Internationaler Strafgerichtshof befiehlt: Israel muss Rafah-Offensive sofort stoppen
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Internationaler Strafgerichtshof befiehlt: Israel muss Rafah-Offensive sofort stoppen

24.05.2024 15:40 - update 24.05.2024 19:34

Baseljetzt

Der Internationale Strafgerichtshof verpflichtet Israel zu einer sofortigen Beendigung des Militäreinsatzes in Rafah. Mit der Entscheidung entsprach das höchste Gericht der Vereinten Nationen in Den Haag am Freitag einer Forderung Südafrikas.

Es ist ein weiterer Rückschlag in zunehmend isolierter Lage: Der Internationale Gerichtshof hat Israel am Freitag zu einer sofortigen Beendigung seines Militäreinsatzes in Rafah verpflichtet. Mit der Entscheidung entsprach das höchste Gericht der Vereinten Nationen in Den Haag teilweise Forderungen, die Südafrika in einem Eilantrag gestellt hatte. Entscheidungen des Weltgerichts sind bindend. Allerdings besitzen die UNO-Richter keine Machtmittel, um einen Staat zur Umsetzung zu zwingen.

Nach Auffassung der Richter ist die humanitäre Lage in Rafah im südlichen Gazastreifen inzwischen desaströs. Weitere Massnahmen seien nötig, um weiteren Schaden für die Zivilbevölkerung abzuwenden. Das Gericht forderte von Israel nun «in Übereinstimmung mit seinen Verpflichtungen aus der Völkermordkonvention und in Anbetracht der sich verschlechternden Lebensbedingungen der Zivilbevölkerung im Verwaltungsbezirk Rafah, seine Militäroffensive und jede andere Aktion im Verwaltungsbezirk Rafah unverzüglich einzustellen, die den Palästinensern im Gazastreifen Lebensbedingungen auferlegen könnte, die ihre physische Zerstörung ganz oder teilweise herbeiführen könnten».

Gerichtshof verlangt Untersuchungen zu Völkermordvorwürfen

Seit Anfang Mai rückt die israelische Armee internationaler Kritik zum Trotz in Rafah vor – einem Ort, in dem mehr als eine Million Menschen wegen der Kampfhandlungen in anderen Teilen des Gazastreifens Schutz gesucht hatten. Israel bezeichnet sein umstrittenes militärisches Vorgehen dort als vorsichtig und begrenzt, auch aus Sicht des Verbündeten USA hat der Einsatz bislang nicht das Ausmass erreicht, vor dem Israel gewarnt wurde. Das UNO-Gericht sprach am Freitag ausdrücklich von einer Bodenoffensive in Rafah.

Neben dem Ende der Offensive verlangten die Richter von Israel ein Offenhalten des Grenzübergangs Rafah für dringend benötigte humanitäre Hilfe. Israel soll Untersuchungen der Vereinten Nationen hinsichtlich von Völkermordvorwürfen im Gazastreifen ermöglichen. Ausserdem soll Israel binnen eines Monats einen Bericht über alle getroffenen Massnahmen vorlegen.

Legen die USA ihr Veto ein?

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wollte Medienberichten zufolge am Freitag mit wichtigen Ministern über die Entscheidung beraten. Dass Israel die Aufforderung zur Beendigung des Rafah-Einsatzes umsetzt, ist allerdings unwahrscheinlich. Regierungssprecher Avi Hyman hatte am Donnerstag zu einer solchen Forderung gesagt: «Keine Macht der Welt wird Israel daran hindern, seine Bürger zu schützen, und gegen die Hamas in Gaza vorzugehen. Wir werden die Hamas zerstören, wir werden Frieden und Sicherheit für die Menschen in Israel und die Menschen in Gaza wiederherstellen. Wir können kein Regime an unserer südlichen Grenze dulden, das Völkermord anstrebt.»

Die UNO-Richter können nach einer erfolgten Entscheidung den UNO-Sicherheitsrat aufrufen, in der Sache tätig zu werden. Alle Mitgliedstaaten des Gerichts sind verpflichtet, die Entscheidungen des Sicherheitsrats zu respektieren. Es scheint aber zumindest fraglich, ob die USA bei einer entsprechenden Resolution zum Rückzug Israels aus Rafah auf ihr Vetorecht verzichten würden.

