
Lohnungleichheit überwinden: Die Geschichte des International Equal Pay Day
Larissa Bucher
Der International Equal Pay Day findet jedes Jahr am 18. September statt und rückt die weltweite Ungleichheit bei der Bezahlung von Frauen und Männern ins Zentrum der Aufmerksamkeit.
Trotz jahrzehntelanger Fortschritte klafft weiterhin eine signifikante Lohnlücke zwischen den Geschlechtern. Der International Equal Pay Day, der 2019 von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen wurde, erinnert daran, dass wir als Gesellschaft noch immer weit davon entfernt sind, Lohngerechtigkeit für alle zu erreichen.
Eine lange Geschichte
Die Lohnungleichheit, auch als Gender Pay Gap bekannt, beschreibt den Unterschied im durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Frauen und Männern. Die Forderung nach gleichberechtigter Bezahlung hat ihre Wurzeln in der Frauenbewegung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Mit der zunehmenden Industrialisierung und der Einbindung von Frauen in die Erwerbsarbeit wuchs auch das Bewusstsein für Ungerechtigkeiten im Arbeitsleben. Während des Ersten Weltkriegs traten Frauen verstärkt in traditionell männlich dominierte Berufe ein, da viele Männer im Krieg kämpften. Trotz gleicher Arbeitsleistung wurden sie jedoch deutlich schlechter bezahlt. Nach dem Krieg kehrten viele Frauen in ihre traditionellen Rollen zurück, aber die Forderung nach gleichwertiger Bezahlung für gleiche Arbeit blieb bestehen.
Die zweite Welle der Frauenbewegung in den 1960er und 1970er Jahren brachte das Thema Lohngerechtigkeit verstärkt in die öffentliche Debatte. In vielen westlichen Ländern wurden Gesetze verabschiedet, die die Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz bekämpfen sollten. In den USA beispielsweise wurde 1963 der Equal Pay Act verabschiedet, der Frauen das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit garantieren sollte. In dieser Zeit entstanden gleichzeitig viele feministische Bewegungen, die sich für Lohngerechtigkeit einsetzten. Frauen organisierten Streiks und Demonstrationen, um auf die Lohnunterschiede hinzuweisen. Berühmte Beispiele dafür sind die Ford-Streiks in Dagenham im Jahr 1968, bei denen Frauen, die in der Automobilindustrie arbeiteten, gegen ungleiche Bezahlung protestierten.
Die Wichtigkeit der gesellschaftlichen Normen
Trotz vieler gesetzlicher Fortschritte blieben die tatsächlichen Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen bestehen. Die gesetzlichen Lücken und Schlupflöcher führten dazu, dass Unternehmen weiterhin die Möglichkeit hatten, die Bezahlung von Männern und Frauen unterschiedlich zu gestalten, indem sie die Tätigkeiten als «nicht vergleichbar» einstuften. Viele Unternehmen zahlten Frauen weniger, weil ihre Tätigkeiten als «weibliche Berufe» angesehen wurden, was häufig eine geringere Bewertung und Bezahlung zur Folge hatte.
Auch gesellschaftliche Normen spielten eine Rolle. Frauen wurden traditionell oft in Berufe gedrängt, die als weniger wertvoll angesehen wurden, wie etwa im Bereich der Pflege, Bildung und Verwaltung. Zudem führten familiäre Verpflichtungen, insbesondere die Betreuung von Kindern, dazu, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiteten und ihre Karrieren unterbrachen – Faktoren, die sich negativ auf das Einkommen auswirkten.
Die Entstehung des Internationalen Equal Pay Day
Um diesen Missständen weiterhin entgegenzuwirken, schuf die UN-Generalversammlung im Jahr 2019 den International Equal Pay Day, der erstmals am 18. September 2020 begangen wurde. Dieser Tag wird in Zusammenarbeit mit der Equal Pay International Coalition (EPIC) organisiert, einer Partnerschaft der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), UN Women und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Ziel des Aktionstages ist es, ein globales Bewusstsein für die Lohnungleichheit zu schaffen und Massnahmen zu fördern, die diese Ungerechtigkeit beseitigen.
Denn: Laut aktuellen Statistiken beträgt die geschlechtsspezifische Lohnlücke heutzutage in der Europäischen Union durchschnittlich etwa 13 Prozent. Global betrachtet variiert die Lücke stark: Während die Differenz in skandinavischen Ländern relativ gering ist, beträgt sie in einigen Entwicklungsländern über 30 Prozent.
Ein Blick in die Zukunft
Die Lohnlücke hat weitreichende soziale und wirtschaftliche Konsequenzen. Frauen, die weniger verdienen, haben im Laufe ihres Lebens geringere finanzielle Ressourcen zur Verfügung, was zu einer grösseren Altersarmut führt. Besonders drastisch sind die Auswirkungen für alleinerziehende Mütter, die oft mit finanziellen Schwierigkeiten kämpfen.
Um die Lohnlücke zu schliessen, sind sowohl gesetzliche als auch gesellschaftliche und unternehmerische Massnahmen erforderlich. Einige Länder haben bereits Fortschritte gemacht: In Island gibt es seit 2018 ein Gesetz, das Unternehmen verpflichtet, Lohngleichheit nachzuweisen. Unternehmen, die diesen Nachweis nicht erbringen können, drohen Geldstrafen. Aber auch auf Unternehmensebene gibt es Ansätze, um Lohngerechtigkeit zu fördern. Viele Firmen führen regelmässige Lohnaudits durch, um sicherzustellen, dass Frauen und Männer für gleiche Arbeit gleich bezahlt werden. Zudem investieren immer mehr Unternehmen in Diversity-Programme und setzen sich dafür ein, Frauen in Führungspositionen zu fördern.
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spalen
dass die lohngleichheit im jahr 2024 noch so eingefordert werden muss, ist eine schande!
die lohngleichheit müsste selbstverständlich sein!
Sonnenliebe
Gut, dass es so einen Tag gibt!