Teil 3 der Serie «Aus einer anderen Zeit»:  Viel Glück, Dani
Fiktionale Texte
Basel-Stadt

Teil 3 der Serie «Aus einer anderen Zeit»: Viel Glück, Dani

01.02.2023 05:36 - update 01.02.2023 09:16
Lea Meister

Lea Meister

Immer wieder stösst man in Brockenhäusern auf Schriftstücke aus einer anderen Zeit. Von Fundstücken inspiriert entstand auf der Baseljetzt-Redaktion eine Serie mit fiktionalen Geschichten über Menschen aus Basel.

Auf der Suche nach Schriftstücken und Notizen aus einer anderen Zeit ist die Baseljetzt-Redaktion durch die Brockenhäuser der Stadt Basel gestreift. Inspiriert von alten Postkarten, Notizen und Fotos sind fiktionale Geschichten von Baslerinnen und Baslern aus verschiedenen Jahrzehnten entstanden.

Der dritte Text der Serie bezieht sich auf diese Notiz, gefunden auf einem Flyer für ein Spiel des FC Basels gegen den FC Liverpool aus den Siebzigerjahren:

Teil 3 der Serie «Aus einer anderen Zeit»:  Viel Glück, Dani
Die Vorderseite des Flyers, der Werbung machte für das Spiel des FC Basel gegen den FC Liverpool.
Teil 3 der Serie «Aus einer anderen Zeit»:  Viel Glück, Dani
Die Notiz auf der Rückseite des Flyers. Datiert mit dem 4. August 1978.

Viel Glück, Dani

Als Gret Ende November 1978 die gemeinsame Wohnung im Basler St. Johann-Quartier verlässt, hat sie ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Das Abendessen zu Danis 30. Geburtstag am Vortag verlief ganz und gar nicht ihren Vorstellungen entsprechend. Schon wieder war das Reizthema Fussball auf den Tisch gekommen. Ursprünglicher Stein des Anstosses: Das Endspiel der Fussballweltmeisterschaft am 25. Juni des laufenden Jahres. Argentinien spielte in Buenos Aires gegen die Niederlande.

Zusammen mit Grets argentinischem Grossvater feierte sie damals die Nacht durch. Argentinien ist Weltmeister. Wahnsinn. Als sie am Morgen nach Hause kam und sich direkt ins Bett legte, wartete der sichtlich angesäuerte Dani bereits auf sie. Was ihr einfalle. Sie sei eine Frau, ob sie keinen Anstand habe. Seit diesem Abend war nichts mehr wie zuvor. Erst, als Gret ihre Liebe zum Fussball auch Dani gegenüber offen zeigte, offenbarte dieser sein wahres Gesicht. Ein Bünzli ist er und ein Macho noch dazu. Natürlich ist Fussball ein Männersport, sagt er. Dass seine Freundin ihn zu Spielen des FC Basel begleitet, treibt ihn in den Wahnsinn. Er schämt sich gar vor seinen Freunden, wie er ihr unmissverständlich klar machte.

Ein klassischer Bünzli

Dani selber darf natürlich tun und lassen, was er will. Als aktiver Teil der in den 70er-Jahren neu aufgekommenen Hausbesetzerbewegung in Basel sieht er sich als sozialer Kämpfer des Widerstands gegen die Verdrängung von Wohnraum. Schön und gut. In seinen eigenen vier Wänden frönte er aber dem klassischen Bünzlileben. So richtig bewusst war sich Gret dessen Anfangs nicht. Nicht grundlos spricht man von der rosaroten Brille in der Anfangsphase einer Beziehung. Dani brachte ihr regelmässig Blumen nach Hause, machte ihr Komplimente und begleitete sie zu Familienessen, wo er sich auch schnell Beliebtheit verschaffte. Seit Wochen nun setzt er Gret aber immer wieder auf Liebesentzug und schenkt ihr kaum noch Beachtung. Die Abende, an welchen er trotz Verabredung gar nicht auftauchte, kann sie unterdessen an zwei Händen abzählen.

Zurück zum besagten Abendessen: Zu seinem 30. Geburtstag schenkte Gret ihm zwei Tickets für das Testspiel des FC Basel gegen den grossen FC Liverpool. FCB-Fan Dani freute sich sehr und fragte gleich seinen besten Freund, ob er ihn begleiten würde. Natürlich war das nicht der Sinn und Zweck von Grets Geschenk – sie als leidenschaftlicher Liverpool-Fan wäre gerne mit ihm zum Spiel gegangen. «Auf keinen Fall», meinte Dani. Solch ein verrücktes Spiel wolle er doch nicht mit einer Frau besuchen.

Ein aufmerksamer Nachbar

Ungläubig schnappte Gret sich also am Morgen die beiden Eintrittskarten und fuhr nach einer schlaflosen Nacht in die kleine Einzimmerwohnung ihrer besten Freundin am Stadtrand im Hirzbrunnen-Quartier, wo sie während der Ferien ihrer Freundin die Pflanzen giessen und die Post verwalten musste. Beim Herausholen der Tageszeitung aus ihrem Briefkasten fällt ein Stück Papier zu Boden. «Na toll». Ein Flyer für das Spiel gegen den FC Liverpool. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Erst auf den zweiten Blick bemerkt sie, dass ihr Milchkasten offensteht.

Ungläubig zieht sie den Strauss roter Rosen heraus. Ob ihre Freundin einen Verehrer hat? Auf einem Kärtchen an den Rosen steht: «Du hast mehr verdient als das. Kommst du mit mir zu den Reds? Ein aufmerksamer Nachbar» Unterzeichnet mit dem Namen Ruedi. Seit Jahren buhlte Ruedi um ihre Gunst. Bisher hatte sie ihm nicht gross Beachtung geschenkt, obwohl seine Annäherungsversuche immer sehr stilvoll und subtil gewesen waren. Er musste wohl mitbekommen haben, dass sie bei ihrer Freundin, seiner direkten Nachbarin, Pflanzen goss und sie damit überraschen könnte.

Auf einen Zeitungsschnipsel schreibt sie «Das klingt super! Die Tickets habe ich auch schon organisiert» und wirft den Zettel zusammen mit den Tickets in den Briefschlitz seines Briefkastens direkt nebenan.

Viel Glück, Dani

Noch am selben Abend macht sich Gret nochmals auf den Weg zur gemeinsamen Wohnung. In ihrer Hand der Match-Flyer, den sie am Morgen im Briefkasten ihrer Freundin gefunden hatte. Darauf die Notiz: Bitte sei mir nicht böse, ich bin gegangen, das ist ja kein Leben mehr, das wir führen. Ich wünsche dir viel Glück. Gret

Kurz und schmerzlos, so sollte er es verstehen, denkt sie sich und wirft den Flyer bei ihm ein. Das «viel Glück» bezieht sich nicht nur auf sein Leben, sondern auch auf das Spiel. Den leicht ironischen Beigeschmack konnte sie sich nicht verkneifen.

Du hast eine alte Postkarte, ein altes Dokument, einen Brief oder ein altes Foto, welches du gerne in einer fiktiven Geschichte wiederfinden würdest? Schick es uns zu auf lea.meister@telebasel.ch.

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