Seit 20 Jahren wird im Gundeli blind gegessen
©Bild: Baseljetzt
«Blinde Kuh»
Basel-Stadt

Seit 20 Jahren wird im Gundeli blind gegessen

28.02.2025 05:58 - update 28.02.2025 09:44
David Frische

David Frische

Ich sehe nichts, ich höre, rieche und schmecke: Das Restaurant Blinde Kuh feiert sein 20-Jahr-Jubiläum. Das Prinzip des Dunkelrestaurants war damals eine Weltneuheit. Und es ist heute nicht weniger wichtig.

Das Wichtigste in Kürze

  • Vor 20 Jahren wurde das Restaurant Blinde Kuh im Gundeli-Quartier eröffnet.
  • Das Restaurant war und ist das Kernangebot der tragenden gleichnamigen Stiftung Blinde Kuh. Ohne die Zusatzangebote wäre es finanziell aber schwierig.
  • Die neue Leitung will im Restaurant in Zukunft Lehrstellen anbieten.

Sehvermögen: null. Orientierung: mangelhaft. Erlebnis: eindrücklich. Genuss: hoch. So in etwa lässt sich in Stichworten ein Besuch in der «Blinden Kuh» beschreiben.

Als Ende der Neunzigerjahre eine Gruppe von vier Menschen in Zürich das Restaurant Blinde Kuh eröffnete, war eine Weltneuheit geboren. Die Idee, in einem stockdunklen Restaurant Gäste zu empfangen und blinden Menschen eine Arbeit zu geben, hatte zuvor noch niemand in die Tat umgesetzt. Der Kopf hinter der Kuh: Stefan Zappa. Das Gastrokonzept des sehbehinderten Psychologen schlug ein, die Wartelisten für einen Tisch im Dunkeln lang.

Und so eröffnete Zappa fünf Jahre später in Basel einen Ableger der «Blinden Kuh». Auch im Gundeli war der Andrang gross. «Zu Beginn betrug die Wartezeit für einen Tisch ein halbes Jahr», erinnert sich Johannes Tschopp. Er ist heute für die Gesamtleitung der beiden Betriebe in Basel und Zürich verantwortlich.

Vertauschte Rollen im Restaurant

Die «Blinde Kuh» in Basel eröffnete 2005, also vor genau 20 Jahren. Auch wenn heute die Warteliste für eine Speise nicht mehr sechs Monate betrage, sei das Konzept nach wie vor erfolgreich, so Tschopp. Weil ein Gang in die «Blinde Kuh» alles andere als ein gewöhnlicher Restaurantbesuch ist.

Wer hier ist, taucht einen Abend lang in die Sinneswelt eines blinden Menschen ein. Denn als Gast sieht man in der «Blinden Kuh» absolut nichts. Man wird von einem blinden Service-Mitarbeitenden an den Tisch geführt und erhält dann sämtliche Speisen und Getränke im Dunkeln serviert. «Am Ende können die Gäste dann raten, an welchem Tisch sie gesessen haben», sagt Tschopp schmunzelnd. Kein einfaches Unterfangen.

Plötzlich waren Pilze lecker

Wer für einmal den Sehsinn zurückstellt, kann durchaus neue Erfahrungen machen. So hätten Gäste schon mehrmals mit Erstaunen festgestellt, dass sie etwas gerne gegessen haben, dass sie sonst eigentlich nicht mögen. «Ein Gast fand die Pilze lecker, obwohl er die sonst nicht isst», erinnert sich Tschopp. Denn auch das Essen will am Ende erraten werden.

Da sich die Gäste kulinarisch auf einen Blindflug einlassen, können sie bei der Bestellung angeben, was sie nicht mögen, ob sie Fleisch essen oder lieber vegetarisch oder vegan. Man kann zwischen mehrgängigen Surprise-Menüs wählen. Für Jene, denen dies zu ungewiss ist, gibt es auch zwei Menüs à la Carte.

Krimi-Dinner und Bier-Degustationen im Dunkeln

Auch wenn in der «Blinden Kuh» an der Dornacherstrasse 192 fleissig gekocht, serviert und gegessen wird, reicht das Restaurant alleine nicht aus, um über die Runden zu kommen. Das Angebot der Stiftung geht übers Kulinarische hinaus. In der ehemaligen Fabrikhalle befindet sich auch ein Loungebereich und eine Eventlocation, die separat für Anlässe gebucht werden kann. «Wir brauchen die Eventhalle, um den ganzen Betrieb zu finanzieren», so Tschopp. Ohne dieses Angebot wäre es in Basel schwierig.

In Zürich profitiere man von einem grösseren Einzugsgebiet. Aber auch dort gibt es Zusatzangebote wie Workshops, Krimi-Dinner im Dunkeln und blinde Bier-Degustationen. Solche Events werden teils auch in Basel durchgeführt.

«Blinde Kuh» will selbst ausbilden

Tschopp ist seit vergangenem Herbst für die Gesamtleitung der beiden Gastrobetriebe der «Blinden Kuh» verantwortlich. Mit Andreas Siemer hat der Standort Basel seit Kurzem auch einen neuen Betriebsleiter. Beide sind erfahrene Gastronomen. Tschopp war unter anderem im Gourmetrestaurant Weiherschloss Bottmingen und im «Goldenen Sternen» in Basel tätig. Siemer bringt Erfahrung aus der Spitalgastronomie, aus Hotels und aus reinen Gastrobetrieben mit.

Am bewährten Konzept der «Blinden Kuh» wollen die Beiden festhalten. Aber sie haben sich für die nahe Zukunft ein neues Ziel gesteckt: «Wir wollen ein Teilpensum für eine Lehrstelle anbieten», so Tschopp. Zusammen mit einem anderen Gastrobetrieb will man künftig blinde oder stark sehbeeinträchtigte Personen ausbilden. Es wäre der nächste Schritt in der inklusiven Tätigkeit des Betriebs. Im Manifest der Stiftung Blinde Kuh heisst es: «Unsere Arbeit soll dazu beitragen, die Integration und Akzeptanz von Menschen mit Sehbehinderungen in unserer Gesellschaft zu verbessern.»

Mit einem eigenen Lehrangebot könnte der Betrieb zudem junges Personal nachziehen. Denn sehbehinderte Mitarbeitende zu finden, sei nicht einfach, so Tschopp. Zumal die Stellen in der «Blinden Kuh» Teil des ersten Arbeitsmarkts sind. Heute arbeiten im Betrieb in Basel sechs Sehbeeinträchtigte.

Jubiläumsfeier in der Halle 7

Das 20-Jahr-Jubiläum der «Blinden Kuh» in Basel wurde am Donnerstagabend in der Halle 7 mit geladenen Gästen gefeiert. Zu den Höhepunkten des Abends gehörten die Auftritte eines sehbeeinträchtigten Tenors, der selbst im Restaurant arbeitet, einer gemischten Gesangsformation aus Blinden und Sehenden sowie des mehrfachen Basler Trommelkönigs Maurice Weiss.

Du willst in der «Blinden Kuh» essen gehen? Dann musst du vorgängig reservieren. Die Termin- und Menüauswahl findest du auf der Website des Restaurants.

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Kommentare

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28.02.2025 07:53

Thomy

Herzlichen Glückwunsch zum 20. 👍

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28.02.2025 06:11

pserratore

👍

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