Nach Feuerpause: Drei Menschen erzählen über Hoffnung und Verunsicherung
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Nach Feuerpause: Drei Menschen erzählen über Hoffnung und Verunsicherung

HEUTE • 14:09 Uhr

Baseljetzt

Noch in der Nacht waren Schüsse zu hören, seit Freitag, zwölf Uhr, ist nach israelischen Militärangaben im Gazastreifen die Waffenruhe offiziell in Kraft. Wie geht es den Menschen, die das alles miterleben?

Bei den Menschen, die zwei Jahre lang Luftangriffe, Flucht und die Zerstörung ihrer Städte erlebten, herrscht eine Mischung aus vorsichtiger Hoffnung und tiefer Verunsicherung. Stimmen von drei Menschen in dem Küstenstreifen, die die Deutsche Presse-Agentur per Telefon und WhatsApp erreichte.

Chamis Othman, 42, Strassenhändler

«Meine Kinder fragen mich immer wieder, ob es wirklich vorbei ist – ob sie wieder zur Schule gehen können, ob wir nach Hause gehen und schlafen können, ohne Explosionen zu hören», sagt Chamis Othman aus Deir al-Balah. Über die Verkündung der Waffenruhe wagt er sich nicht zu freuen. «Die Menschen hier wollen glauben, aber Vertrauen fällt ihnen nicht mehr so ​​leicht», erklärt er. Schliesslich seien in der Vergangenheit Waffenstillstände wiederholt nicht von Dauer gewesen. «Trotzdem halten wir an der Hoffnung fest, denn nur sie gibt uns Halt», betont er. «Ich wünschte nur, dies wäre der letzte Krieg, den meine Kinder je erleben.»

Ilham al-Zaniin, 60, Hausfrau

«Als ich hörte, wie die Leute sagten, der Krieg könnte endlich enden, weinte ich – nicht vor Freude, sondern vor Erschöpfung», erzählt Ilham al-Zaniin. Zwei ihrer Neffen kamen im Krieg ums Leben, ihr Haus in Gaza wurde zerstört. Nun lebt sie wie so viele in einem Flüchtlingslager. «Irgendwann kann man nicht mehr um die Toten weinen, man betet nur noch, dass niemand ihnen folgt», meint sie. Wie es politisch weitergeht oder wer künftig die Macht in Gaza hat – darüber mag die fünffache Mutter nicht nachdenken. «Ich weiss nur, dass wir Stabilität brauchen – jemanden, der uns Essen, Strom, Schulen und Krankenhäuser bringt», sagt sie. «Ich hoffe, dass unsere Anführer, alle, zuerst an die Mütter denken, bevor sie an ihre Macht denken.»

Essam Harara, 55, Lehrer

Normalität – davon träumt auch Essam Harara. Jeden Tag sehe er Kinder weinen, weil sie hungrig, krank oder verängstigt sind. «Die Menschen haben die Politik und die Slogans satt. Wir wollen einfach nur ein normales Leben, wieder unterrichten, Geschäfte eröffnen, Häuser wiederaufbauen, das Meer hören, ohne Angst vor Luftangriffen.» Er fürchte, dass nun ein Machtvakuum entstehen könnte. Und doch will er glauben, dass es diesmal anders sein könnte: «Wenn beide Seiten ihr Wort halten, kann Gaza vielleicht endlich wieder atmen. Mein Traum ist einfach: Zurück in mein Haus gehen, einen kleinen Garten anlegen und nie wieder fliehen müssen.» (sda/vaz)

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