Riehen: Ein beschaulicher Ort mit dicker Kriminalakte
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Tötungsdelikte
Basel-Stadt

Riehen: Ein beschaulicher Ort mit dicker Kriminalakte

09.02.2023 12:07 - update 09.02.2023 16:43
Lea Meister

Lea Meister

Nicht nur der «Feuerteufel» beschäftigte Riehen. Seit den 50er-Jahren ereigneten sich am Rande der Stadt Basel mehrere schreckliche Verbrechen. Diese acht Tötungsdelikte blieben der Bevölkerung und den Medien in Erinnerung.

Wer an Riehen denkt, hat wohl nicht als erstes Kriminalfälle im Kopf. Die beschauliche Kleinstadt mit ungefähr 22’200 Einwohner:innen (mehr als Aarau) und einer Gemeindefläche von 10.87 Quadratkilometern wurde in den vergangenen gut siebzig Jahren aber immer wieder Schauplatz schrecklicher Tötungsdelikte.

Verbrechen in den Fünfzigerjahren

Es ist der 3. März 1952, der Fasnachtsmontag. Die 24-jährige Deutsche Elisabeth Wirs arbeitet als Hausangestellte für die Familie Bechtle, die eine Gärtnerei besitzt. Herr Bechtle nimmt am Cortège teil, seine Frau, die Kinder und Elisabeth Wirs schauen dem Treiben vergnügt zu. Am Abend kümmert sich die Hausangestellte um die Kinder, die Eltern gehen aus.

In der Nacht auf den 4. März geht auf dem Polizeiposten Riehen ein Telefonat ein. Wie dem Riehener Jahrbuch 2016 zu entnehmen ist, habe eine Frau gemeldet, dass sie ihr Dienstmädchen soeben «im Blute liegend» vorgefunden habe. Die Polizei macht sich sofort auf den Weg an die Äussere Baselstrasse. Die Beamten finden die Hausangestellte mit einer tödlichen Kopfverletzung vor, ausserdem fehle Geld, wie Frau Bechtle zu Protokoll gab.

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Die Hausangestellte wurde in der Äusseren Baslerstrasse ermordet. Bild: Keystone

Nach dem «Raubmord von Riehen» wurde viel gemunkelt über eine mutmasslich zerrüttete Ehe und mögliche Affären. Das Ehepaar Bechtle gerät unter Tatverdacht, aber auch ein Steffen A. In Bern wird gar ein Mann aufgegriffen, der behauptet, der Täter zu sein, was sich aber als Falschaussage herausstellt. Die Ermittlungen laufen weiter, das Verbrechen lässt sich aber nicht aufklären.

Die tote Wirtin

Anfang Juni 1953 finden zwei Angestellte im ersten Stock den leblosen Körper einer Frau. Es handelt sich um die 56-jährige Wirtin Emma Fliss. Ihr wurde die Kehle durchtrennt und sie weist mehrere Stichwunden am Rücken auf. Auch hier fehlt ein grösserer Geldbetrag. Wieder geht die Polizei von einem Raubmord aus. Die Fassungslosigkeit in den Medien und der Bevölkerung über die zwei Morde innerhalb relativ kurzer Zeit, ist gross.

Eine Interpellation im selben Monat fordert gar die Erhöhung der Polizeipräsenz im Dorf. Die Bevölkerung ist beunruhigt. In beiden Fällen verlaufen die Spuren im Sand.

Verhaftung mit merkwürdigem Geständnis

Mitte der Fünfzigerjahre werden Dieter Josef A. und Gottfried L. von der Waldshuter Polizei verhaftet. Der Grund: Ein Mord in Rheinfelden (D) und ein Überfall. In den Verhören mit der Polizei äussern sich die beiden und ihre Ehefrauen auch zu den Raubmorden von Riehen. Die Aussagen werden wenig später aber wieder verrufen.

Die Verhörprotokolle sind pikant, beinhalten sie doch mögliche Tatabläufe mit ziemlich detaillierten Beschreibungen der Abläufe. Dieter Josef A. muss 1956 wegen dem Mord in Rheinfelden (D) lebenslang hinter Gitter. Seinen Schwager Gottfried, der wohl auch an der Tat beteiligt war, schützt er aber weiterhin.

