Remo Gaugler: Das Gesicht hinter dem FCB-Nachwuchs
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Remo Gaugler: Das Gesicht hinter dem FCB-Nachwuchs

21.03.2024 21:12 - update 31.03.2024 10:23

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Remo Gaugler prägte während 25 Jahren den FC Basel. Seit 1997 hat er sich vom Assistenztrainer zum Architekten einer Nachwuchsphilosophie entwickelt, die den FCB nachhaltig verändert hat. Die Geschichte seiner bemerkenswerten Karriere zeigt, wie er die Basler Talentschmiede revolutionierte.

Remo Gaugler (55) ist eine der prägenden Persönlichkeiten in den letzten 25 Jahre des FC Basel. Bevor er aber zum FCB stiess, absolvierte er eine Lehre als Automechaniker und später als Kaufmann.

Bereits während seiner Zeit bei Feldschlösschen war er in der Ausbildung von Jugendlichen eingebunden. 1997 kam Gaugler als Assistenztrainer der U16 in einem Teilzeitpensum zum FC Basel. Der FCB war auf ihn aufmerksam geworden, weil er beim FC Bubendorf viele Talente zum Club gebracht hatte.

Vom regionalen Mittelfeld an die Schweizer Spitze

Zusammen mit Marcel Hottiger wurde er dann beauftragt, den Kinderfussball beim FCB neu zu strukturieren. Der damalige Präsident René C. Jäggi formulierte das Ziel, eigene Junioren für die erste Mannschaft auszubilden. «Ich habe früh das unglaubliche Entwicklungspotenzial gesehen und war begeistert», erzählt Gaugler.

Der damalige Nachwuchs des FCB steht in starkem Kontrast zu dem heutigen: GC war nicht nur im Profifussball, sondern auch in der Nachwuchsarbeit das Mass aller Dinge in der Schweiz. «Als ich übernommen hatte, war der FCB im regionalen Mittelfeld. Vom nationalen Vergleich will ich gar nicht reden», sagt Gaugler über diese Zeit.

Der FCB habe zwar Spieler ausgebildet, diese seien aber nicht für die erste Mannschaft geeignet gewesen. Nach einer gründlichen Analyse musste Gaugler einen Weg finden, um von einer grossen Breite an Spielern zu einer qualitativ besseren, aber engeren Auswahl zu kommen. Nach zwei bis drei Jahren gehörte der FCB dann zur nationalen Spitze.

Der Nachwuchs-Campus, wie man ihn heute kennt, ist mit den Verhältnissen von damals nicht zu vergleichen. «Wir mussten darum kämpfen, dass der Rasen gemäht wurde und hatten für 50 Spieler zwei funktionierende Duschen», erinnert sich Gaugler.

Anders als heute waren die eigenen Ambitionen und die Trainerkarriere für die Trainer zweitrangig. Die Entwicklung der Spieler stand immer im Vordergrund. Gaugler ergänzt: «Deshalb gab es auch keinen Neid unter den Trainern. Wir haben immer als Team für bessere Bedingungen gekämpft. Das hat uns geprägt.»

Remo Gaugler als Wegweiser für die FCB-Talente

Mit Cheftrainer Christian Gross wurden erste Gespräche geführt, welche Spieler aus dem Nachwuchs den Sprung in den Profibereich schaffen könnten. Der erste Kandidat war Philipp Degen. Gross wurde von der Vereinsleitung explizit aufgefordert, Degen Spielpraxis zu geben und ihn zu fördern. Der Fall Degen erwies sich als äusserst erfolgreich und gilt als der erste von vielen, die in der Folge den Sprung vom Nachwuchs in die erste Mannschaft des FCB schafften.

Später übernahm Gaugler die U18 und war so massgeblich an der Entwicklung von grossen Talenten wie Granit Xhaka oder Xherdan Shaqiri beteiligt.

In der Zwischenzeit wurde Gaugler Trainer der U15 und Leiter der Préformation. Später übernahm er die U18 und war so massgeblich an der Entwicklung von grossen Talenten wie Granit Xhaka oder Xherdan Shaqiri beteiligt. Es habe ein intensiver Austausch mit den Trainern der ersten Mannschaft stattgefunden, um die besten Talente aus dem Nachwuchs bei den Profis zu integrieren.

Schwierig gestaltete sich anfangs der Weg von Xherdan Shaqiri. Unter Christian Gross wäre es nicht einfach gewesen, in die erste Mannschaft zu kommen, sagt Gaugler. Gross hielt Shaqiri für zu klein. Doch Shaqiri vertraute Gaugler und blieb geduldig, statt sich für einen Wechsel innerhalb der Schweiz zu entscheiden. Die Geduld sollte sich auszahlen: Unter Thorsten Fink schaffte Shaqiri den Durchbruch. 

Besonders hervorheben möchte Gaugler den Durchbruch von Granit Xhaka. Thorsten Fink sei bei einer Veranstaltung auf ihn zugekommen und habe ihm gesagt, dass er sich überlege, Xhaka am kommenden Wochenende in die Startelf zu stellen. «Sofort, bring ihn, aber nicht nur für ein Spiel. Neben Beni Huggel kann er nichts falsch machen», antwortete Gaugler. Fink brachte Xhaka von Beginn an. Der Rest ist Geschichte.

