
Kritik an gestopptem Aufnahmeprogramm der deutschen Regierung
Baseljetzt
Rund 200 Afghanen, die eine Aufnahmezusage aus Deutschland erhalten haben, fordern in einem Brief an Kanzler Friedrich Merz eine zügige Erteilung ihrer Einreisegenehmigung.
Die Gruppe wurde Mitte des Monats vom Nachbarland Pakistan nach Afghanistan abgeschoben und fühlt sich dort von den herrschenden islamistischen Taliban bedroht. Zu befürchten seien Entführungen, Folter, willkürliche Verhaftungen und sogar Hinrichtungen, heisst es in dem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorliegt. Zuvor hatte bereits der «Spiegel» berichtet.
Bei der Gruppe handelt es sich nach eigenen Angaben um Künstler, Bürger- und Menschenrechtsaktivisten, Richter, Staatsanwälte, ehemalige afghanische Regierungsangestellte, weibliche Haushaltsvorstände, Journalisten sowie Ortskräfte der deutschen Regierung. In Kabul sind sie demnach nun von der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in sogenannten Schutzhäusern untergebracht. Ihr Versteck sehen sie aber als nicht sicher an.
Wörtlich heisst es in dem Schreiben, das auch an das Aussen- und Innenministerium gerichtet ist: «Die ständige Bedrohung, dass die Taliban eindringen, die Angst vor Rache, willkürlicher Inhaftierung, Entführung, Folter oder Tod haben zu unerträglichen psychischen Traumata geführt.» Jede Stunde Verzögerung könne sie das Leben kosten. «Wir haben an Ihre Versprechen geglaubt. Bitte lassen Sie nicht zu, dass dieses Vertrauen uns – und unsere Kinder – das Leben kostet.»
Unterstützt wird die Gruppe in Deutschland von den Grünen. Parteichef Felix Banaszak und mehrere Bundestagsabgeordnete schrieben ebenfalls an die Regierung und stellten sich hinter die Forderungen der Afghanen.
Die Merz-Regierung aus Christ- und Sozialdemokraten hatte kurz nach ihrem Amtsantritt im Mai das Aufnahmeprogramm für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen gestoppt. Neben früheren Ortskräften deutscher Institutionen und ihren Angehörigen sollten über das Programm auch Afghanen aufgenommen werden, die Verfolgung durch die islamistischen Taliban fürchten müssen, etwa weil sie sich in der Vergangenheit für Menschenrechte eingesetzt haben.
Familien nach Hannover gebracht
Am Montag wurden dennoch mehrere in Pakistan gebliebene Familien per Linienflug von dort mit Zwischenstopp in Istanbul nach Hannover gebracht. Bei den 45 afghanischen Staatsangehörigen handele es sich ausschliesslich um Personen, die über Gerichtsverfahren die Vergabe von Visa erwirkt hätten, teilte eine Sprecherin des deutschen Innenministeriums mit. Alle hätten das Aufnahmeverfahren und die Sicherheitsprüfung vollständig durchlaufen.
Laut Auswärtigem Amt sind aktuell aus dem Aufnahmeprogramm 2.100 Personen in Pakistan und 200 in Afghanistan.
Innenminister Alexander Dobrindt hatte vor gut einer Woche Kritik an der Dauer des Aufnahmeprozesses zurückgewiesen. Er sei nicht bereit, auf reguläre Aufnahmeverfahren und auf Sicherheitsüberprüfungen zu verzichten. (sda/soj)
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