
19,5 Jahre Gefängnis und Landesverweis für Tötungsdelikt auf Lysbüchel-Areal
Lea Meister
In der Nacht auf den 15. August 2021 wurde auf dem Lysbüchel-Areal ein 28-jähriger Mann getötet. Der mutmassliche Täter musste sich diese Woche vor Gericht verantworten. Jetzt ist das Urteil da.
Der Gerichtssaal ist voll am Freitagnachmittag. Es sind viele Angehörige des Opfers aus der Tatnacht in Basel vor Ort. Auch einige wenige Bekannte des Beschuldigten sind ans Strafgericht gekommen. Auf die Urteilsverlesung reagiert der 25-Jährige nicht wirklich. Wenn, dann wirkt er vielleicht etwas genervt.
Kurz zusammengefasst sagt Gerichtspräsident Dominik Kiener: Der 25-Jährige ist schuldig. Und zwar schuldig des Mordes in Basel und des versuchten Mordes in Zürich. Zudem wird er auch für einfache Körperverletzung in Basel und Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt. Aus dem Urteil resultiert insgesamt eine Freiheitsstrafe von 19,5 Jahren.
Diese wird zugunsten einer stationären therapeutischen Massnahme aufgeschoben. Diese kann gemäss Gesetz nach fünf Jahren jeweils neu beurteilt werden. Es ist nicht selten so, dass sich solche Massnahmen über zehn Jahre oder mehr ziehen, wenn beim Straftäter keine Bereitschaft erkennbar ist, aktiv zum Therapieerfolg beizutragen. Die entsprechende Massnahme wird deshalb auch «kleine Verwahrung» genannt.
Landesverweis und Genugtuungszahlungen
Der 25-Jährige erhält zudem einen Landesverweis von 10 Jahren. Es handelte sich bei ihm zwar um einen persönlichen Härtefall, da er zu den Heimatländern seiner Eltern, also zu Nigeria und Kroatien, keinen Bezug und sein ganzes Leben und Umfeld in Zürich hat. Das Interesse der Öffentlichkeit, ihn aus der Schweiz auszuweisen, sei aber eigentlich maximal, so Gerichtspräsident Kiener.
Den Eltern des Basler Opfers werden je 60’000 Franken Genugtuung zugesprochen, den Brüdern des Verstorbenen je 20’000 Franken und der Schwester 30’000 Franken. Die Forderungen der Halbgeschwister wurden abgewiesen.
Vom Straftatbestand des Diebstahls von mehreren Handys wurde der 25-Jährige aus Zürich freigesprochen.
Verteidigung äusserte Kritik am Gutachten
Die Verteidigung habe umfassende Kritik am psychiatrischen Gutachten und der Kompetenz der Gutachterin geübt, so Kiener. Ein Grossteil der Kritik sei erst beim Plädoyer vorgebracht worden, zuvor nicht, was schade sei. So werde das Gericht sehr spät herausgefordert, auf diese Kritikpunkte zu reagieren. Die Gutachterin sei sehr erfahren, «eine Kompetenzkritik ist sicher nicht begründet».
Von schweren Depressionen und schweren Entzugssymptomen nach der Verhaftung könne nicht die Rede sein. Die Symptome, die der 25-Jährige im Untersuchungsgefängnis Waaghof gehabt habe, habe jeder zweite Insasse, der neu ins Gefängnis komme. «Es ist kein angenehmer Ort», so Kiener. Eine depressive Verstimmung sei vermutlich vorhanden gewesen, es müsse sich aber nicht gleich um eine schwere Depression gehandelt haben. Zudem seien auch diese Aspekte im Gutachten aufgeführt und analysiert worden.
Mitten in der Urteilsbegründung wird der Angeklagte plötzlich laut. Er wolle gehen und sich «das nicht mehr anhören». Das Urteil kenne er ja, er wolle jetzt nicht mehr zuhören. «Sie bleiben hier», erwidert Kiener und fährt ruhig mit der Urteilsbegründung fort.
Kritik an der Ermittlungsarbeit
Kiener kritisiert während der Urteilsbegründung auch die Arbeit der Zürcher Behörden nach dem Angriff auf den jungen Mann, der diesen nur knapp überlebt hat. Weshalb der heute 25-Jährige nicht schneller von den Zürcher Behörden verhaftet worden sei, könne er nicht sagen. Nach der Tatnacht in Zürich sei die Tatwaffe gefunden worden, wenig später seine Fingerabdrücke darauf.
Am 27. Juli wurde er wegen des Tatverdachts des Diebstahls kurzzeitig wieder festgenommen – dann aber wieder freigelassen. Einen Tag später sei dann die Zuständigkeit innerhalb der Staatsanwaltschaft geändert worden und plötzlich habe er als dringend tatverdächtig gegolten.
«Wir sind aber schon der Meinung, dass die Zürcher Staatsanwaltschaft hier den nächsten Schritt hätte machen müssen.» Dass es am 15. August zu einem solch schrecklichen Delikt kommen würde, hätte man natürlich nicht vorhersehen können, so Kiener. Das Gericht sei aber keine Aufsichtsbehörde, die Ermittlungsarbeit müsse von anderen Instanzen beurteilt werden. Die Opferfamilie denkt darüber nach, diesbezüglich eine separate Untersuchung zu verlangen.
Massive Brutalität
Beim Mord am jungen Mann in Basel könne von einem mittelschweren bis schweren Verschulden ausgegangen werden. Das Ausmass der Brutalität sei dermassen beträchtlich, dass sich dies straferhöhend auswirke. Der 25-Jährige sei zudem klar körperlich überlegen gewesen und die angegriffene Gruppe sei «im guten Glauben» gewesen, die Situation irgendwie anders, also friedlicher, klären zu können.
Reue ist beim 25-jährigen Zürcher auch am Freitagnachmittag keine zu erkennen, zumindest nicht oberflächlich. Er wird es in den eigenen Händen haben, wie lange die stationäre Massnahme zum Tragen kommen wird. Um den Aufschub der Freiheitsstrafe nicht zu weit in die Zukunft schweben zu lassen, wird er aber Einsicht und Bereitschaft zeigen müssen.
Der 25-Jährige kann über seinen Strafverteidiger Berufung anmelden. Für diesen Entscheid hat er 10 Tage Zeit. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Den Prozess kannst du hier im Live-Ticker nachlesen:
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Glugger
In der Tat, 19,5 Jahre Kost und Logis für einen Täter und dann muss er gehen? Und trotz allem wird das Opfer nie wieder das Sonnenlicht erblicken.
Juventus96
Einfach nur traurig..