Gallen. Der FC Nordstern aus Basel hat gerade eben eine Abteilung dafür eröffnet», sagt Brigitta Fumagalli. Sie und ihre Familie könnte man als Vorreiter bei der Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung im Fussball bezeichnen.

Das Dreamteam entsteht aus Zufall

Die Heilpädagogische Schule im Ackermätteli ist der Geburtsort des Dreamteams. Den Kindern dort wurde der Ball weggenommen. «Sie können nicht Fussball spielen, das ist zu gefährlich», wurde gesagt und behauptet, sie könnten das nicht lernen. Das wollte Silvio Fumagalli, er war dort Quartierpolizist, nicht auf sich sitzen lassen.

Er nahm sich der Kinder an und suchte einen Platz zum Spielen. Da kamen die Old Boys ins Spiel. Sie stellten die Infrastruktur, und das Dreamteam war geboren. An der 127. Mitgliederversammlung des FCB wurde das Team dann übernommen. 1’500 Mitglieder zollten Beifall und nahmen es in rotblau auf. Götti des Teams wird Taulant Xhaka.

Seither wächst die Mannschaft weiter und besteht schon aus drei Teams. Und mit dem Training kam bei den Spieler:innen der Wunsch auf, sich zu messen. Gegner sind jedoch Mangelware. «Ich bin überzeugt, dass in jedem Einzugsgebiet Menschen mit Beeinträchtigung leben, die gerne Fussball spielen» sagt Fumagalli.

Das Team wünscht sich andere Gegner

Vier regionale Turniere pro Jahr gibt es in der Schweiz – eines organisiert das Dreamteam selbst. Bei diesen Turnieren spielt das Dreamteam auch gegen Fussballclubs für Beeinträchtigte. Ansonsten sind die Gegner oft Teams aus Institutionen. «Diese Institutionen machen einen guten Job. Wir wollen aber gegen Fussballclubs spielen», sagt Fumagalli.

Dazu kommen einzelne Testspiele wie zum Beispiel beim FC Therwil. Dort spielen sie zwar gegen Fussballclubs, jedoch gegen nicht Beeinträchtigte. Die Herausforderung ist dabei ungleich schwerer. Das einzige nationale Turnier sind die Special Olympics. Dort ist das Dreamteam jedoch nur geduldet. «Wir dürfen zwar mitmachen, aber eigentlich haben unsere Spieler oft die falsche Beeinträchtigung», sagt Fumagalli.

Die Special Olympics richten sich vor allem an geistig behinderte Menschen. «Auch für beispielsweise Blinde gibt es in der Schweiz kein einziges Spielfeld», sagt die Trainerin. Das, obwohl Blindenfussball bei der Fifa eine anerkannte Subform des Fussballs und paralympische Disziplin ist.

Beim Dreamteam darf jeder und jede mitspielen. Fumagalli erklärt, wie bei ihnen mit Blinden umgegangen wird:

Inklusion bedeutet in Deutschland etwas anderes

Ganz anders ist das in Deutschland. Dort werden 12 Turniere im Jahr angeboten. Das bewegt Fumagalli auch dazu, ihr Team immer mal wieder in Deutschland anzumelden. «Dann steigen wir in den Bus und fahren mal nach Potsdam», sagt sie. Die Spieler könnten das gut und hätten auch dort Freude am Spielen. In Deutschland wird Inklusion anders gelebt. «Dort spielen in den Teams jeweils auch nicht beeinträchtige mit beeinträchtigten Menschen zusammen. Alle können voneinander etwas lernen und haben Spass am Spiel», sagt Fumagalli.

Auch für die Schweiz wünscht sie sich so etwas. Mehr Angebote und mehr Möglichkeiten würden dem Dreamteam entgegenkommen und sie vom Alltag ablenken.

Ihr Traum wäre eine Liga, in der alle Teams aus der Super League auch ein Handicap-Team stellen. So würde der FCB gegen Sion oder Luzern spielen können. «Eine Handicap-Super League wäre toll. Das war schon lange mein Ziel. So langsam müsste die dann aber schon kommen», sagt Fumagalli.

Der SFV plant jedoch nichts dergleichen. Er schreibt auf Anfrage: «Stand heute gibt es keine Absicht, die Organisation der Fussballturniere von PluSport zu übernehmen. Aufgrund der aktuellen Struktur des Behindertensports in der Schweiz ist der Lead bei PluSport aus unserer Sicht an der richtigen Stelle angegliedert.»

PluSport ist in der Schweiz der Dachverband und die Fachstelle für den Behindertensport. Der SFV unterstütze PluSport finanziell und kommunikativ und wolle damit behinderten Menschen in der Schweiz Zugang zum Fussball ermöglichen.

So muss Fumagalli weiterhin hoffen, dass sich im Schweizer Vereinsfussball noch mehr Pionier:innen finden lassen, die wie sie und ihre Familie alles dafür geben, auch beeinträchtigten Menschen eine Plattform zu bieten.

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Kommentare

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18.02.2023 17:28

Mik8958

Super Bericht. Die SFV hinkt wie immer hinten nach. Diese wird leider erst “reagieren”, wenn andere Länder in Europa dies bereits eingeführt haben. Schade für unser Land.

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