
Ist die Region auf den Extremfall vorbereitet?
Leonie Fricker
Teile Osteuropas und Österreichs befinden sich nach heftigen Regenfällen im Ausnahmezustand. Auch in der Schweiz ist ein solches Szenario denkbar. Ist die Region auf ein Hochwasser dieses Ausmasses vorbereitet?
Im Jahr 2007 verursachte ein Hochwasser grosse Schäden im «Stedtli» und in allen Laufner Quartieren in der Nähe der Birs. Der Dorfkern von Muttenz stand 2016 mehrmals hintereinander unter Wasser. Nach diesen Jahrhundert-Ereignissen ergriff der Kanton vielerorts bauliche Massnahmen, um die gefährdeten Gebiete vor Hochwasser zu schützen. Doch wo liegen die Grenzen des Hochwasserschutzes?
Schutzbauten halten grosse Wassermengen im Zaum
Ein Beispiel. In Allschwil verursachten Hochwasser in den Jahren 1999 und 2000 Schäden in Millionenhöhe. Heute wird das Gebiet durch mehrere Schutzbauten davor bewahrt. Eine davon ist das Hochwasserrückhaltebecken «Isigs Brüggli». Es ist seit November 2007 in Betrieb und hält den Lützelbach im Zaum, sollte er sich nach starken Regenfällen in einen reissenden Fluss verwandeln.
Jonas Woermann, Leiter Wasserbau beim Tiefbauamt Basel-Landschaft, ist Experte für Hochwasserschutzbauten. Vor Ort in Allschwil erklärt er, wie das «Isigs Brüggli» bei massiven Niederschlägen das Wasser zurückhält:
Das Zurückhalten der Flut durch einen Damm ist eine Möglichkeit, die der Kanton nutzt, um den Hochwasserschutz zu gewährleisten. Insgesamt gibt es drei Methoden: Das Wasser zurückhalten, durchleiten oder umleiten, erklärt Jonas Woermann. Welche bauliche Massnahme an welcher Stelle umgesetzt wird, muss der Kanton in jedem Einzelfall gründlich analysieren und abwägen.
Ein Hochwasserschutzprojekt läuft derzeit in Laufen
In Laufen arbeitet der Kanton zurzeit an einem Hochwasserschutzprojekt. Das Bett der Birs wird vertieft und verbreitert, die Ufer werden erhöht. Damit soll verhindert werden, dass sich der Fluss bei starkem Regen durch Schwemmholz aufstaut und sich das Wasser seinen Weg ins Siedlungsgebiet sucht. Die Massnahme soll die Stadt vor einem 100-jährlichen Hochwasser schützen. Die Bauarbeiten beginnen im Herbst 2024.
Im Extremfall braucht es andere Massnahmen
Doch der Klimawandel stellt den Hochwasserschutz vor neue Herausforderungen. Bei der Planung von Schutzbauten müsse der Kanton künftig mit stärkeren Niederschlägen rechnen, sagt Woermann. «Die baulichen Massnahmen werden im Durchschnitt zehn bis zwanzig Prozent grösser als noch vor zehn Jahren.»
Bauten wie das «Isigs Brüggli» in Allschwil halten zwar grosse Wassermengen zurück. Doch bei extremen Regenereignissen, wie sie derzeit in Osteuropa oder Österreich auftreten, sind die Grenzen des Dammes schnell erreicht. «Dann geht es nur noch darum, Menschenleben zu retten.»
Alle Hochwasserschutzbauten im Baselbiet sind auf ein hundertjähriges Hochwasser dimensioniert. Bis dorthin können technische Massnahmen die Siedlungsgebiete vor Sachschäden schützen und auch die Bevölkerung absichern. Kommen die Schutzbauten an ihren Anschlag, treten organisatorische Massnahmen in Kraft. Dann wird der Schutz zur Aufgabe des Kantonalen Krisenstabs Basel-Landschaft, erklärt Woermann.
Ausgeklügeltes Warnsystem
Nach dem Unwetter in Laufen von 2007 habe man sich im Baselbiet auf die Extremsituation vorbereitet, sagt Patrik Reiniger, Leiter des Baselbieter Amts für Militär und Bevölkerungsschutz. An mehreren Stellen in den Flüssen der Region wurden Messsonden stationiert, die frühzeitig warnen, sollten Flüsse über die Ufer treten. Der Kantonale Krisenstab sei zudem im permanenten Austausch mit MeteoSchweiz, und somit über die aktuelle Gefahrenstufe informiert, erklärt Reiniger. «Wenn eine Gewitterzelle in die Region kommt, können wir so die Betroffenen frühzeitig warnen.»
So läuft der Schutz der Bevölkerung im Extremfall ab: Steigt die Gefahr für die Menschen durch ein Hochwasser, werden erste Verbauungen durchgeführt – beispielsweise mithilfe von Sandsäcken. Davon habe der Kanton Baselland mehr als genug, sagt Reiniger. Sie zu verlegen und zu stapeln, sei aber sehr personalintensiv. Sollten Gebiete evakuiert werden müssen, kämen vom Kanton vorbereitete Betreuungsstellen wie Turnhallen oder andere Gebäude zum Einsatz. Dort würden die Betroffenen untergebracht.
Patrik Reiniger hält es für möglich, dass es in der Region zu ähnlich massiven Niederschlägen kommen kann wie derzeit in Osteuropa. «Es ist reiner Zufall, dass das bei uns nicht passiert ist», sagt er gegenüber Baseljetzt. Dank der Warnsysteme ist der Krisenstab zwar für Extremsituationen gewappnet, Sachschäden hingegen wären nicht zu verhindern.
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spalen
ich hoffe, wir werden das nie im ernstfall testen müssen