
Keine «achtenswerten Beweggründe»: Härtere Strafe für Klimaaktivist in Genf
Baseljetzt
Das Genfer Kantonsgericht muss einen Teilnehmer des «Marsches für das Klima» von 2018 härter bestrafen als vorgesehen. Dies hat das Bundesgericht beschlossen.
Der Mann malte während des Marsches rote Handabdrücke auf die Fassade eines Bankgebäudes. Für diese Aktion kann er sich nun nicht auf achtenswerte Beweggründe berufen, wie das Bundesgericht entschieden hat.
Das höchste Schweizer Gericht hat eine Beschwerde der Genfer Staatsanwaltschaft gutgeheissen und ein Urteil des Genfer Kantonsgerichts aufgehoben. Die Sache geht nun zur Neufestsetzung der Strafe an dieses zurück. Die in Anwendung von Artikel 48 des Strafgesetzbuches gewährte Strafmilderung verletzt Bundesrecht, wie das Bundesgericht in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil schreibt.
Strafmilderung vom Kantonsgericht
Die Bestimmung sieht die Möglichkeit einer Strafmilderung vor, wenn ein Täter aus achtenswerten Beweggründen, in schwerer Bedrängnis oder unter grosser seelischer Belastung gehandelt hat. Das Genfer Kantonsgericht gewährte dem Aktivisten diese Strafmilderung. Weil zudem das Verfahren lange gedauert hatte, erachtete es eine Busse von 100 Franken aus ausreichende Strafe.
Laut Bundesgericht ist aufgrund einer allgemein anerkannten Werteskala zu beurteilen, ob ein Delikt aus achtenswerten Beweggründen begangen wurde. Die Sorge um die Auswirkungen des Klimawandels und um die Notwendigkeit, rasch Massnahmen zur Reduktion der Treibhausgase zu ergreifen, stelle unbestreitbar ein ehrbares Anliegen dar.
Idealistisch und selbstlos
Politische Aktionen von Klimaaktivisten hätten insofern einen idealistischen und selbstlosen Charakter, soweit sie darauf abzielten, die Bevölkerung zu sensibilisieren. In jedem Fall auszuschliessen sei der ehrbare Charakter, wenn gewalttätige Aktionen zu Sachbeschädigungen oder zu einer Gefahr für Dritte führten.
In einem Rechtsstaat wie der Schweiz, der im Bereich der politischen Rechte und der Meinungsäusserungsfreiheit weitgehende Garantien vorsehe, könnten solche Aktionen nicht mit politischen Idealen gerechtfertigt werden, führt das Bundesgericht aus.
Zu beachten ist gemäss Gericht zudem, dass die gelegentlich bei Klima-Aktionen geäusserten Aufforderungen zu zivilem Widerstand darauf abzielen können, die demokratische Legitimierung des Rechts in Frage zu stellen – insbesondere des Strafrechts.
Wegen Sachbeschädigung nicht achtenswert
Aktionen von Klima-Aktivisten könnten daher nicht von vornherein als Ausdruck ethischer Werte angesehen werden, die von der gesamten Bevölkerung oder zumindest von einer Mehrheit mitgetragen würden.
In Betracht fallen könnte unter Umständen eine freie Strafmilderung wegen achtenswerter Beweggründe bei gewaltfreien Aktionen wie einem sehr kurzfristigen Sitzprotest auf öffentlichen Strassen, ohne dass dabei der Verkehr gestört oder die öffentliche Sicherheit gefährdet werde. Angesichts der begangenen Sachbeschädigung im konkreten Fall liegt dem verfolgten Ziel jedoch kein achtenswertes Motiv zu Grunde, schreibt das Bundesgericht. (sda/mal)
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