
«So wahr mir Gott helfe»: Merz ist neuer Bundeskanzler
Baseljetzt
Das deutsche Parlament hat den CDU-Politiker Friedrich Merz am Dienstag im zweiten Anlauf zum neuen Bundeskanzler gewählt. Merz nahm die Wahl freudig und auch erleichtert wirkend an.
«Ich bedanke mich für das Vertrauen, und ich nehme die Wahl an», sagte er auf eine entsprechende Frage von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner. Merz tritt die Nachfolge von Olaf Scholz (SPD) an. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreichte dem CDU-Vorsitzenden anschliessend im Schloss Bellevue die Ernennungsurkunde, womit er rechtlich gesehen im Amt ist.
Anschliessend legte der 69-Jährige im Parlament seinen Amtseid ab: «Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.» Danach sollten die Ministerinnen und Minister dieser schwarz-roten Koalition aus CDU, CSU und SPD vereidigt werden. Noch für den späteren Dienstagabend war eine erste Kabinettssitzung geplant.
Zunächst ein grosser Schreck
Der Tag seiner Kanzlerkür hatte für Merz erst einmal mit einer bösen Überraschung begonnen. Im ersten Wahlgang hatten ihm sechs Stimmen zur erforderlichen Mindeststimmenzahl von 316 gefehlt – das hatte es bis dahin seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 noch nie gegeben. Im zweiten Wahldurchgang bekam er – erneut in geheimer Wahl – 325 Stimmen und damit neun mehr als die nötigen 316 Stimmen. Der Bundestag, das deutsche Parlament, hat nach einer Reform nun 630 Mitglieder.
Für einen zweiten Wahlgang noch am selben Tag und damit ohne weiteren Zeitverlust hatten sich alle Fraktionen darauf verständigt, von der Tagesordnung abzuweichen, um die auch international dringlich erwartete neue Regierung nun ins Amt bringen zu können.
Wer genau beim ersten Wahlgang nicht für Merz gestimmt hatte, also ob aus den eigenen Reihen oder der SPD, wurde zunächst nicht kolportiert. Theoretisch konnten auch Politiker der Opposition für ihn stimmen. CDU und ihre bayerische Schwesterpartei CSU haben insgesamt 208 Mandate, zusammen mit den 120 Stimmen der SPD kommen die Koalitionspartner auf 328 Stimmen.
Frau und Töchter im Moment des Scheiterns auf der Tribüne
Was für den Mann aus dem bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen der bislang grösste Tag in seiner politischen Karriere werden sollte, wurde zunächst zum Debakel. Einige sahen ihn ohnehin schon geschwächt, etwa weil er entgegen einem früheren Eindruck in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD dann doch die Schuldenbremse lockerte.
Andere fanden, dass der Koalitionsvertrag viel zu sehr die Handschrift des Wahlverlierers SPD trage – die Sozialdemokraten waren von 25,7 Prozent bei der Wahl 2021 auf 16,4 Prozent abgerutscht. Wieder andere waren empört oder enttäuscht über die Auswahl der Ministerriege, auch bei der SPD.
Merz’ Frau Charlotte, seine beiden Töchter Carola und Constanze sowie Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verfolgten von der Tribüne, wie Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) wenige Minuten nach 10.00 Uhr das Scheitern im ersten Wahlgang verkündete.

Nicht wenige Politiker äusserten sich bestürzt über den Ausgang des ersten Wahlgangs. Andere wie die Alternative für Deutschland (AfD) begrüssten die gescheiterte Kanzlerwahl. «Das zeigt, auf welch schwachem Fundament die kleine Koalition aus Union und von den Bürgern abgewählter SPD gebaut ist», schrieb Parteichefin Alice Weidel bei X. Die AfD forderte zunächst sogar Neuwahlen, unterstützte dann aber auch einen zweiten Wahlgang.
SPD einzig denkbarer Koalitionspartner
Die Christdemokraten hatten nach dem Aus der Scholz-Regierung die vorgezogene Parlamentswahl vom 23. Februar mit 28,5 Prozent der Stimmen gewonnen, sie brauchten aber für eine Mehrheitsregierung einen Koalitionspartner. Die AfD bekam 20,8 Prozent der Stimmen und stellt seitdem die zweitgrösste politische Kraft im Bundestag, doch sie kam als Koalitionspartner nicht infrage.
CDU, CSU und SPD handelten in den darauffolgenden Wochen eine schwarz-rote Koalition aus – die fünfte in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Der Koalitionsvertrag war nach der Zustimmung der drei Parteien am Montag unterzeichnet worden.
Immense Herausforderungen warten
Die neue deutsche Regierung steht vor mehreren Herausforderungen: Sie muss die schwächelnde Wirtschaft nach zwei Jahren Rezession wieder ankurbeln, will die irreguläre Migration eindämmen und die Finanzen mit Haushaltsplänen für 2025 und 2026 in den Griff bekommen. Ausserdem muss sie nach dem aussenpolitischen Kurswechsel von US-Präsident Donald Trump und angesichts der Bedrohung aus Russland ihre Rolle in Europa und der Welt neu definieren. (sda(lef)
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Thomy
Gratulation
Hampe56
natürlich wird jetzt dieser bemerkenswerte Fehlstart sowas von schön geredet