Remo Gaugler: Das Gesicht hinter dem FCB-Nachwuchs
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Neubeginn und Herausforderungen

2013 verliess Remo Gaugler den FCB zum ersten Mal. Zusammen mit Alex Frei wechselte er als Chefscout zum FC Luzern – später wurde er sogar Sportchef. 2017 kommt es zum grossen Umbruch beim FCB: Die neue sportliche Führung um Marco Steller holte Gaugler als Kaderplaner zurück nach Basel.

«Der Umbruch sei damals zu radikal gewesen», resümiert Gaugler rückblickend. «Viele Positionen in der Clubführung wurden neu besetzt. Dazu kam ein Trainerwechsel von einem Double-Gewinner hin zu einem Nachwuchscoach. Mit Doumbia und Janko verlor man zudem im Vergleich zur Vorsaison über 30 Tore.»

Auch in den vergangenen Jahren hat der FCB viele Talente mit grossem Potenzial ausgebildet; den Schritt in die erste Mannschaft hat aber keiner geschafft. Gaugler nennt Spieler wie Orges Bunjaku, Yannick Marchand, Liam Chipperfield oder Tician Tushi. Ihnen habe die nötige Unterstützung und Geduld des Vereins gefehlt.

Es wurden viele fehlerhafte Potenzialeinschätzungen gemacht und nicht auf die richtigen Spieler gesetzt.

Immer wieder wurden Talente in den Profikader hochgezogen, kamen zu einzelnen Einsätzen und wurden dann wieder in den Nachwuchs zurückversetzt oder ausgeliehen und nicht weiter gefördert. Zudem wurden viele fehlerhafte Potenzialeinschätzungen gemacht und nicht auf die richtigen Spieler gesetzt.

So hat der FCB in den letzten Jahren viele vielversprechende Talente verloren. Das hatte auch Folgen für jüngere Spieler, die dadurch entmutigt wurden. Es sei der Eindruck entstanden, dass der Sprung in die erste Mannschaft nicht möglich ist. Deshalb seien die aktuellen Beispiele Avdullahu, Akahomen, Zé und Beney besonders wichtig. Bei ihnen nimmt man sich die nötige Zeit und führt sie behutsam an die erste Mannschaft heran. Das habe sich in den letzten zwei Jahren deutlich verbessert, betont Gaugler.

Gaugler meint weiter: «Mit den Spielern wurde nicht ehrlich umgegangen. Auch Spieler sind Menschen mit Gefühlen und Befindlichkeiten, auf die der FCB Rücksicht nehmen muss. Ehrlichkeit muss an erster Stelle stehen. Wir mussten ihr Vertrauen zurückgewinnen.»

Die täglichen Aufgaben eines Nachwuchsdirektors

Gauglers Hauptaufgabe bestand in den letzten Jahren darin, Strukturen zu schaffen und den verschiedenen Positionen klare Aufgaben zuzuweisen. In einer ersten Phase sollten auch «Altlasten» bereinigt werden. Für Gaugler war es immer wichtig, auf allen Positionen Leute zu haben, die mehr von ihrem Fach verstehen als er selbst. So würden sie mehr Verantwortung übernehmen und Führungsqualitäten entwickeln.

Ein weiterer Schwerpunkt war die Kaderselektion in den verschiedenen Teams sowie das Personalscouting. «Ich hatte immer den Anspruch gehabt, die besten Leute für den FCB zu gewinnen und ihnen das Gefühl zu geben, ‹für Sie nach Paris zu laufen›. Zum Beispiel Stephan Lichtsteiner: Ich musste mich in Gesprächen davon überzeugen, dass er der Richtige für meine Vorstellungen von Talentförderung ist. Und er war sowas von der Richtige!»

Ausserdem besuchte er täglich das Training, um die Entwicklung der Spieler direkt zu verfolgen. Am Wochenende analysierte er mit den Trainern jeweils die Spiele. Als Nachwuchschef war es Gaugler ein Anliegen, gewisse Werte vorzuleben. «Wir müssen dankbar sein für die Bedingungen, die wir hier vorfinden», sagt er.

Auf Basler Boden gewachsen

Die Entwicklung junger Fussballspieler, insbesondere ihre persönliche Reifung, hat Gaugler schon immer fasziniert. Dabei setzt er auf psychologische Werkzeuge, die es den Spielern ermöglichen, auch unter Druck Höchstleistungen zu erbringen. Seine grosse Stärke sieht er in der Kommunikation und der persönlichen Betreuung. Die Spieler sollen sich auf ihn verlassen können.

Das Talentpotenzial auf dem Nachwuchs-Campus des FCB ist dem 55-Jährigen zufolge hervorragend. Entscheidend sei in erster Linie, wie und von wem die Spieler auf ihrem Weg begleitet werden: «Persönlichkeiten formen Persönlichkeiten!» Auch wichtig sei, wie sie in der ersten Mannschaft eingesetzt werden können, was wiederum viel mit der Kaderplanung der ersten Mannschaft zu tun hat. Können sich die Talente mit Hilfe der erfahrenen Spieler weiterentwickeln?