Weiterer schwerer Rückschlag für Israel

Die Forderung der UNO-Richter nach einem Ende der Militäroperation ist für Israel ein weiterer schwerer Rückschlag, nachdem vor einigen Tagen erst der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs Haftbefehle gegen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Galan beantragt hatte. Darauf folgte die angekündigte Anerkennung Palästinas als eigenen Staat durch Norwegen sowie die beiden EU-Länder Irland und Spanien.

Die palästinensische Autonomiebehörde rief – wie auch die islamistische Hamas – nach der Entscheidung die internationale Gemeinschaft auf, Druck auf Israel auszuüben. Die internationale Gemeinschaft solle Israel zur Umsetzung des Beschlusses zwingen, hiess es in einer am Freitag in Ramallah veröffentlichten Stellungnahme. Die Behörde sehe in der Entscheidung des Gerichts die Auffassung bestätigt, dass Israel Kriegsverbrechen verübe.

Südafrika klagt gegen Israel

Südafrika hatte bereits mehrfach im Eilverfahren Massnahmen gegen Israel gefordert. Dies geschieht im Rahmen der Völkermord-Klage, die das Land vor dem Gerichtshof im Dezember eingereicht hatte. In zwei Eilentscheidungen hatten die UNO-Richter Israel bereits verpflichtet, alles zu tun, um einen Völkermord zu verhindern und humanitäre Hilfe zuzulassen. Schon lange vor dem Gang zum IGH hatte Südafrika den Palästinensern seine Solidarität versichert. Präsident Cyril Ramaphosa betonte, dass seine Partei, die in Südafrika gegen das Apartheid-System gekämpft habe, an der Seite der Palästinenser stehe. Der einzige Ausweg für die Probleme im Nahen Osten sei die Zweistaatenlösung.

Israel hatte Vorwürfe des Völkermords im Gazastreifen vor dem Internationalen Gerichtshof als haltlos zurückgewiesen. Die von Südafrika vorgebrachten Vorwürfe seien eine «Verdrehung der Wirklichkeit». Israel beruft sich auf sein Recht auf Selbstverteidigung, nachdem Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober den Süden Israels überfallen und 1200 Menschen getötet hatten.

In Rafah will Israel die letzten dort verbliebenen Bataillone der Hamas zerschlagen. Nach Informationen der «Times of Israel» halten sich noch 300’000 bis 400’000 Zivilisten in Rafah auf. Die Zahl der Toten im Gazastreifen beläuft sich laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde inzwischen auf 35’800. Zudem ist von mehr als 80’000 Verletzten die Rede. (sda/daf)

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30.05.2024 09:36

mil1977

Nach dem Krieg in Syrien wurden die Grenzen geöffnet. Nach dem Krieg in der Ukraine wurden die Grenzen geöffnet. Nach dem Krieg in Gaza wurden keine Grenzen geöffnet.
Nach jedem Angriff der Muslime auf Israel ist es zu Vertreibungen gekommen. Das wollen die Muslime verhindern.
Dieser Krieg hat vor 75 Jahren begonnen, und für die Palästinenser hat dieser Krieg nie aufgehört. Bei den Russen hat der Krieg gegen den Westen auch nie aufgehört.
Die Israelis haben 3000 Jahre gebraucht bis sie wieder einen eigenen Staat bekommen haben. Jetzt haben sie wieder einen eigenen Staat und sie müssen trotzdem weiter darum kämpfen.
Die Israelis sind doch etwas hartnäckiger als die Palästinenser. Viele Muslime haben den Kampf eh schon aufgegeben.
Die Israelis haben in den 3000 Jahren die meiste Zeit gute Zeiten gehabt. Die Palästinenser hingegen schauen ja nicht mal, das sie ein gutes Leben bekommen. Es wird wohl die Ideologie der Grund sein, warum sich Israelis und Palästinenser derart unterscheiden.

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28.05.2024 00:29

mil1977

Geschichte von der “Zweistaaten-Lösung” ist eine Phantom-Debatte. Niemand will den Palästinenser-Staat. Allen voran die Hamas. Die wollen eine Einstaaten-Lösung. Nämlich vom Fluss bis Meer und vor allem Judenfrei. Aber auch kein arabischer Nachbar will ernsthaft einen Terror-Nachbarstaat.

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