Strafforderungen in Basler Drogenprozess gehen weit auseinander
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Appellationsgericht
Basel-Stadt

Strafforderungen in Basler Drogenprozess gehen weit auseinander

01.10.2025 11:20 - update 01.10.2025 16:33

Baseljetzt

Die Basler Staatsanwaltschaft hält an der Berufungsverhandlung an einer Freiheitsstrafe von 17 Jahren und drei Monaten gegen einen 50-jährigen Mann fest. Sie hält ihn nach wie vor für einen Kokainhändler auf höchster Hierarchiestufe.

Obwohl die zweite Instanz die Verwertbarkeit von Daten aus dem verschlüsselten Messenger-Dienst SkyECC am Morgen verneint hat, beharrte die Staatsanwaltschaft auf ihrer Einschätzung des spanisch-kolumbianischen Doppelbürgers. «Er hatte in der Schweiz niemanden über sich und war sein eigener Herr und Meister», sagte die Staatsanwältin am Mittwoch in ihrem Plädoyer vor dem Basler Appellationsgericht.

Sie anerkannte, dass die geforderte Strafe hoch sei. Die Schweiz sei jedoch «im internationalen Drogenhandel kein unbeschriebenes Blatt mehr». Man müsse nun mit «für uns ungewöhnlich harten Strafen» reagieren. Ebenfalls forderte die Staatsanwältin einen Landesverweis von 15 Jahren.

Der Mann habe in seinen Wohnungen in Basel «eine professionelle Vertriebsstätte» eingerichtet, «die weit über die Portionierung zum Verbrauch» hinausgegangen sei. Zudem habe er auch jenseits der SkyECC-Chats Verbindungen zu Personen im Drogenmilieu unterhalten und sei deswegen auch in Kolumbien gewesen. Er habe auch massgeblich zum Erfolg der dortigen Früchteplantagen beigetragen, die als Deckmantel für Drogenschmuggel fungiert hätten.

Aus Sicht der Verteidigung ein Kleinkrimineller

Die Verteidigung zeichnete hingegen das Bild eines Kleinkriminellen, der seinen Eigenkonsum von Kokain finanzierte und vielleicht ein kleines Einkommen erwirtschaftete. Schlussendlich nachgewiesen worden sei eine Menge von 287,7 Gramm, plädierte der Verteidiger. Das sei zwar genug für eine Verurteilung wegen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz mit schwerer Gesundheitsgefährdung, zu einem «hohen Tier» mache ihn das aber nicht.

In die oberste Hierarchiestufe sei er nur wegen der SkyECC-Chats «gerutscht», sagte der Verteidiger weiter. Diese seien aber nicht verwertbar. Er forderte Freisprüche von den Anklagepunkten betreffend Banden- und Gewerbsmässigkeit sowie Geldwäscherei.

«Eine Freiheitsstrafe muss ausgesprochen werden», plädierte der Verteidiger. Diese müsse aber «ganz klar nach unten korrigiert» werden. Er beantragte ein Jahr und zehn Monate, möglicherweise im bedingten Strafvollzug, da sein Mandant nicht vorbestraft sei. Falls ein Landesverweis auszusprechen sei, sei dieser auf fünf Jahre zu reduzieren.

Der Beschuldigte blieb während der Befragung wortkarg. Zu den Fragen zu seiner Person und zu den Vorwürfen sagte er nicht aus. Am Ende hielt er gemäss Übersetzung kurz fest, die Anklage sei «zu weitläufig» und er streite «die Auslieferungen» ab. Das Urteil ist für Freitag, 16.00 Uhr angekündigt. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.

Verwertbarkeit von SkyECC-Daten verneint

Das Appellationsgericht entschied, der Argumentation der Verteidigung zu folgen und die Daten aus SkyECC erhoben wurden, nicht zu verwerten. Die App war auf einem eigens dafür konfigurierten Handy beim Beschuldigten gefunden worden. Die daraus erhobenen Daten implizieren, dass er in grossangelegten internationalen Drogenschmuggel involviert war.

Die Verteidigung hatte einen Antrag auf Unverwertbarkeit der SkyECC-Daten gestellt. Sie verwies auf ein Urteil des Zürcher Obergerichts vom August, das in einem anderen Fall ebenso entschieden hatte. Der SkyECC-Server stand in Frankreich und französische Behörden hätten gar keine Daten von Clients in der Schweiz erheben dürfen.

Das Gericht hielt fest, dass die Rohdaten aus der App nicht verfügbar seien, was ebenfalls gegen eine Verwertung spreche. Weil SkyECC nicht nur von Kriminellen genutzt wurde, sondern dort auch etwa Staatsgeheimnisse umgingen, stellten die französischen Behörden nur einen bearbeiteten Datensatz zur Verfügung.

Erste Instanz urteilte weit unter der Forderung der Staatsanwaltschaft

Das Strafgericht hatte den damals 47-jährigen Beschuldigten im Januar 2023 zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren und neun Monaten verurteilt und ihn für zwölf Jahre des Landes verwiesen. Es erachtete es als bewiesen, dass er mit 4,5 Kilogramm Kokain handelte und damit 230’000 Franken einnahm. Dass es sich bei ihm um einen hochrangigen Drogenboss handelt, glaubte die erste Instanz hingegen nicht – zumindest sei das nicht beweisen.

Die Staatsanwaltschaft schrieb in der damaligen Anklageschrift von Transporten von bis zu neun Tonnen Kokain mit einem Strassenverkaufswert von über 600 Millionen Franken, die sie dem Mann anlastete. Sie stütze sich dabei auch auf die Auswertung von SkyECC-Nachrichten. Das Strafgericht sah es jedoch nicht als erwiesen an, dass der Beschuldigte deren Urheber war. (sda/daf)

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