Wie sich Menschen mit Halbwahrheiten die Taschen füllen
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Podiumsdiskussion
Basel-Stadt

Wie sich Menschen mit Halbwahrheiten die Taschen füllen

26.04.2023 05:12 - update 26.04.2023 14:12
Maximilian Karl Fankhauser

Maximilian Karl Fankhauser

Im Zuge der Vorträge von Daniele Ganser in Basel hat die Uni eine Podiumsdiskussion veranstaltet. Diese gab einen Einblick in die Welt der Desinformation, die durch selbsternannte Experten verbreitet wird.

«Achtung, Achtung, die Liegenschaft muss evakuiert werden!» Für den grössten Aufreger des Abends sorgte ein Feueralarm im zweiten Stock des Kollegienhauses der Universität Basel. Wegen des Alarms kam es zu einem kurzen Unterbruch und etwas Verwirrung bei den Anwesenden. Danach aber konnte die Podiumsdiskussion «Wahrheiten, Halbwahrheiten und Lügen – Erzählungen über Russlands Krieg gegen die Ukraine» ohne weitere Zwischenfälle fortgesetzt werden.

Die Podiumsdiskussion stand ganz im Zeichen der wissenschaftlichen Auf- und Erarbeitung des Kriegs in der Ukraine. Und natürlich auch in direktem Zusammenhang mit Daniele Gansers Vortragsreihe «Warum ist der Ukraine-Krieg ausgebrochen?». Der umstrittene Historiker tritt am Mittwoch und Freitag im Stadtcasino Basel auf.

Ganser ist kein Russlandexperte

«‹Welterklärer› wie Daniele Ganser verwischen in ihren
Deutungen die Grenze zwischen Opfern und Täter:innen und ignorieren
etablierte wissenschaftliche Erkenntnisse», schrieb die Universität Basel in ihrer Einladung zur Diskussion. Gemeinsam beleuchteten am Dienstagabend der Osteuropaexperte Benjamin Schenk, die Germanistin Nicola Gess, der Soziologe Oliver Nachtwey, die Slawistin Sylvia Sasse und SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck die Problematik der Ganser-Auftritte. Und machten gleichzeitig auf die Desinformation aufmerksam, die solche Menschen verbreiten.

Während der zweistündigen Diskussion an der Uni Basel haben die Expert:innen den Historiker Daniele Ganser aus verschiedenen Winkeln beleuchtet. Problematisch sei, dass Ganser kein Experte der osteuropäischen Geschichte sei. Deshalb sei es problematisch, dass er Vorträge zum Krieg in der Ukraine hält.

Papers oder wissenschaftliche Arbeiten Gansers zum Krieg in der Ukraine suche man vergebens. Hinzu komme, dass der Historiker keine der einschlägigen Sprachen spricht oder versteht. Somit könne er auch nicht wissen, was in den jeweiligen ukrainischen oder russischen Medien stehe, so die Podiums-Teilnehmer:innen.

Ein Geschäftsmodell

Ganser sei in seinen Themen sprunghaft, verfolge aber immer dasselbe Ziel, so die Expertenrunde. Bei seinem Publikum schürt er Zweifel an der Berichterstattung der Medien. Einerseits wolle er das Publikum dazu bringen, diese kritischer zu hinterfragen. Andererseits werde er bei der leisesten Kritik zensiert und verboten. Dies weise in wesentlichen Punkten Parallelen zu der russischen Inlands- und Auslandspropaganda auf, wurde am Podium gesagt.

Während der Veranstaltung wurde Ganser auch immer wieder als Geschäftsmann bezeichnet, der mit den Ängsten seiner Fangemeinde spielt und daraus so etwas wie ein Geschäftsmodell gemacht hat. Schätzungen zufolge kassiere Ganser mit seinen Bühnenauftritten sehr hohe Summen.

Meinungsfreiheit als hohes Gut

Um sich von Desinformation im allgemeinen nicht blenden zu lassen, empfehlen die Podiumsteilnehmenden vor allem Selbstreflexion und Recherche. Man solle sich selbst die Frage stellen, wie glaubwürdig das Gelesene tatsächlich sei. Zudem sollten Quellen und Fakten, auf die in Texten verwiesen wird, immer überprüft werden.

Bei der Fragerunde am Ende der Podiumsdiskussion zeigte sich, dass im Publikum auch Leute sassen, die mit Daniele Ganser auf einer Wellenlänge sind. Es wurden also auch kritische Anmerkungen gemacht. Diese wurden von den Podiumsteilnehmenden sachgerecht und faktenbasiert widerlegt.

Zur Frage, ob man die Auftritte Gansers in Basel hätte zensieren müssen, hatten die Teilnehmenden am Podium eine klare Antwort: Nein. Die Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, argumentierten sie. Anders sähe es aus, wenn Daniele Ganser an einer Universität oder einer Fachhochschule Vorträge halten wollen würde. Denn diese Lehre beruhe auf wissenschaftlich untermauerten Fakten. Wenn dann ein Vortrag dieser Art stattfinden würde, entspräche dies nicht dem Lehrauftrag der Institutionen. Und genau auch aus diesem Grunde fand an diesem Dienstagabend eine solche Podiumsdiskussion an der Universität Basel statt.

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Kommentare

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26.04.2023 20:26

Tschuegge

….unter dem Deckmantel der ‘Meinungsfreiheit’ kann jeder jeglichen Stuss erzählen.
Schade, dass man mit solchem Seich auch noch seine Taschen füllen kann…

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26.04.2023 08:07

kleiton

Ich wollte endlich von Wissenschaftlern vernehmen, wo Ganser inhaltlich falsch liegt. Nichts davon geschah, Fehlanzeige. Das Ganser-Bashing ging einfach auf vermeintlich hoher Stufe der Wissenschaft weiter, wie wir es seit Monaten medial wiedergekäut erfahren dürfen.
Ich gehe davon aus, dass auch unter Wissenschaftlern sehr wohl divergente Interpretationen möglich sind. Auch Quellen und sog. Fakten sind diskutabel.
Ich erinnere i.c. an eine Aussage vom heutigen CIA-Chef Burns aus seiner Zeit als US-Botschafter in Moskau vor Jahren: Die Erweiterung der Nato in Osteuropa war “bestenfalls verfrüht und schlimmstenfalls eine sinnlose Provokation”. 1994 ergänzte Burns, ein unmittelbarer Nato-Beitritt der Ukraine könne erhebliche negative Folgen auslösen, denn der Beitritt der Ukraine zur Nato ist “eine deutliche rote Linie für jede Führung in Russland”.
(Zitate aus dem Buch ‘Nationale Interessen’, Klaus von Dohnanyi, 2022)
Sind Burns und Dohnanyi somit bereits Vrrschwörungstheoretiker ?

5 6
26.04.2023 11:29

ErwinR

Seine Inhalt wurden zigfach widerlegt. Gerne verweise ich auf die GWUP wo jeder Vortrag analysiert wurde. Sie finden dazu auch verlinkte Kanäle wie “Verschwörung und Fakten” oder “Er fragt ja nur”. Schauen Sie doch mal vorbei

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26.04.2023 11:18

gundeli4ever

Der Prof. der Uni Basel, der auch im Talk bei telebasel war, hat ein simples Beispiel geiefert. Er hat (für mich) plausibel erklärt, warum der Westen das gar nie hätte inszenieren KÖNNEN).

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