In erfolgreicheren Zeiten sei es zwar schwieriger gewesen, in die Mannschaft zu kommen, weil die Qualität höher war. Aber es war insofern einfacher, weil sie in ein funktionierendes Team mit vielen Persönlichkeiten kamen.

Granit Xhaka konnte sich beispielsweise an der Seite von Benjamin Huggel entwickeln. Huggel hatte viel Struktur in seinem Spiel und konnte auch mal einen Fehler von Xhaka ausbügeln. Heute muss sich Avdullahu mit Veiga neben einem Spieler zurechtfinden, der selbst noch auf dem Weg ist, ein gestandener Profi zu werden. Das ist für die Entwicklung eines jungen Spielers nicht einfach.

Remo Gaugler: Das Gesicht hinter dem FCB-Nachwuchs
Bild: Gaugler sieht immer noch ein grosses Potential beim FC Basel. (Quelle: Rotblau)

Es gab eine Zeit, in welcher der FCB viele Spieler aus der Romandie für den Nachwuchs verpflichtete. Auch aus dem benachbarten Elsass wurden viele Talente gesichtet. Keiner dieser Spieler hat beim FCB wirklich Karriere gemacht. 

Ein Spieler muss wissen, was Basel und der FCB bedeuten. —Remo Gaugler Es waren immer «echte Basler» wie Huggel, Xhaka oder Embolo gewesen – oder aber Spieler wie Valentin Stocker (SC Kriens) und Fabian Frei (FC Winterthur), die in jungen Jahren aus der Deutschschweiz und von bodenständigen Vereinen geholt wurden. «Ein Spieler muss wissen, was Basel und der FCB bedeuten», sagt Gaugler.

Schwierige Voraussetzungen in der Schweiz

Indirekte Kritik übt Remo Gaugler an Percy van Lierop: Der ehemalige Nachwuchschef des FCB habe versucht, die Ausbildung von Red Bull oder Ajax Amsterdam zu kopieren. Vielmehr müsse sich der FCB wieder auf seine eigenen Stärken besinnen und zu einer eigenen Marke werden, wobei die Region und die Kultur zu berücksichtigen seien.

Die Voraussetzungen sind mit denen der genannten Vereine nicht vergleichbar. Allein die politischen Rahmenbedingungen unterscheiden sich erheblich: Während Nicht-EU-Spieler in Österreich eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung erhalten und somit von Red Bull Salzburg zum Mindestlohn verpflichtet werden können, gestaltet sich dies in der Schweiz deutlich schwieriger. So haben die Vereine aufgrund der politischen Verhältnisse unterschiedliche Scoutingmärkte.

Für den FCB sei der Schweizer Markt deshalb besonders wichtig. «Der FCB muss den Anspruch haben, die besten Schweizer Talente bei sich zu haben», ist Gaugler überzeugt und ergänzt: «Diese Spieler müssen aber auch als Typen zum FCB passen und das fussballerische Potenzial haben. Auch Werte wie Leidenschaft, Mentalität und Persönlichkeit sind wichtige Punkte. Die Spieler müssen eine Gier nach Entwicklungsergebnissen und höchster Qualität entwickeln. Aber auch immer Respekt vor Niederlagen, Gegnern und Schiedsrichtern haben. Die Betreuung im Verein und das soziale Umfeld sind sehr entscheidend.»

Er habe auch schon bei anderen Vereinen hospitiert und Elemente übernommen. Dennoch müsse der FCB seine eigene Identität bewahren, ist Gaugler überzeugt. 

Leihgeschäfte mit Weitsicht

Ein Leihgeschäft muss immer gut überlegt sein. Zu viele würden sich nur für den Erfolg der ersten Mannschaft interessieren und die ausgeliehenen Spieler vernachlässigen. Doch diese müsse man auch während der Leihe eng begleiten, ist Remo Gaugler überzeugt.

Man dürfe den Spielern nicht vermitteln, dass man sie nicht mehr brauche, sondern in Zukunft weiter auf sie baue. Bei Yann Sommer oder Taulant Xhaka sei dies gelungen. Der FCB habe ihnen damals immer wieder die Ambition gezeigt, sie zurückzuholen.

In der Vergangenheit gab es beim FCB mehrfach Spieler, die zuerst ausgeliehen und dann definitiv abgegeben wurden und anderswo dann den Durchbruch schafften. Dominik Schmid (Anm. der Red.: Schmid war kürzlich bei Rotblau im Interview), Cédric Itten oder Uran Bislimi sind einige Namen.

Im April 2023 konnten sich Gaugler und das FCB-Management nicht über das weitere Vorgehen einigen, was zur Trennung führte. Heute ist Gaugler bei einem deutschen Verein im Scouting tätig. Auch eine Rückkehr zum FCB kann sich Gaugler irgendwann gut vorstellen.

Das Interview wurde von Urs Dünner, Philipp Kämpf und Shahed Staub geführt.

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