Trotz der brisanten Aussagen in den Verhören werden die Ermittlungen nicht wieder aufgenommen. Knapp 70 Jahre nach der Tat wird das Buch «Ungesühnt – Als Raubmorde Riehen und den Landkreis Lörrach erschütterten. Wer stand dahinter?» publiziert. Der Autor: Christian Winterstein, der Anfang der 50er-Jahre selber in Riehen wohnte. Durch Zufall stiess er auf einen weiteren Mord in Wehr (D), der ein Schlüssel für die anderen Taten sein könnte.

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Christian Winterstein wohnte in den 50er-Jahren in der Nähe des Tatorts und publizierte viele Jahre später ein Buch, in welchem die drei Fälle neu aufgerollt wurden. Bild: Archiv

Mord am Wahrsager

Im März 1983 verhaftet die Polizei zwei jüngere Männer. Sie sollen den 53-jährigen Wahrsager und Okkultisten Fritz Johann Rühlin in Riehen mit einer Schusswaffe ermordet haben. Der jüngere der beiden Täter hatte sich der Polizei gestellt. Das Tatmotiv soll Geld gewesen sein.

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Der Wahrsager soll immer wieder erstaunlich präzise Angaben gemacht haben. Bild: Keystone

Rühlin soll in seiner Wohnung eine Praxis für Zukunftsdeutungen und Wahrsagungen betrieben haben. Auch okkultistische Sitzungen sollen dort stattgefunden haben.

Aus Verzweiflung getötet?

Im Dezember 2005 erschüttert eine Verzweiflungstat Riehen. Eine 51-jährige Mutter erdrosselt ihren 12-jährigen Sohn mit einer Haushaltsleine und erwürgt ihn mit den Händen. Danach versucht sie, sich selbst das Leben zu nehmen. Die Mutter befindet sich zum Tatzeitpunkt in einem psychisch labilen Zustand. Im September 2008 wird sie acht Jahren Freiheitsstrafe wegen vorsätzlicher Tötung verurteilt.

Zwei Monate nach dem Urteil im Fall des getöteten 12-Jährigen wird eine Rentnerin freigesprochen. Die 74-Jährige hatte im Mai ihrem schlafenden Ehemann in ihrem Zuhause in Riehen mehrfach mit einem Messer in den Rücken gestochen. Sie hatte über Jahre hinweg die Wahnvorstellung gehabt, ihr Mann gehe ihr fremd. Vor Gericht wird klar: Die Frau sei mit einer Tötungsabsicht vorgegangen. Sie wird basierend auf einem psychiatrischen Gutachten für schuldunfähig erklärt und muss in der psychiatrischen Klinik bleiben.

Ein Mann löscht seine Familie aus

Nachbarn der Familie S. werden im September 2010 von ungewöhnlichen Geräuschen geweckt. Am Vormittag findet die Polizei dann im Kinderzimmer der Familie S. die Leiche von Alessandra* und im Schlafzimmer die toten Eltern. Der Vater habe seine Familie und sich selbst mit einer Pistole erschossen, wie die Polizei vermutet. Nachdem seine Firma übernommen und er arbeitslos geworden war, habe sich der damals 59-Jährige zurückgezogen und schliesslich seine Familie ermordet.

Ausgerechnet in Riehen wurde zu diesem Zeitpunkt eine Männerberatungsstelle in der psychiatrischen Klinik Sonnenhalde ohne Begründung geschlossen.

Der Mörder von Riehen

Anfang Februar 2012 findet eine Frau ihren 35-jährigen Ex-Freund in seiner Riehener Wohnung tot auf. Das Opfer wurde mit mehreren Gegenständen gegen den Kopf geschlagen und schliesslich durch Messerstiche im Hals-, Brust- und Gesichtsbereich getötet. Opfer und Täter sind Arbeitskollegen bei einer Firma in Laufen.

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Der Angeklagte wurde von Beamten zum Gericht gebracht. Bild: Archiv

Der Täter wird vom Appellationsgericht in zweiter Instanz zu 17 Jahren Haft verurteilt. Den Eltern des Ermordeten soll er ausserdem 60’000 Franken bezahlen. Der Verurteilte bestreitet, die Tat begangen zu haben und zieht das Urteil weiter. In Lausanne beantragt er, freigesprochen zu werden. Das Bundesgericht widerspricht der Auffassung des Täters und bestätigt das Urteil über 17 Jahre Freiheitsentzug.

*Quellen dieses Artikels sind alte Artikel von Schweizer Medienhäusern und ein Text aus dem Riehener Jahrbuch 2016.

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