Illegale Bewilligung für Gaskraftwerk: Oberstes Gericht rügt Bundesrat
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Gaskraftwerk
Schweiz

Illegale Bewilligung für Gaskraftwerk: Oberstes Gericht rügt Bundesrat

23.02.2024 13:25 - update 23.02.2024 14:43

Baseljetzt

Mit einem Reservekraftwerk in Birr (AG) wollte sich der Bundesrat vor einem Jahr für eine Strommangellage wappnen. Das Bundesverwaltungsgericht sagt nun: eine schwere Mangellage gab es gar nie.

Damit sei die Betriebsbewilligung nicht rechtmässig erteilt worden, sagt das Bundesverwaltungsgericht. Vereinfacht gesagt: die Bewilligung war illegal. Den Stein ins Rollen brachte eine Anwohnerin, die eine Beschwerde gegen die Bewilligung eingereicht hatte.

Der Bundesrat befürchtete im Februar 2022 nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine, dass die Schweiz Ende 2022 und im Frühling 2023 nicht ausreichend elektrische Energie importieren könne. Aus diesem Grund beschloss der Bundesrat den Aufbau einer Winterreserve. Vorgesehen war unter anderem der Bau des temporären Reservekraftwerks in Birr.

Die Landesregierung stützte ihren Entscheid auf das Landesversorgungsgesetz. Es erlaubt ihr, bei einer schweren Mangellage vorübergehende wirtschaftliche «Interventionsmassnahmen» zu ergreifen. Ziel solcher Massnahmen ist es, die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern sicherzustellen. Dies schreibt das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil, das am Freitag veröffentlichten wurde.

Im Dezember 2022 erliess der Bundesrat die Verordnung über den Betrieb von Reservekraftwerken und Notstromgruppen bei einer unmittelbar drohenden oder bereits bestehenden Mangellage. Gestützt auf diese Verordnung erteilte das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) dem Reservekraftwerk Birr Ende Dezember 2022 die Betriebsbewilligung. Diese galt bis am 31. Mai 2023.

Das Bundesverwaltungsgericht hat nun die Beschwerde einer Anwohnerin gegen die Betriebsbewilligung gutgeheissen. Sie argumentierte damit, dass für den Winter 2022/2023 bei der Versorgung mit elektrischer Energie keine schwere Mangellage bestand.

Kein beliebiger Spielraum

Laut Bundesverwaltungsgericht sei der Bundesrat zwar grundsätzlich zu Interventionsmassnahmen berechtigt. Allerdings habe er dabei nicht beliebig Spielraum.

Eine schwere Mangellage in Sachen Energieversorgung habe im Winter 2022/2023 nicht bestanden, sagt das Gericht. Zumindest habe das Uvek nicht aufzeigen können, auf der Grundlage welcher Annahmen der Bundesrat eine schwere Mangellage angenommen habe. Damit seien die gesetzlichen Voraussetzung für die Bereitstellung und den Betrieb des Reservekraftwerks Birr sei somit nicht gegeben gewesen.

Das Gericht führt weiter aus, dass wirtschaftliche Interventionen verhältnismässig sein müssten. Die von den Massnahmen berührten Interessen müssten deshalb gegeneinander abgewogen werden. Es sei nicht ersichtlich, welche anderen Möglichkeiten in Betracht gezogen worden seien – unter anderem mit Blick auf die Auswirkungen auf die Umwelt.

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gutgeheissen und festgestellt, dass die Betriebsbewilligung für das Reservekraftwerk nicht gesetzeskonform war. Dieses Urteil ist abschliessend und kann nicht beim Bundesgericht angefochten werden.

Klimastreik Schweiz begrüsste am Freitag das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und forderte Konsequenzen. Das Reservekraftwerk in Birr solle umgehend zurückgebaut werden, da für dessen Existenz keine Grundlage bestehe, teilte die Organisation mit. Die Kraftwerke in Cornaux NE und Monthey VS sollen laut Klimastreik Schweiz ebenfalls nicht mehr länger als Reserve unter Vertrag des Bundes stehen. Ausserdem müsse die Ausschreibung von neuen fossilen Kraftwerken, welche bis 2041 in Betrieb sein könnten, abgebrochen werden. (sda/lab)

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