Studie von Martin Forter: Behörden vernachlässigen krebserregendes Benzidin
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Studie von Martin Forter: Behörden vernachlässigen krebserregendes Benzidin

05.03.2023 17:49 - update 05.03.2023 20:59

Lars Franzelli

Ein Bericht von Altlasten-Experte Martin Forter zeigt, dass die Behörden beider Basel das krebserregende Benzidin im Boden von Chemie-Arealen «vergessen» haben.

Es ist ein happiges Fazit, das die umfangreiche Studie des promovierten Geografen und Altlasten-Experten Martin Forter zieht. In Basel-Stadt sei die krebsauslösende Substanz Benzidin – die zweitgefährlichste Substanz im Zusammenhang mit der Altlastenverordnung – teils jahrelang «vergessen» gegangen. Und im Baselbiet hätten die Behörden das Verschmutzungsrisiko durch die Substanz beim Chemiegelände Schweizerhalle 20 Jahre lang nicht erkannt.

Auf allen vier Chemiegeländen von BASF und Novartis beziehungsweise Syngenta in den Kantonen Basel-Stadt, Baselland und Wallis sei Benzidin ein Thema. Die Studie zeigt: Die drei Kantone gehen mit der Benzidin-Problematik aber sehr unterschiedlich um. Publik gemacht hat den Bericht die Sonntagszeitung. Auch die bz hat darüber berichtet.

Auftraggeber der Studie ist die Vereinigung Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU), wo Forter selbst Geschäftsleiter ist. Der Altlasten-Experte hat sich bereits in der Vergangenheit mit der Chemiebranche, etwa der Novartis, angelegt.

Kantone gehen unterschiedlich mit Substanz um

Während der Kanton Wallis laut dem Bericht die Tragweite einer Verschmutzung durch Benzidin schon seit 2003 «systematisch» und «logisch nachvollziehbar» erkundet und die Areale entsprechend saniert, liege der Kanton Basel-Stadt «am Gegenpol der Kompetenzskala». Bei den Chemiegeländen Klybeck und Rosental falle der Stadtkanton durch ein «unkoordiniertes Vorgehen» und «lückenhafte Standortuntersuchungen» auf. Benzidin sei dort laut dem Bericht teils sogar jahrelang «vergessen» gegangen. Analysemethoden würden oft nicht dem Stand der Technik entsprechen.

Forter kritisiert auch das Baselbiet. So hätten die Behörden das Verschmutzungsrisiko durch Benzidin auf dem Chemiegelände Schweizerhalle 20 Jahre lang nicht erkannt. Die Substanz sei nie Thema gewesen und die Analysemethoden würden des öftern nicht dem Stand der Technik entsprechen, so Forter im Bericht.

Das Problem ist bekannt

Das Klybeck-Areal gehört mittlerweile Swisslife und Rhystadt. Man habe die Belastungen auf dem Areal im Rahmen des Kaufprozesses im Detail analysiert, nimmt Swisslife in der Sonntagszeitung Stellung. Es sei ökologisch und ökonomisch sinnvoll, dass die Entsorgung des belasteten Aushubs im Rahmen der konkreten Bauvorhaben erfolgen würde. So wie es die Altlastenverordnung vorsehe.

In den Untersuchungen der Chemiemülldeponien war Benzidin laut dem Bericht lange kein Thema. Erst seit die Substanz im Jahr 2021 bei der Deponie Roemisloch in Neuwiller in Mengen weit über dem bekannten Grenzwert nachgewiesen wurde, suchen der Kanton Jura und Baselland bei den Chemiegeländen und Chemiemülldeponien im Kantonsgebiet danach.

Benzidin offenbart Schwachstellen

Mit Benzidin hätten einige Kantone bei der Altlastuntersuchung «ausgerechnet die zweitgefährlichste Substanz im Kontext der Altlastenverordnung aus den Augen verloren» und nicht fachgerecht weiterverfolgt, steht im Bericht weiter. Dies würde Schwachstellen der 25-jährigen Altlastverordnung offenbaren: «Denn es ist möglich, bei den Altlastuntersuchungen Benzidin als eine der wichtigsten Substanzen der Altlastenverordnung zu übergehen. Dies kann zu gravierenden Fehlbeurteilungen führen.»

Der Bericht kommt zum Schluss: Längst abgeschlossene Altlastuntersuchungen müssen wegen Benzidin und anderen bisher meist nicht beachteten Substanzen nochmals aufgerollt und neu beurteilt werden. Auch abgeschlossene Sanierungen seien davon betroffen.

Revision der Altlastenverordnung gefordert

Forter stellt weiter die Frage in den Raum, wie wirksam das Hauptanliegen der Altlastenverordnung umgesetzt wird. Das Ziel der Verordnung ist es, die grössten Umweltrisiken für Mensch und Umwelt sicher zu erkennen und zu beseitigen. «Dies kann sie, wie diese Studie zeigt, heute nicht gewährleisten. Deshalb drängt sich eine Revision der Altlastenverordnung auf», so Forter im Bericht.

In Zukunft müsse gewährleistet werden, dass bei Substanzen wie Benzidin «sicher, zuverlässig und gemäss dem Stand der (Analyse-)Technik abgeklärt wird, ob sie die Schutzgüter gefährden oder verschmutzen.» Das Vorgehen bei der Untersuchung und Sanierung von Altlasten müsse daher harmonisiert und auf ein einheitliches, hohes Niveau gebracht werden. Wie das gehen könnte, zeigt das Vorgehen des Kantons Wallis beim Chemiegelände in Monthey.

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