
Schweiz schützt Frauen und Mädchen laut Bericht ungenügend vor Gewalt
Baseljetzt
Ein Bericht der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration kommt zum Schluss, dass die Schweiz Frauen und Mädchen nur ungenügend vor Gewalt schützt. Insbesondere Migrantinnen seien betroffen.
Das Wichtigste in Kürze
- Acht Jahre nach Inkrafttreten der Istanbul-Konvention erhält die Schweiz von verschiedenen Netzwerken eine ungenügende Note zu deren Umsetzung
- Kritisch seien unter anderem fehlende Ressourcen
- Insbesondere betroffen und zu wenig geschützt vor Gewalt seien auch Migrantinnen
Die Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration kommt in einem Parallelbericht zur Evaluation der Istanbul-Konvention zum Schluss, dass die Schweiz Frauen und Mädchen nur ungenügend vor Gewalt schützt. Das teilt sie in einer Mitteilung am Dienstag mit. Man ziehe eine ernüchternde Bilanz und gebe der Schweiz die Note 3.0. Die Istanbul-Konvention, ein Übereinkommen des Europarats, das Frauen und Mädchen vor verschiedenen Formen von Gewalt schützen soll, wird damit nur ungenügend umgesetzt.
Gerade Migrantinnen seien überproportional von Gewalt betroffen, betont Georgiana Ursprung, Koordinatorin Plateforme Traite. Platforme Traite ist ein schweizweites Netzwerk aus vier spezialisierten Organisationen, die sich für die Rechte von Opfer von Menschenhandel engagieren und diese identifizieren, beraten und betreuen.
Fehlende Ressourcen
Auch das Netzwerk Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen, ehemals Terre des Femmes Schweiz, kommentiert zum Bericht, dass die Schweiz zentrale Verpflichtungen zum schutz geschlechtsbezogener Gewalt verfehle. Dies acht Jahre nach Inkrafttreten der Istanbul-Konvention.
Kritisch seien vor allem die fehlenden Ressourcen, etwa für Frauenhäuser, Beratungsstellen und Prävention, grosse kantonale Unterschiede durch föderale Fragmentierung sowie eine unzureichende intersektionale Umsetzung. Betroffene erleben je nach Wohnort stark unterschiedliche Zugänge zu Schutz, Spurensicherung nach sexualisierter Gewalt, barrierefreien Unterkünften oder psychosozialer Unterstützung, wie das Netzwerk weiter mitteilt.
Gewalt ungenügend geprüft
Besonders prekär sei die Situation in der Schweiz für Asylsuchende. Erlebte geschlechtsspezifische oder sexualisierte Gewalt im Herkunftsland oder auf der Flucht werde ungenügend geprüft und nicht ausreichend beachtet bei der Gesuchsprüfung, teilt die Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration weiter mit. «Statt Schutz zu gewähren, schickt die Schweiz reihenweise Frauen in Dublin-Staaten, sichere Drittstaaten oder in Herkunftsländer zurück, in denen sie bereits sexualisierte Gewalt erlebt haben und ihr Risiko, erneut Gewalt zu erleben, riesig ist», steht in der Mitteilung weiter.
Die Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration fordert für gewaltbetroffene Personen im Asylverfahren deshalb, dass Gewalt im Herkunftsland oder auf der Flucht aufgrund des Geschlechts, der Geschlechtsidentität oder der sexuellen Orientierung als Fluchtgrund anerkannt wird. Sie fordern ausserdem mehr Selbsteintritte statt der Rückführung in Dublin-Staaten, «sichere» Drittstaaten oder Herkunftsländer mit hohem Gewaltrisiko. (vaz)
Mehr dazu
Feedback für die Redaktion
Hat dir dieser Artikel gefallen?
Kommentare lesen?
Um Kommentare lesen zu können, melde dich bitte an.


Kommentare
Dein Kommentar
Mit dem Absenden dieses Formulars erkläre ich mich mit der zweckgebundenen Speicherung der angegebenen Daten einverstanden. Datenschutzerklärung und Widerrufshinweise