SVP-Kantonsrat in Zürich zu Freiheitsstrafe verurteilt
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Prozess
Schweiz

SVP-Kantonsrat in Zürich zu Freiheitsstrafe verurteilt

03.07.2023 21:55

Baseljetzt

Das Bezirksgericht Zürich verurteilt den Schwyzer Kantonsrat Bernhard Diethelm zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten und einer bedingten Geldstrafe.

Das Bezirksgericht Zürich hat den Schwyzer Kantonsrat Bernhard Diethelm (SVP) am Montagabend von den schwersten Vorwürfen freigesprochen. Er kassiert eine bedingte Freiheitsstrafe von acht Monaten wegen Körperverletzung und eine bedingte Geldstrafe wegen Pornografie von 120 mal 100 Franken.

Für die Strafen gilt eine zweijährige Probezeit. Diethelm muss eine Busse von 1000 Franken bezahlen. Diese sprach das Gericht wegen Tätlichkeiten aus. Der Klägerin muss er 1000 Franken Genugtuung zahlen.

Kein Beweis für Betäuben

Dem 40-Jährigen wurde vorgeworfen, eine Prostituierte in Zürich misshandelt zu haben. So soll er sie gewürgt und versucht haben, sie zu betäuben. Ziel sei gewesen, die 26-Jährige zu vergewaltigen.

Dass der Schwyzer SVP-Kantonsrat die Frau gewürgt hatte, sahen die Richter als bewiesen an. Dies taxierten sie als einfache Körperverletzung. Jedoch habe keine Gefährdung des Lebens bestanden. Ebenso fehlten die Beweise, dass er versucht habe, die Frau zu betäuben.

«Ich habe rot gesehen»

Diese Vorwürfe wiesen auch Diethelm und sein Verteidiger während der Verhandlung zurück. Es habe eine Auseinandersetzung um die Bezahlung gegeben, bei der der Kantonsrat die Prostituierte zu Boden gestossen habe. Dafür sollte er wegen Tätlichkeiten mit einer Busse bestraft werden. Den Besitz und die Verbreitung von illegaler Pornografie gab Diethelm zu.

Als er sich beim Streit gewehrt habe, habe er die Frau möglicherweise verletzt, sagte Diethelm vor Gericht. Sie habe ihn zuvor in den Finger gebissen. Vergewaltigen habe er sie aber sicher nicht wollen, beteuerte der Kantonsrat. «Ich habe rot gesehen, dafür habe ich mich entschuldigt», hielt Diethelm fest.

Er habe die Frau geschubst, sie sei zu Boden gefallen. Das könne auch heftiger gewesen sein. Mehr habe er nicht getan. Als sie lauthals zu schreien begonnen habe, habe er die Flucht ergriffen. Als Mann sei eine solche Situation eben schwierig, erklärte er.

«Hatte Angst um mein Leben»

Dass er bei dem Treffen eine FFP2-Maske getragen haben soll, wies der erklärte Corona-Massnahmen-Gegner zurück. Diese habe er bloss unter Zwang bei der Arbeit getragen.

Ganz anders schilderte die Klägerin das Geschehen. Diethelm habe sie schon früher für ein Sadomaso-Treffen gebucht. Dabei sei alles im Rahmen geblieben. An jenem Morgen im Jahr 2021 habe der 40-Jährige sie aber unvermittelt von hinten gepackt und gewürgt, als sie ihn nach der Bezahlung habe fragen wollen.

Sie habe während der Attacke etwas «Komisches, Süssliches» gerochen, ähnlich wie Katzenurin, sagte sie weiter. Sie vermute, es war Chloroform. Dieses rieche allerdings nicht nach Katzenurin, sagte der Richter.

Mit Verletzungen übersät

Dem SVP-Politiker konnte nachgewiesen werden, dass er 45 Minuten vor dem Treffen «Chloroform kaufen Schweiz legal» gegoogelt hat, hielt ihm ein Richter vor. «Das kann ich mir nicht mehr erklären», sagte Diethelm. Den Richtern reichte das nicht als Beweis.

Die Staatsanwältin hatte eine Freiheitsstrafe von vier Jahren gefordert. Die Verletzungen der 26-jährigen Prostituierten deuteten auf ein Würgen und einen Kampf hin. Das blosse Stossen könne nicht erklären, warum die Frau «mit Verletzungen übersät» war.

Zwar könne nicht gesagt werden, was genau der Schwyzer SVP-Kantonsrat vorhatte. Doch das versuchte Betäuben zeige, dass Handlungen gegen den Willen der Frau geplant waren, sagte die Staatsanwältin während der Verhandlung.

Urteil noch nicht rechtskräftig

Die Anwältin der Prostituierten verlangte eine Genugtuung von 7000 Franken für die körperlichen und psychischen Folgen, die der Vorfall auf die Frau gehabt hätten.

Der Prozess und die «überrissene Anklageschrift» hätten schwere Folgen für Diethelm, sagte der Verteidiger. So sei dessen politische Karriere wohl vorbei. Da sein ungewöhnliches Sexleben öffentlich ausgebreitet wurde, werde er bei der konservativen Wählerschaft kaum mehr Unterstützung finden. Diethelm selber zeigte sich bestürzt, dass am Prozess «das Sexuelle so zur Schau gestellt wurde».

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann ans Obergericht weitergezogen werden

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